Süddeutsche Zeitung

Abfindung von Wendelin Wiedeking:Geld, Geld, noch mehr Geld

Porsche verhandelte zäh um Wiedekings Abfindung. Die Summen, die im Spiel waren, machen Schwindeln: Von 140 Millionen Euro war die Rede - bis Belegschaftsvertreter rebellierten.

D. Deckstein und K. Ott

Die Aufsichtsräte von Porsche saßen bereits lange zusammen, ehe sie zwei Stunden nach Mitternacht an dem Punkt angelangten, von dem alles weitere abhing. Die Ablösung von Konzernlenker Wendelin Wiedeking, der den Weg frei machen sollte für die Übernahme des finanziell klammen Sportwagen-Herstellers durch den Autokonzern VW.

Bis in den Morgen wurde in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag im Casino des Porsche-Entwicklungszentrums in Weissach bei Stuttgart um Wiedekings Abfindung gepokert, mit Beträgen, die in Deutschland noch nie zuvor einem Vorstandschef angeboten worden waren, um ihn zum Ausscheiden zu bewegen. Erstmals war es sogar um einen dreistelligen Millionenbetrag gegangen, wie sich jetzt herausstellt.

Nicht vermittelbarer Vorschlag

Auf 140 Millionen Euro hatte sich die ursprüngliche, schriftliche Offerte des Porsche-Großaktionärs und Aufsichtsratschefs Wolfgang Porsche belaufen, wie Wiedekings Anwalt Jobst-Hubertus Bauer am Freitag mitteilte. Wiedeking hätte die 140 Millionen Euro nach Angaben seines Anwalts auch akzeptiert. Doch der Aufsichtsrat weigerte sich, eine solch hohe Abfindung zu beschließen.

Die sechs Vertreter der Belegschaft im zwölfköpfigen Kontrollgremium verwarfen Wolfgang Porsches Vorschlag, der niemandem vermittelbar sei; weder den Beschäftigten noch den Bürgern. Erst nach mehreren Stunden, nach heftigen Debatten und diversen Unterbrechungen der Sitzung für Vier-Augen-Gespräche der Hauptakteure konnten sich der Aufsichtsrat und Wiedeking beziehungsweise dessen Anwälte auf die 50 Millionen Euro einigen, die der scheidende Konzernchef nun bekommt. Und von denen er mehr als die Hälfte für gemeinnützige und soziale Zwecke stiften will, wie er anschließend verkündete.

Möglicher Anspruch von 260 Millionen Euro

Im Aufsichtsrat waren nach übereinstimmenden Angaben von mehreren Sitzungsteilnehmern zuvor ganz andere Beträge vorgetragen worden: Zuerst 260Millionen Euro, dann 171 Millionen, danach 140 und 80 Millionen Euro, ehe man bei den 50 Millionen Euro ankam. Wiedekings Anwälte hätten einen möglichen Anspruch von 260 Millionen Euro "formuliert", erfuhren die Aufsichtsräte von den beiden Großaktionären, den Familien Porsche und Piëch.

Die sind selbst im Kontrollgremium vertreten, vor allem mit Wolfgang Porsche, dem Chef des Aufsichtsrats, und Ferdinand Piëch, der Wiedeking öffentlich bloßgestellt und demontiert hatte, um ihn loszuwerden. Wiedekings Anwalt Jobst-Hubertus Bauer sagte am Freitag auf Anfrage, er habe lediglich darauf verwiesen, dass Wiedekings Vertrag eine sogenannte "Change of Control"-Klausel enthalte. Sofern Porsche einen neuen Eigentümer bekomme (in diesem Fall VW), könne der Konzernlenker ausscheiden und habe Anspruch auf eine Abfindung, die er gerichtlich einfordern könne. Bauer bezifferte nach eigenen Angaben das "Prozessrisiko" für Porsche auf bis zu 260 Millionen Euro.

Die Rechtsabteilung des Sportwagen-Herstellers sah das offenbar etwas anders. Die Konzernjuristen hätten ausgerechnet, dass Wiedeking 171 Millionen Euro geltend machen könne, erfuhr der Aufsichtsrat als nächstes von den Familien Porsche und Piëch. Und geboten habe man dem Vorstandschef vor der Aufsichtsratssitzung 140 Millionen Euro, erklärten die Familien.

Auf der nächsten Seite: Wann es dem temperamentvollen Hück zu viel wurde - und man sich schließlich doch noch einigte.

Drastische Ausdrücke

Der von IG-Metall-Chef Berthold Huber angeführte Arbeitnehmerflügel im Aufsichtsrat rebellierte. "Das läuft nicht, das machen wir nicht mit, das können Sie vergessen", riefen die Belegschaftsvertreter den Porsches und Piëchs zu. Gewerkschaftschef Huber warnte die Großaktionäre eindringlich. "Das würde auf tiefstes Unverständnis bei den Beschäftigten und in der Öffentlichkeit stoßen."

Die Sitzung wurde unterbrochen, Betriebsratschef Uwe Hück ging aus dem Sitzungssaal hinaus zu Wiedeking, der bei der Debatte über ihn und seine Abfindung nicht dabei sein durfte. So sehen das die Regularien vor. Hück soll auf Wiedeking eingeredet haben, ob der "17 Jahre gute Arbeit" bei Porsche so beenden wolle, ob er daran denke, wie die Belegschaft und die Bürger draußen reagierten. Womöglich drückte sich Hück noch viel drastischer aus. Der Betriebsratschef und der bisherige Vorstandschef haben immer offen miteinander geredet, bei Bedarf auch Tacheles. Sie sind aus dem gleichen Holz geschnitzt, keiner der beiden nimmt ein Blatt vor den Mund.

Gespräche unter vier Augen

Nach Hück sprach auch Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche unter vier Augen mit Wiedeking über dessen Abfindung. Der nächste Vorschlag, der dem Kontrollgremium unterbreitet wurde, lautete 80 Millionen Euro, davon 30 Millionen für die Belegschaft. Auch das war den Belegschaftsvertretern zu viel. Einer von ihnen warf ein, Wiedeking solle gar nichts bekommen. IG-Metall-Chef Huber sagte, auf fünf Millionen Euro könne man sich einigen. Es ging zu wie bei Tarifverhandlungen. Die Sitzung wurde erneut unterbrochen, wieder folgten Gespräche unter vier Augen.

Irgendwann soll es dem temperamentvollen Hück zu viel geworden sein und er soll einige der Gesprächspartner, die für Wiedeking möglichst viel herausholen wollten, ziemlich angepflaumt haben. Die sollten "endlich mal den Mund halten". Schließlich einigte man sich auf die 50 Millionen Euro, die zu großen Teilen der Belegschaft zugute kommen soll. Wiedeking sorgte sich offenbar, er könne als Abzocker dastehen. "Um eines klarzustellen", sagte der Manager dem Aufsichtsrat: "Ich habe nichts gefordert, man hat mir etwas angeboten." Wiedeking wäre nach Angaben seines Anwalts sogar dazu bereit gewesen, ganz auf eine Abfindung zu verzichten.

Wiedekings Vertrag wäre noch bis 2012 gelaufen, und Grundlage des ersten Abfindungsangebots von Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche in Höhe von 140 Millionen Euro soll das gewesen sein, was der Konzernchef in den vergangenen drei Jahren verdient habe: Erst mehr als 20, dann mehr als 60 und zuletzt sogar fast 100 Millionen Euro, wie es aus Porsche-Kreisen heißt. Wiedeking hat längst ausgesorgt.

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SZ vom 25.7.2009/bön
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