Süddeutsche Zeitung

Abfallproblem:Der Export von Plastikmüll muss endlich aufhören

Lesezeit: 3 min

Im Bezug auf Kunststoffabfälle gilt das Motto "aus den Augen, aus dem Sinn". Das muss sich ändern - zur Not mit einer Plastiksteuer.

Kommentar von Silvia Liebrich

Im Mülltrennen sind die Deutschen Spitzenklasse - und das nicht erst seit gestern. Dass Abfall nicht einfach in die Tonne gehört, sondern sortiert werden muss, lernen Kinder bereits in der Schule. Plastik, Blech, Glas, Papier und Pappe sind eben nicht nur lästiger Müll, sondern auch wertvolle Rohstoffe. Im Idealfall entsteht so ein Kreislauf, in dem nichts verschwendet wird, sondern vieles immer wieder aufs Neue verwertet werden kann.

Bei den meisten Stoffen funktioniert das auch ganz gut. Nicht so jedoch bei Plastik. Dabei geben sich viele Verbraucher große Mühe, selbst einzelne Kunststoffarten noch zu trennen, die sie dann ordentlich separiert beim Wertstoffhof abgeben, zumindest in Städten und Gemeinden, wo dies so vorgeschrieben ist, weil es keinen gelben Sack gibt. Gut fürs Gewissen mag das Sortieren ja sein, doch das allein reicht nicht. Was später mit dem Müll geschieht, weiß niemand so richtig. Hier gilt die Devise: aus den Augen, aus dem Sinn.

Nur ein Teil davon landet wie gewünscht in Recyclinganlagen, die Plastikflaschen, Verpackungen, Tüten und Einweggeschirr in Kunststoffpellets für die Industrie verwandeln. Ein großer Rest verschmutzt dagegen die Weltmeere. Oder er ruiniert die Umwelt in ärmeren Ländern, wo man den Wohlstandsmüll zwar gern aufnimmt, aber wenig Sinnvolles damit anfangen kann, wo der Abfall einfach ohne Schutzvorkehrungen verbrannt oder deponiert wird.

Reiche Länder wie Deutschland haben sich lange nicht dafür interessiert, was mit dem Wohlstandsmüll ihrer Bürger geschieht. Länger ignorieren können sie dieses Problem nicht. Sie müssen endlich Verantwortung übernehmen, die Ausfuhr ihres Plastikabfalls stoppen und ihn wieder dem Wirtschaftskreislauf zuführen. Denn die Sünden der Vergangenheit treten immer offensichtlicher zutage, sie stinken buchstäblich zum Himmel. Das zeigen etwa die Funde von gelben Säcken deutscher Herkunft in Malaysia, die sich dort stapeln, seit China 2018 die Annahme stoppte.

Deutschland gehört neben den USA, Japan und Großbritannien zu den größten Exporteuren von Plastikmüll weltweit. Jährlich werden gut eine Million Tonnen von hier aus ins Ausland exportiert, dies entspricht einem Sechstel des insgesamt erzeugten Plastikabfalls. Seit China ausfällt, gehen diese Transporte vor allem nach Südostasien oder Indien. Was dort damit im Einzelnen geschieht, lässt sich nur schwer nachverfolgen.

Exporteure aus Deutschland bekommen Geld dafür, dass ihr Müll weit entfernt abgenommen wird. Doch wer der Spur des Geldes folgt, kommt meist nicht weit. Das Geschäft ist trotz vieler Regulierungsversuche bis heute in weiten Teilen undurchsichtig. Wer letztendlich an dem umstrittenen Abfallhandel verdient, ist oft unklar. Auch das macht es schwer, ihn zu kontrollieren und zu regulieren. Ein Missstand, der sich nur durch Transparenz und klare Regeln beseitigen lässt.

Im Kampf gegen das Abfallproblem bleibt keine Zeit mehr

Ziel muss es aber vor allem sein, die Exporte von Plastikmüll deutlich zu begrenzen. Aus ökologischer Sicht schadet es Klima und Umwelt, gelbe Säcke um die halbe Welt zu verschiffen, anstatt sie dort zu verarbeiten, wo der Müll anfällt. Genauso wichtig ist es, darauf zu dringen, dass grundsätzlich weniger Müll anfällt. Das Verbot von Plastikhalm und Co. in der Europäischen Union ist zwar ein erster Schritt, doch der reicht nicht aus, solange weiterhin Verpackungsmüll in rauen Mengen produziert wird. Laut Prognosen wird die weltweite Plastikproduktion im nächsten Jahrzehnt um weitere 40 Prozent zunehmen, wenn nichts geschieht.

Was fehlt, sind Anreize weniger Plastik einzusetzen. Recycling muss sich lohnen. Der Rohstoff muss teurer werden, falls nötig durch eine Plastikabgabe. Verpackungen, die aus Mischstoffen bestehen, die sich nicht trennen lassen, müssen ganz aus dem Verkehr gezogen werden. Norwegen hat gerade erst vorgeschlagen, verschmutzte Plastikabfälle und schwer recycelbare Mischverpackungen als gefährliche Abfälle zu deklarieren. Eine Klassifizierung, die Geschäfte mit solchem Müll deutlich erschweren würde. Grundlage dafür ist das internationale Basler Übereinkommen, ein Umweltabkommen, das den grenzüberschreitenden Transport von gefährlichen Abfälle regelt.

Der großer Vorteil dieses Vertrags: Er ist seit 1992 in Kraft und wird von 187 Mitgliedstaaten getragen. Ein Abkommen zur Reduktion von Plastikmüll ist nicht in Sicht und es würde vermutlich viele Jahren dauern, bis es zustande käme. Im Kampf gegen das Abfallproblem bleibt dafür keine Zeit mehr, hier sind pragmatische und wirksame Lösungen nötig.

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Quelle:
SZ vom 24.04.2019
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