Süddeutsche Zeitung

Abfall:Müllfusion untersagt

Der größte Müllentsorger in Deutschland, Remondis, darf den "Grünen Punkt" nicht übernehmen. Das Duale System Deutschland (DSD) wäre zu mächtig geworden. Stimmt das?

Von Michael Kläsgen

Das Bundeskartellamt hat dem größten Müllentsorger in Deutschland, Remondis aus Lünen bei Dortmund, am Donnerstag offiziell untersagt, das Unternehmen Duales System Deutschland (DSD) mit der Marke "Der Grüne Punkt" zu übernehmen. Die Fusion hätte zu einer "erheblichen Behinderung des Wettbewerbs bei den dualen Systemen geführt", sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt. DSD hätte weiter an Marktmacht gewonnen, die es "zur Verdrängung von Remondis-Wettbewerbern" hätte einsetzen können. Am Ende wären höhere Gebühren für die Bürger wahrscheinlich gewesen, diese Schlussfolgerung kann man aus der Begründung des Kartellamts ziehen.

Die zurzeit noch acht dualen Systeme in Deutschland, die Verbraucher mit dem gelben Sack oder die Gelbe Tonne in Verbindung bringen, schreiben Vorleistungen wie die Sammlung von Verpackungsabfällen aus. Entsorgungsunternehmen bewerben sich dann um diese Aufträge, so erklärte Mundt das Zusammenspiel von Systembetreibern und Müllentsorgern. Durch den Zusammenschluss hätte sich das "unternehmerische Kalkül des fusionierten Unternehmens" auf wettbewerbsfeindliche Weise geändert.

"Remondis als Entsorgungsunternehmen hätte nach einer Fusion einen Anreiz, seine Preise für die Sammlung, Sortierung und Aufbereitung für die Wettbewerber von DSD höher anzusetzen als vor der Fusion, um die Wettbewerber gegenüber dem eigenen Unternehmen DSD zu benachteiligen." Mit dieser Strategie, die Preise für die Wettbewerber von DSD zu erhöhen hätte das fusionierte Unternehmen erhebliche Marktanteile hinzugewinnen, Wettbewerber verdrängen und letztlich höhere Preise auf dem Markt für duale Systeme durchsetzen können, argumentierte das Kartellamt. "Diese müssten ganz am Ende die Verbraucher über höhere Preise für die Verpackungen tragen", sagte Mundt.

Die Branche schaut gespannt auf die Schwarz-Gruppe, die eine ähnliche Idee wie Remondis hat

Besonders stark ausgeprägt wären bei einer Fusion die Marktanteile bei der Altglasvermarktung gewesen. Sie wären auf wettbewerbsbedenkliche 40 bis 60 Prozent gestiegen, so das Kartellamt. Remondis hatte dem Amt mehrmals Zugeständnisse angeboten und sogar den Verkauf von Unternehmensanteilen erwogen. Doch die Zusagen waren laut Kartellamt nicht geeignet, die wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen.

Die Fusion hätte erstmals in der Müllindustrie zu einer sogenannten Vertikalisierung in größerem Stil geführt. Damit ist die Integration der gesamten Wertschöpfungskette durch ein Unternehmen gemeint. Kritiker der Kartellamtsentscheidung monieren, der Umwelt sei eher geholfen, wenn sich ein Unternehmen von der Trennung über die Abholung und Sortierung bis zur Wiederaufbereitung beispielsweise von Müll aus dem gelben Sack kümmert. In den vergangenen fast 30 Jahren habe sich das System als weitgehend dysfunktional herausgestellt. Beispielsweise importieren deutsche Plastikhersteller PET-Flaschen aus dem europäischen Ausland, während Deutschland Plastikmüll solange exportierte, bis sich Ländern wie China weigerten, den Abfall abzunehmen.

Gespannt schaut die Branche auf die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), die den fünfgrößten Entsorger Tönsmeier übernahm und ein eigenes duales System aufziehen, also einen vertikalisiertes Unternehmen, schaffen will. Auch dagegen könnte das Kartellamt Bedenken haben. Es wird damit gerechnet, dass Remondis gegen die Untersagung klagt.

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Quelle:
SZ vom 12.07.2019
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