Süddeutsche Zeitung

5G-Handynetzausbau:Dann muss es eben der Staat machen

Wenn der Markt es nicht von selbst regelt, muss der Staat die Verkehrswege für eine funktionierende Wirtschaft bereitstellen. Auch die digitalen.

Kommentar von Karl-Heinz Büschemann

Manchmal kann es sogar gut sein, wenn ein Land es hinnehmen muss, so richtig verhöhnt zu werden. Deutschland als "Funklochrepublik", das wurde an Biertischen und in den sozialen Medien zum Großthema, und irgendwann meldeten sich Politiker mit Vorschlägen zur Abhilfe dieses Mangels. Von der CSU kam jetzt der Vorschlag, in den Regionen, wo private Mobilfunkanbieter sich vom Netzausbau keine Gewinne versprechen, sollte der Staat einspringen, um im künftigen 5G-Handynetz peinliche Lücken zu verhindern. Wenn es nicht anders gehe, müsse der Staat eben selbst Sendemasten aufstellen.

Der Vorschlag verdient einige Erwägung, auch wenn er nur zum Teil sinnvoll ist. Immerhin erinnert die CSU-Idee an eine scheinbar längst vergessene Rolle, die der Staat in einer freien Wirtschaftsgesellschaft haben sollte: Er muss für den Rahmen sorgen, in dem Wirtschaft erfolgreich stattfinden kann. Dazu gehört, dass er für eine brauchbare Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur sorgt.

Diese Rolle des Staates ist zuletzt ein wenig in Vergessenheit geraten. Zum Teil aus gutem Grund: Der Staat ist ein miserabler Akteur im Wirtschaftsleben. Doch wo sich der Ausbau von Verkehrswegen oder Glasfaserleitungen für zukunftsfähiges Internet privat nicht stemmen lässt, gibt es keine andere Wahl. Selbst der viel belächelte Nachtwächterstaat muss für die Straßenlaternen sorgen, mit denen er im Dunkeln seiner Aufpasserfunktion nachkommen kann.

Der Staat hat schon deshalb einen signifikanten Beitrag zum Ausbau des Handynetzes von morgen zu leisten, weil er an seiner Entstehung auch massiv verdient. Die Versteigerung der Lizenzen, mit denen die Mobilfunkanbieter ausgestattet sein müssen, sind immer wieder gigantische Einnahmen. Wer viele Milliarden einnimmt, sollte auch sagen, was er damit macht. Dieses Geld wieder in die Handy-Infrastruktur zu stecken, wäre in einer führenden Industrienation wie Deutschland ein naheliegender Gedanke. Dass es in die "digitale Infrastruktur" gesteckt werden soll, steht reichlich vage im Koalitionsvertrag. Aber der ist nicht verbindlich. In der Vergangenheit hat sich die Bundesregierung zudem oft mit Auflagen für die Mobilfunkanbieter hervorgetan, die deren Investitionsbereitschaft aber schwächten und die Funklöcher vergrößerten.

Der Staat ist ja bereits an der Entwicklung der modernen Infrastruktur in Deutschland beteiligt. Der Ausbau der Glasfasernetze für die Telekommunikation wird mit Steuergeld unterstützt, wo eine privatwirtschaftliche Verlegung nicht zu machen ist. Und schon vor der Erfindung des Internets hatte sich der Staat zu Recht für den Bau der Verkehrswege verantwortlich gefühlt.

Am Beispiel der Deutschen Bahn kann man zeigen, dass auch der Staat kläglich versagen kann, wenn es um die Bereitstellung einer zukunftsfähigen Schieneninfrastruktur geht. Lieber haben Finanz- und Verkehrsminister Dividenden von dem Staatsbetrieb abgezogen, die er gut hätte gebrauchen können, um seine Fahrnetze und die Bahnhöfe zu verbessern. Wo der Staat kleinkrämerisch lieber mehr Geld einnehmen will als zusätzliche Summen für die Basis-Investitionen des Landes zur Verfügung zu stellen, darf sich niemand wundern, wenn es mit der Infrastruktur in Deutschland bedenklich hapert.

Der Staat muss in Zukunft mehr tun für den Ausbau der Infrastruktur und nicht weniger. Deshalb ist er auch beim künftigen 5G-Netz in der Pflicht; vielleicht sogar mehr, als manchem in Berlin lieb ist. Ob er dafür allerdings eine eigene Infrastrukturgesellschaft aufziehen muss, wie die CSU es nun vorschlägt, ist mehr als fraglich. Muss er wirklich wie früher selbst Sendemasten einbetonieren und den Nutzern anschließend Rechnungen schreiben? Das wäre ein Rückfall in die alten - zu Recht fast vergessenen - Zeiten der Bundespost, in der die Behörde selbst die Telefon-Strippen zog und am Ende die Kunden mit hohen Preisen und arrogantem Behördengehabe abschreckte. Es geht auch anders. Es reicht, den Mobilfunkfirmen Geld zur Verfügung zu stellen, um an den Stellen eine moderne Infrastruktur hinzustellen, wo der Markt es nicht schafft. Das könnte von der Bundesnetzagentur kontrolliert werden und ist sogar mit den strengen Beihilfe-Regeln der Europäischen Union vereinbar. Es ist nicht immer die Gier der Kommunikationskonzerne, die die Vollversorgung des Handy-Verkehrs beschränkt. Auch der deutsche Staat muss sich vorhalten lassen, sein Geld lieber für andere Dinge auszugeben, als für die Zukunft einer führenden Industrienation.

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SZ vom 04.01.2019/lüü
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