Jetzt bloß nichts versäumen, schließlich steht das Netz der Zukunft nicht mehr bloß vor der Tür. Es ist schon da. Nahezu alle neuen Handys der großen und kleineren Hersteller können damit bereits umgehen, von Apple bis ZTE. Und die Mobilfunkanbieter trommeln fürs neue Netz. Da will man doch dabei sein, bei dieser Revolution, oder etwa nicht? Bleibt allerdings die Frage, was es denn für Privatanwender wirklich bringt, das sagenhafte 5G.
Über diese fünfte Generation des Mobilfunks ist ja schon viel geschrieben worden, wahre Wunderdinge werden davon erwartet. In Nullkommanix soll es reagieren, bis zu 20 Gigabit pro Sekunde an Daten über den Äther schicken können und so autonome Autos sicher über die Straßen führen und das Roboterballett in Fabriken dirigieren. Und, und, und.
Für etwas Ernüchterung unter freudig erregten Handybesitzern könnte allerdings sorgen, dass die 5G-Technologie gar nicht in erster Linie für Privatanwender konzipiert wurde. Ja, nicht einmal für Menschen. 5G ist primär ein Netz, das die Kommunikation von Maschinen untereinander auf eine neue Ebene hebt. Dass Menschen es auch noch benutzen können, ist sozusagen ein Nebenaspekt.
Die kurzen Reaktionszeiten sind vor allem in der Industrie von Vorteil
Den größten Effekt des neuen Netzes wird man daher in der Industrie spüren. Dort, wo es immer wichtiger wird, dass Maschinen nicht bloß irgendwelche Produkte ausspucken, sondern dass sie auch Daten darüber produzieren, jede Menge davon. Die werden untereinander ausgetauscht, verarbeitet, auf Auffälligkeiten gecheckt. Vom ganzen Maschinenpark in einer Fabrik gibt es sogenannte digitale Zwillinge, mit denen man neue Szenarien durchspielen und bestehende optimieren kann, ohne dass die echten Maschinen dafür wirklich laufen müssen.
Eine Funktechnik wie 5G macht das tatsächlich erheblich leichter. Sie bietet die kurzen Reaktionszeiten, die man dafür braucht, kommt aber ohne Kabel aus und lässt sich vergleichsweise schnell einführen. Ein schuhkartongroßer Kasten unter der Decke leuchtet eine normale Werkshalle locker aus.
Für Menschen, die mit ihren Smartphones kommunizieren wollen, bringt 5G vor allem im derzeitigen Ausbauzustand erst einmal keine wesentlichen Verbesserungen. Das hat technische Gründe, aber auch andere Ursachen. Technisch sieht es so aus, dass an den meisten Masten, die an geeigneten Handys das 5G-Symbol aufleuchten lassen, 5G noch über die Vorgänger-Technologie 4G abgewickelt wird. Die Verbindung wird über 4G aufgebaut, dann findet der Download über 5G statt.
5G ist effizienter und braucht deutlich weniger Energie
Schneller als 4G ist das meistens nicht, 5G ist allerdings effizienter und braucht pro übertragener Datenmenge erheblich weniger Energie als 4G. Telefonieren kann man über 5G sowieso noch nicht. Außerdem teilen sich 4G und 5G oft die am jeweiligen Ort vorhandene Übertragungskapazität, Dynamic Spectrum Sharing (DSS) lautet der Fachbegriff dafür. Sind viele datenhungrige 4G-Nutzer unterwegs, schränkt das auch die Übertragungsrate von 5G-Nutzern ein.
Nur an Standorten, an denen 5G als Stand-alone-Technologie ausgebaut wurde, fällt der Weg über 4G weg, und Nutzer können höhere Datenraten bekommen - immer vorausgesetzt, dass nicht zu viele andere 5G-Anwender gerade denselben Gedanken gehabt haben und sich beispielsweise ein umfangreiches Spiel herunterladen oder den Stream eines Live-Ereignisses gucken. Die geradezu fantastisch anmutenden Datenraten von 20 Gigabit pro Sekunde gelten ja nur unter Idealbedingungen für den einzelnen Nutzer.
Abgesehen von der Technik, deren Nutzen für private Anwender sich zumindest momentan in Grenzen hält, ist da auch noch die Frage: Welche großen Datenmengen soll eigentlich ein Privatnutzer ständig herunterladen, damit sich 5G wirklich lohnt? Ist ja auch nicht ganz billig. Zwar gibt es inzwischen Verträge, die auch großzügige Datennutzung erlauben, aber die sind noch relativ teuer. Das könnte sich womöglich ändern, wenn 5G so weit etabliert ist, dass man es zum Beispiel in Firmen problemlos als Ersatz für eine feste Verkabelung einsetzen kann. Das würde auch die Büroorganisation verändern und erleichtern.
Das wird aber dauern. Eigentlich wollte Deutschland beim 5G-Ausbau mal wieder vorne dran sein, nachdem man bei der Vorgängergeneration mächtig ins Hintertreffen geraten war. Doch mit der Auktion, bei der die Netzbetreiber wieder viele Milliarden hinblättern mussten für die Nutzung der Frequenzen, wurde bereits der Grundstein dafür gelegt, dass es so schnell nicht gehen wird. Dieses Geld fehlt Telekom, Vodafone und Telefónica (O2) nämlich nun. Dazu kommt die Unsicherheit um den chinesischen Anbieter Huawei. Dürfen die nun mitmachen oder nicht?
Noch kann 5G seine vielfach gepriesenen Vorteile also kaum ausspielen. Das gilt nicht nur für die gesteigerte Datenrate, sondern zum Beispiel auch für die Möglichkeit, das Netz virtuell aufzuspalten in Teilnetze. Überhaupt wird 5G auch dazu führen, dass sich die etablierten Anbieter von Netzwerktechnik warm anziehen müssen. Virtualisierung ist nämlich ein wichtiges Thema bei der neuen Netzwerktechnologie. Weil vieles nicht mehr mit ihren proprietären Systemen gemacht werden muss, sondern auch von Standardhardware plus geeigneter Software erledigt werden kann, geraten sie unter Druck. Denn die Player aus der Cloud- und Computerwelt werden plötzlich zu Konkurrenten.
Doch während der 5G-Ausbau noch in seinen Anfängen steckt, wird bereits getüftelt an der Nachfolge-Technologie 6G. Experten wie Ivan Ndip vom Fraunhofer-Institut IZM gehen sogar so weit zu sagen, dass 5G gar nicht alles wird erfüllen können, was man sich von der Technologie versprochen hat. So seien beispielsweise für Operationen per Roboter, die aus der Ferne gesteuert werden, selbst die Übertragungsraten von 5G noch zu gering, glaubt Ndip. Dabei müssten ja sehr hochaufgelöste Videobilder übertragen werden, und es dürften nur sehr geringe Verzögerungen auftreten. Sein Fazit, das er im Interview mit einem Elektronik-Fachmagazin äußerte: "6G soll die Erwartungen erfüllen, die 5G geweckt hat."