5G: 300 Millionen Euro sind schon sicher

In einer alten Kaserne bieten Netzbetreiber für erste 5G-Mobilfunkfrequenzen - Neuling 1&1 Drillisch prescht vor.

Von Benedikt Müller, Mainz

Die Zukunft des Mobilfunks in Deutschland beginnt mit einer ulkig-analogen Stoppuhr, wie man sie vom 800-Meter-Lauf auf dem Sportplatz kennt. Mit ihr hat Jochen Homann, der Präsident der Bundesnetzagentur, am Dienstag die Versteigerung der ersten Frequenzen eröffnet, die für den neuen Mobilfunkstandard 5G geeignet sind. Die Technik kann große Mengen Daten nahezu in Echtzeit übertragen und gilt mithin als Grundlage für vernetzte Roboter in Fabriken oder autonome Autos auf den Straßen. Zunächst aber rotieren - ganz old-school - weiße Zeiger auf dunklem Grund.

Wer welche Frequenzen nutzen darf, entscheidet sich fortan in einer ehemaligen Kaserne in Mainz, einem weißen Koloss mit blauen Sprossenfenstern und großen Antennen auf dem Dach. Die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica ("O2") bieten mit - sowie erstmals der Anbieter 1&1 Drillisch. Er steht für Handymarken wie Simply oder Yourfone und hat bislang gegen Gebühr Netze der etablierten Konzerne genutzt. Nun will er offenbar ein eigenes Mobilfunknetz aufbauen.

Ihre Gebote geben die Firmenvertreter in streng abgeschirmten Räumen ab. Vorher müssen die Entsandten ihre Handys abgeben, damit sie ja keine Absprachen mit Konkurrenten treffen können. Im Hof kontrolliert die Netzagentur in einem weißen Kastenwagen mit grauer Antenne auf dem Dach, dass keine Funksignale nach außen dringen. Die Behörde hat gar die Fensterscheiben mit Metallfolie beklebt, damit niemand die Gespräche abhören kann.

An employee of Germany's Federal Network Agency (Bundesnetzagentur) sports a tie showing a mobile phone reading 'call me' prior to the auction of spectrum for 5G services at the Bundesnetzagentur head quarters in Mainz

Ein Mitarbeiter der Bundesnetzagentur bekennt sich per Krawatte: Die neuen Frequenzen können große Datenmengen nahezu in Echtzeit übertragen.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Kommunizieren dürfen die Vertreter nur mit ihren Kollegen in den Konzernzentralen, und zwar per gesicherter Festnetzleitung. Die Manager dort arbeiten mit Spieltheoretikern zusammen und haben sich allerlei Strategien zurechtgelegt. Vor allem, weil die drei Etablierten im Vorfeld keine Ahnung hatten, wie sich der Neuling 1&1 verhalten würde.

Eine Stunde nach dem symbolischen Knopfdruck an der Stoppuhr ploppen die ersten Gebote auf dem großen Bildschirm auf. 1&1 Drillisch prescht in der ersten Runde vor, indem der Neuling mehr als 220 Millionen Euro für zehn der 41 Frequenzblöcke bietet. Die drei gestandenen Netzbetreiber beginnen derweil viel vorsichtiger und bieten zunächst nur bis zu 26 Millionen Euro für andere Frequenzblöcke. Insgesamt sind bis zum späten Nachmittag Angebote über gut 329 Millionen Euro eingegangen.

In den nächsten Tagen dürften sich die Mobilfunkkonzerne aber noch gehörig überbieten. Schließlich sind die Frequenzen die Grundlage für künftige Geschäfte, zumindest mit Kunden aus der Industrie.

Etwa stündlich läutet die Netzagentur in Mainz eine neue Auktionsrunde ein. Jeden Werktag von morgens um acht bis abends um halb sechs. Erst wenn kein Netzbetreiber mehr sein Gebot auf keinen der Frequenzblöcke erhöht, ist die Versteigerung vorbei. Man habe keinen Schimmer, wie lange es in diesem Jahr gehen werde, sagt Homann. Frühere Versteigerungen dauerten drei bis sechs Wochen.

Die sehr kurzwelligen Frequenzen, um die es diesmal geht, können Daten zwar nahezu in Echtzeit übertragen, ihre Reichweite ist jedoch begrenzt. Deshalb eignen sie sich nicht gut dafür, das ganze Land mit 5G zu versorgen - dafür bräuchte es sehr viele neue Funktürme, die viel Strahlung emittieren - sondern eher, um Industriegebiete und Forschungslabore, Verkehrsknotenpunkte und Ballungszentren zu versorgen.

Gleichzeitig hat jedoch der Staat den Mobilfunkkonzernen, die nun 5G-Lizenzen ergattern, Auflagen für den restlichen Netzausbau auf dem Land auferlegt. Demnach müssen Telekom, Vodafone und Telefónica bis 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte bundesweit mit schnellem Mobilfunk versorgen, so dass diese wenigstens 100 Megabit pro Sekunde herunterladen können. Dieselbe Bandbreite muss auch entlang der wichtigsten Straßen, Eisenbahnen und Wasserstraßen gegeben sein. Dafür können die Netzbetreiber allerdings auch auf ältere Frequenzen zurückgreifen. Neuling 1&1 Drillisch muss zunächst laschere Auflagen erfüllen - "damit er die Chance hat, aufzuholen", sagt Homann.

Die etablierten Netzbetreiber haben gegen die Auktionsauflagen geklagt. Ihrer Ansicht nach ist etwa auch zu unsicher, inwiefern sie Konkurrenten künftig Zugang zu ihrem neuen, teuren 5G-Netz gewähren müssen. Doch das Verwaltungsgericht Köln hat zumindest die Eilanträge der Konzerne abgewiesen, so dass die Auktion planmäßig beginnen konnte.

Die erwarteten Milliarden, welche die Bundesnetzagentur in der Mainzer Kaserne einnimmt, fließen übrigens zunächst in den Bundeshaushalt. Anschließend will die Regierung die Summe wieder für den Breitbandausbau in Deutschland zur Verfügung stellen.

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