50 Jahre Nutella:Schmeckt nach Kindheit

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Italien steht für Pizza, Pasta - und Nutella. Im vergangenen Jahr steigerte Ferrero den Creme-Absatz um 20 Prozent.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Klebrig-süß und schokoladig: Die Nuss-Nougat-Creme Nutella feiert ihren 50. Geburtstag. Ferrero setzt auf die Unvergänglichkeit seines Erfolgsrezepts. Doch in Italien fürchtet man sich vor dem Ende des Familienimperiums.

Von Ulrike Sauer, Rom

Der süße Duft legt sich über den Marktplatz des Städtchens zwischen den Gourmet-Hügeln der Langhe. Mal dienstags, mal donnerstags, wenn im Stammwerk von Ferrero die Haselnüsse geröstet werden. Es riecht dann nach Schokolade und nach Nuss. Es riecht nach: Nutella.

An einem regnerischen Vormittag vor einem halben Jahrhundert verließ das erste Glas der Kult-Creme die Süßwarenfabrik in Alba. Doch das Jubiläum des Stars dieser Tage verschweigt man hier lieber.

Gut möglich, dass Schokoladentüftler Michele Ferrero, Vater vieler globaler Naschtrends, seine Kunden nicht vom lukrativen Saisongeschäft mit Überraschungseiern zum Osterfest ablenken wollte. Die Idee mit dem Ei brütete der zugeknöpfte Patriarch selbst aus - vor genau 40 Jahren. Und auch aus ihr wurde ein beständiger Verkaufsschlager.

Sind aber die Maxi-Eier verdrückt, wird der Konzern aus dem piemontesischen Alba Mitte Mai seine potente Werbemaschine ankurbeln und den Geburtstag des Brotaufstrichs im großen Stil feiern. Auch in Deutschland läuft dann die Kampagne "50 Jahre voller Geschichten" an. Solange spaltet Nutella, Ferreros Wortschöpfung aus nut (englisch für Haselnuss) und der italienischen Endsilbe -ella, nun schon Leckermäuler und Gesundkost-Verfechter. Für alle schmeckt die Creme nach Kindheit.

Michele Ferrero, 89, ist inzwischen zum reichsten Süßwarenhersteller der Welt aufgestiegen. Mit einem geschätzten Vermögen von 26,5 Milliarden Dollar führt er mit großem Vorsprung auch die Forbes-Liste der begütertsten Italiener an. Dagegen ging es mit seinem Land zuletzt steil bergab. Die Rezession allerdings bekam auch der Konzernpatron zu spüren. Erstmals in der Geschichte des 1946 gegründeten Imperiums ließ das Geschäft auf dem Heimatmarkt nach. Die krisengebeutelten Italiener kauften deutlich weniger Süßes bei Ferrero ein. Die Einnahmen der Marke fielen um 5,3 Prozent. Doch bügelte die Expansion im Ausland den Einbruch problemlos aus.

Die 26 Hausmarken, darunter Ferrero Küsschen, Hanuta, Mon Chéri, Duplo, Tic Tac, Pocket Coffee, Milchschnitten, Eistee und Kinderschokolade, verkauften sich außerhalb Italiens so blendend, dass der Umsatz im Bilanzjahr 2012/13 um 5,6 Prozent auf 8,1 Milliarden Euro stieg. Das Familienunternehmen aus Italien behauptete sich als viertgrößter Schoko-Hersteller der Welt - hinter Mondelez, Mars und Nestlé.

160 Länder, ein Rezept

Trotz der Markenvielfalt bei Ferrero blieb Nutella, Symbol einer ganzen Generation, ein Unikum. Die Italiener setzen darauf, dass ihre Erfolgsformel bis in alle Ewigkeit aufgeht. Signor Michele, wie man den Konzernarchitekten in Alba nennt, sorgte für die Unantastbarkeit des Produkts. Das bauchige Glas, Logo, Etikett und Rezept der Nuss-Nougat-Creme blieben unverändert. Nutella wird in neun Fabriken hergestellt, je eine davon in Russland, Kanada, Australien und zwei in Südamerika. Und ist in 160 Ländern erhältlich. Bei Facebook hat die Marke 20 Millionen Fans.

Die erste Nutella-Version entstand in der kleinen Konditorei von Pietro Ferrero gleich nach dem Krieg, mitten in Alba. Im darbenden Italien mangelte es an allem, erst recht an Schokolade. So rührte der Firmengründer die Haselnüsse von den umliegenden Hügeln, Zucker, ein wenig Kakao und Palmöl zu einer süßen Creme: der Illusion von Wohlstand. Später kommt die dunkle "Supercrema" in den Krämerläden ganz Italiens aus dem Fass. Erst Firmenerbe Michele Ferrero lässt sie seit 1964 unter dem Namen Nutella in Gläsern abfüllen.

Antritt zur Weltkarriere

Die süße Creme tritt ihre Weltkarriere an, als Symbol des einsetzenden Massenkonsums. Und das Wachstum lässt nicht nach. Im vergangenen Jahr erhöhte Ferrero den Nutella-Absatz um 20 Prozent. Aneinandergereiht würden die Gläser 1,3 Mal den Erdumfang ergeben. Zum Jubiläum bringt die italienische Post nun eine Nutella-Sondermarke heraus. Die Ehre wird in diesem Jahr auch Nationalhelden vom Kaliber eines Michelangelo oder Kaiser Augustus zuteil.

Doch trotz der Positivmeldungen beunruhigt die Zukunft des Markenkonzerns Italien. Im vergangenen Oktober schlugen die Leser ihre Tageszeitung auf und stießen auf eine ungewöhnliche Anzeige des Herstellers aus dem Piemont. "Wir stehen nur für unsere Kunden zum Verkauf", stand in den rot-schwarzen Markenfarben unter einem Nutella-Glas. Etwas kleiner gedruckt dementierte Ferrero "kategorisch", ein Kaufangebot erhalten zu haben.

"Ferrero steht nicht zum Verkauf - für niemanden".

Gemeint war einer: Nestlé. Das Gerücht über eine "unanständige" Offerte des Schweizer Nahrungsmittel-Multis an den greisen Patriarchen Ferrero hatte seit Tagen die Runde durch die Mailänder Großbanken gemacht. Der Alte gibt seinen Landsleuten seit jeher Rätsel auf. Die Geheimniskrämerei der Familie nährt immer wieder Spekulationen um den Süßwaren-Riesen mit 30 000 Mitarbeitern. So unsichtbar sich der in Monte Carlo residierende Michele Ferrero hinter seiner dunklen Schutzbrille macht, so unergründlich sind die Strukturen des Konzerns, dessen Zentrale im Steuerparadies Luxemburg angesiedelt ist. Und in Alba ist man auskunftsfreudig wie die Mitglieder eines Geheimbunds.

Schwerster Schicksalschlag vor drei Jahren

Doch die Fragen sind vor drei Jahren plötzlich sehr drängend geworden. In der Karwoche 2011 traf Ferrero der schwerste Schicksalsschlag seines langen Lebens. Der Nutella-König verlor seinen 47-jährigen Sohn Pietro, den designierten Nachfolger an der Konzernspitze. Schon 1997 hatte Michele die operative Führung an die dritte Ferrero-Generation abgegeben. Seine beiden Söhne kümmerten sich von da an ums Tagesgeschäft, der Vater hatte das letzte Wort bei allen wichtigen Entscheidungen. Seit dem Tod seines älteren Bruders führt nun Giovanni Ferrero allein das Unternehmen.

Überrascht hat der Junior Außenstehende, als er Joanne Harris, der britischen Autorin der Film-Vorlage "Schokolade. Eine himmlische Verführung", Zutritt in das abgeschottete Reich in Alba gewährte. Nie durften dort bis dato Neugierige hinter die Kulissen schauen. Harris war von den Gerüchen der Schokoladenfabrik, die täglich 300 Tonnen Nutella und 20 Millionen Ferrero Küsschen herstellt, aber offenbar so betört, dass sie kaum ein Geheimnis lüften konnte.

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