49-Euro-Ticket:Holpriger Start für neues Deutschlandticket

Lesezeit: 3 Min.

Schlangestehen vor dem MVG-Kundencenter - künftig weiterhin möglich, aber nicht mehr zwangsweise nötig, wenn man ein 49-Euro-Ticket über die MVG kaufen will. (Foto: Carsten Hoefer/dpa)

Mit dem neuen Fahrschein lässt Deutschland den Tarifdschungel im öffentlichen Nahverkehr ein Stück weit hinter sich. Der Starttermin stand seit Monaten fest, ganz reibungslos verläuft die Einführung aber offenbar trotzdem nicht.

Von Carina Seeburg und Martin Tofern

Es ist soweit, das Deutschlandticket gilt: Nach langwierigen Vorbereitungen kann das 49-Euro-Ticket für Busse und Bahnen seit dieser Woche genutzt werden. Die Erwartungen im Vorfeld waren groß. Der Start scheint jedoch nicht ganz reibungslos zu verlaufen.

Geduldiges Warten ist auch am Dienstag noch an zahlreichen Ticketschaltern gefragt, vielerorts bilden sich lange Schlangen. Und auch wer seinen Fahrschein online kaufen möchte, sollte sich mit Geduld wappnen: Dem großen Andrang scheinen die Server der Deutschen Bahn offenbar nicht gewachsen zu sein. "Im Moment greifen zu viele Nutzer gleichzeitig auf unser Buchungssystem zu", hieß es am Montag auf der Seite, auf der Fahrgäste das neue Ticket kaufen können.

Das Unternehmen sprach von Verzögerungen aufgrund der hohen Nachfrage. Auch am Dienstag dauert die Störung teilweise weiter an. Nutzer berichten zudem, dass in der App auch der Kauf anderer Fahrscheine sowie Ländertickets nicht reibungslos möglich ist.

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Neben der Deutschen Bahn verkaufen auch viele andere Verkehrsunternehmen den Fahrschein, der als Nachfolger des 9-Euro-Tickets aus dem vergangenen Sommer gilt. Das Deutschlandticket kostet in der Regel 49 Euro im Monat und berechtigt zu bundesweiten Fahrten im Nahverkehr. Es ist auch als monatlich kündbares Abo erhältlich.

Nach einer Hochrechnung des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) haben bereits weit mehr als drei Millionen Menschen den neuen Fahrschein gelöst. Darunter sind dem Verband zufolge 750 000 Menschen, die bisher kein Nahverkehrs-Abo besaßen.

Die Bahn erklärt das Deutschlandticket schon jetzt zu einem "enormen Erfolg"

Auf Anfrage der SZ erklärt eine Sprecherin der Deutschen Bahn den Start des neuen Tickets trotz der zwischenzeitlichen Serverprobleme zu einem "enormen Erfolg". Inklusive der eingegangenen Vorbestellungen habe die Bahn alleine im ersten Monat mehr als 1,3 Millionen Tickets verkauft. "Nach dem ohnehin schon großen Kundeninteresse in den ersten Wochen ist die Nachfrage am Wochenende und am 1. Mai noch einmal deutlich angestiegen", teilte das Unternehmen mit.

Die Buchung des Tickets sei trotz Verzögerungen und zwischenzeitlicher Serverüberlastung nach wie vor möglich. Bei Kunden, die ihren Fahrschein noch nicht erhalten haben, erkennt die Deutsche Bahn in den ersten Tagen vorübergehend auch die Bestellbestätigung oder das bisherige Abo-Ticket als gültigen Fahrausweis an.

Die von einigen Fahrgästen beklagten Schwierigkeiten zeigen aus Sicht von Verkehrsminister Volker Wissing Defizite bei der Digitalisierung. "Das sind Probleme, die damit zusammenhängen, dass wir keine ausreichende Digitalisierung im Vertrieb haben", sagte der FDP-Politiker zum Start des neuen Tickets. Diese Schwierigkeiten seien aber keineswegs überall aufgetreten.

Verkehrsminister Wissing und BVG-Chef Erfurt präsentieren das neue Deutschlandticket - und haben jede Menge Platz. (Foto: Emmanuele Contini/imago)

Der VDV und die Bahn rechnen mit 17 Millionen verkauften Tickets

Der VDV und die Deutsche Bahn gehen davon aus, dass sich perspektivisch 17 Millionen Menschen das Deutschlandticket zulegen werden. Mit überfüllten Zügen gleich im Mai wird aufgrund des Tickets aber nicht gerechnet. "Wir gehen davon aus, dass wir mit dem Deutschlandticket einen spürbaren Nachfrageschub haben werden", sagte Evelyn Palla, die im Vorstand der Deutschen Bahn für den Regionalverkehr zuständig ist. "Der wird aber nicht schlagartig zum 1. Mai eintreten."

Die Prognose bestätigte sich zum Wochenstart im Regionalverkehr: Trotz des großen Andrangs auf die Verkaufsstellen waren Busse und Bahnen nicht überfüllt. Die Nachfrage beim Deutschlandticket werde sich über die kommenden Monate kontinuierlich aufbauen, sagte Palla.

Finanziert wird das Ticket von Bund und Ländern. Sie wollen damit den öffentlichen Nahverkehr erschwinglicher machen und mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen bewegen. In der Branche wird das Ticket zudem als "Ende des Tarifdschungels" gefeiert - allerdings haben die Länder durch Sonderregeln und Zusatztickets auch bei diesem Fahrschein ihre eigenen Vorstellungen angekündigt und teilweise schon umgesetzt. So bieten einige Bundesländer den Fahrschein für bestimmte Personengruppen vergünstigt an, etwa für Studierende, Auszubildende oder Senioren.

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"Tolles Tarifangebot, aber ohne den Ausbau des Nahverkehrs nutzt es wenig."

Doch auch das günstigste Ticket nützt wenig, wenn der potenzielle Passagier keine Anbindung an einen gut ausgebauten Nahverkehr in der Nähe hat. Deshalb hat das Angebot für Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn auch zwei Seiten: "Das Deutschlandticket ist gut nur für diejenigen, die ein gutes Angebot vor der Tür haben", sagte er der SZ. Positiv sei aber, dass der Tarifdschungel im öffentlichen Nahverkehr dadurch gelichtet werde. 49-Euro-Ticket will Naumann die neue Fahrkarte lieber nicht nennen. Da es für die Finanzierung lediglich Zusagen bis Ende 2024 gebe, werde es danach wahrscheinlich teurer. Deshalb bevorzuge er die Bezeichnung Deutschlandticket.

Ob der neue Fahrschein die hohen Erwartungen erfüllen kann, die an ihm hängen, wird sich zeigen. Nicht nur, ob die Straßen leerer und Busse und Bahnen voller werden, sondern auch, ob die öffentlichen Verkehrsmittel dem erwarteten Zuwachs an Reisenden überhaupt gewachsen sind. Entsprechend kritisch fällt auch das Fazit des Fahrgastverbands Pro Bahn aus: "Tolles Tarifangebot, tolle Vereinfachung, aber ohne den Ausbau des Nahverkehrs nutzt es wenig."

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