3-D-Drucker:Wie die Industrie gehackt wird

DLD Konferenz 2013 - 3D-Printer

Demonstration auf der Münchner Digitalkonferenz DLD: Ein 3D-Drucker wirft Plastikteile aus.

(Foto: dpa)

Ein bisschen Raumschiff Enterprise für Jedermann: Mit 3-D-Druckern lassen sich praktisch beliebige Gegenstände herstellen - und zwar in der heimischen Garage. Neue Fertigungstechniken sind der aktuelle Fetisch der Gurus aus dem Silicon Valley. Steht eine neue industrielle Revolution an - oder ist das doch nur was für Nerds?

Von Jannis Brühl und Sophie Crocoll

Herr Vu gräbt im Sand wie ein Archäologe, doch er buddelt nach der Zukunft. Er steht am Ende des Förderbands auf einer Leiter und beugt sich tief in die Kiste, etwa so groß wie ein Container für Bauschutt. Vorsichtig zieht er das erste Teil heraus. Der Sand rieselt zurück in die Box. Geschützt durch Mundschutz und Brille werden seine Kollegen später mit der Druckluftpistole und einem weichen Pinsel die letzten Sandkörner aus den Ritzen der Form wischen. Auf der anderen Seite des Laufbands trägt ein Schieber eine Schicht Sand auf.

Es entsteht eine Fläche von vier mal zwei Metern; ein Arm fährt heraus und verteilt darauf durch eine Düse Klebstoff. Danach wieder Sand, dann wieder Kleber. So entsteht, wo der Klebstoff den Sand verhärtet, Schicht für Schicht die Gussform für eine Turbine. In eineinhalb Tagen wird sie fertig sein. Herr Vu wird seine Arbeit von Neuem beginnen und die Form vom überschüssigen Sand befreien.

Die Maschine, die in der Werkhalle der Firma Voxeljet bei Augsburg steht, druckt die Gussform einfach aus. Wie ein Text oder ein Foto, nur dreidimensional. Nach einem Bauplan, einer Computerdatei, die genau vorgibt, an welche Stelle die Düse Klebstoff schießen soll. Das geht schneller als bei der konventionellen Fertigung, es braucht kein spezielles Werkzeug. Das Produkt, ein Wasserrad, entsteht später aus einem Guss, alle Teile als eine Einheit.

3-D-Druck ist eine Technik, die Ende der Achtzigerjahre entstand. Seither können Druckmaschinen Gegenstände erzeugen. Doch lange waren die gedruckten Oberflächen zu körnig, die Maschinen zu langsam und schlicht zu teuer. Kapitalintensive Branchen wie die Flugzeugindustrie begannen, damit zu arbeiten, auch Industriedesigner verwendeten frühe 3-D-Drucker, um aus Entwürfen Prototypen zu machen, ohne den umständlichen Weg über Fabriken zu gehen. Mittlerweile aber sind die Preise deutlich gesunken, für etwa 500 US-Dollar gibt es die günstigsten Geräte, die man selbst für den Hausgebrauch zusammenbaut. Die Software, um 3-D-Baupläne zu erstellen, liefern viele Hersteller inzwischen kostenlos dazu. Und sie ist einfacher zu verstehen als noch vor einigen Jahren. In verschiedenen Verfahren entstehen Objekte aus Kunststoff, Harz, Metall - oder sogar Essbarem Nun entscheidet sich, ob 3-D-Druck auf den Massenmarkt vordringen kann.

Internet-Vordenker Chris Anderson, der die Theorie des "long tail" bekannt gemacht hat - ruft in einem Buch nicht weniger als eine neue industrielle Revolution aus: "Die Herstellung neuer Produkte ist nicht mehr das Privileg weniger, sondern eine Chance für viele." Ihm zufolge passiert nun in der industriellen Fertigung, was die digitalen Umwälzungen bisher vor allem im Handel bewirkt haben: Traditionelle Unternehmen werden aus der Verwertungskette geschnitten. Wer eine Idee hat, muss nicht erst einen Konzern überzeugen, sein Patent zu kaufen und in Serie zu gehen. Er druckt entweder selbst oder bei einer größeren, für alle zahlenden Kunden offenen 3-D-Druckerei. Der Elektroautobauer Tesla produziert schon mit den Maschinen, in kleiner Stückzahl und auf Kundenwünsche zugeschnitten, mit kleinen Lagerbeständen und kurzen Lieferketten: "Man stellt her, was man braucht, wenn man es braucht."

Eine ähnliche Entwicklung, etwas weniger leidenschaftlich formuliert, erwarten die Analysten der Technologieberatung Gartner. Fünf Jahre ist der Zeitrahmen, der in vielen Einschätzungen auftaucht. Dann werden deutlich mehr Menschen einen 3-D-Tischdrucker besitzen, schätzt Steve Rommel vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung. Sie werden sich als Gestalter ausleben, Ohrringe, Schuhe, Handy-Hüllen drucken, die sie nach ihrem Geschmack entworfen haben. Die Wirtschaftsordnung werden diese Spielereien erst einmal nicht erschüttern.

Oder doch? "Wenn mehr Menschen 3-D-Drucker haben, werden sie eher akzeptieren, dass die in anderen Bereichen angewendet werden", sagt Rommel. Setzen sich die Geräte dann auch in der Industrie durch, können sie die weltweiten Wirtschaftsbeziehungen verändern. So fertigt der 3-D-Druckdienstleister Shapeways seine Aufträge in New York und Eindhoven - beides Orte, die nicht gerade für niedrige Lohnkosten bekannt sind. Möglich ist das, weil weniger Arbeitskräfte gebraucht werden. Unternehmen können bestimmte Teile einfach selbst ausdrucken, statt sie bei Zulieferern in Osteuropa oder gar Asien zu bestellen. So sparen sie Zeit und Transportkosten.

Wie Picard vom Raumschiff Enterprise

Es wird wieder zu Haus gefertigt, "auch wenn die Anzahl der Arbeitsplätze kaum zunehmen wird", wie Ingo Ederer, Chef von Voxeljet, sagt. Denn die Produktion wird automatisiert. Firmen müssten weniger Spezialwerkzeuge fertigen lassen, der Sektor würde überflüssig. Und statt Ersatzteile herzustellen und in die ganze Welt zu verschicken, böten Unternehmen ihren Kunden den digitalen Bauplan des Teils an, damit die es sich zu Hause ausdrucken.

Handout electron microscope photograph shows nano-scale human figure created by newly developed 3D printing technique in Vienna

Eine sandkorngroße Miniatur-Figur aus Harz, hergestellt mit dem 3-D-Laserdrucker der Universität Wien. Die Aufnahme mit dem Elektronenmikroskop zeigt, wie präzise die Maschinen schon heute arbeiten können.

(Foto: REUTERS)

Teile wie der Außenspiegel einer alten Märklin-Eisenbahn beispielsweise. Auch darüber spricht eine Gruppe überwiegend junger Männer, von denen sich manche "Maker" nennen, weil sie sich für 3-D-Druck interessieren und dafür, mit der Technik selbst etwas zu schaffen. Sie treffen sich einmal im Monat in München, an diesem Abend im Großraumbüro eines Telekomkonzerns, der Start-ups großmachen will.

Eines von ihnen ist Fabbeo, das 3-D-Druckdienstleister und Auftraggeber zusammenbringen will, im Februar soll das Internetportal starten. Die Gruppe unterhält sich über neue 3-D-Drucker-Prototypen, über bunte, druckbare Kunststofffäden - und über neue Geschäfte, die so möglich werden. Eine Idee: gedruckte Ersatzteile günstig anzubieten.

Der Streit um Patente aber ist ein Problem, das eine Welt voller 3-D-Drucker mit sich bringt: Was passiert, wenn eine Firma einen digitalen Bauplan erstellt und zum Download anbietet? Wird sie damit Geld verdienen? Oder werden manche die Datei missbrauchen, um Teile zu verkaufen, die eigentlich für die private Nutzung gedacht sind? Und was, wenn jemand den Bauplan einer Designerlampe erstellt und kostenlos zum Herunterladen anbietet?

Auf Pirate Bay, dem einschlägigen Tauschportal für Dateien, gibt es längst eine eigene Kategorie für Druckpläne. "Wir werden Copyright-Kämpfe sehen, die die um Filme und Musik verblassen lassen, weil sie jeden betreffen, der etwas herstellt", prophezeit Karim Hamdi von Fabbeo.

Da verwundert es nicht, dass viele Unternehmen nur zögerlich darüber sprechen, ob und wie sie 3-D-Drucker einsetzen. Die Technologie lohnt sich schon jetzt dort, wo kleine Stückzahlen gefertigt werden: So ist bekannt, dass der Flugzeughersteller Boeing gewisse Teile druckt; Rivale EADS experimentiert mit gedruckten Aufsätzen für seine Flieger, um Kosten zu senken. BMW stellt für Prototypen per Druckverfahren metallische Bauteile her und stellt so sicher, dass das Wissen um diese Entwürfe im eigenen Haus bleibt; im Motorsport setzt BMW eine mit einem bestimmten Druckverfahren gefertigte Motorkomponente ein. Auch Luxusmarken wie Bentley und Rolls-Royce können einzelne Teile wirtschaftlicher ausdrucken als konventionell fertigen lassen.

Über diese Nischen, erwartet Steve Rommel, werden die Geräte auch in die Massenfertigung einziehen, sobald unter anderem auch mehr druckbare Materialien entwickelt werden. Noch mag das für viele schwer vorstellbar sein. Doch die 3-D-Maschinen beflügeln die Phantasie. Heute noch mehr als noch zu der Zeit, als die Idee dahinter nur in der Science-Fiction existierte. "Tee. Earl Grey. Heiß", sprach Jean-Luc Picard, Kapitän des Raumschiffs Enterprise, zum "Replikator" - einer Art Zukunfts-Kaffeeautomat in der Wand seines Quartiers. Das Getränk materialisierte sich auf magische Weise im Ausgabefach der Maschine. Aus dem Nichts können die heutigen 3-D-Drucker zwar noch immer nichts erschaffen. Aber sie können Gegenstände auf Knopfdruck herstellen. Zumindest also die Tasse zum gewünschten Tee.

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