Es ist angerichtet: Computer stehen zwar in den frühen 1990er-Jahren noch nicht auf jedem Schreibtisch, wie es sich die Microsoft-Gründer Bill Gates und Paul Allen in ihren Anfangsjahren erträumten, aber schon auf vielen. Die technischen Grundlagen, sie untereinander zu vernetzen, sind gelegt. Nur eines fehlt noch: ein Werkzeug, das diese neuartige Technik der Vernetzung herausholt aus der Welt der Informatiker und der kryptischen Textbefehle. Das Streichholz, alles zu entflammen. Am 21. April 1993 ist es so weit: Die Studenten Eric Bina und Marc Andreessen (in diesem Bild aus dem Jahr 2009 zu sehen) veröffentlichen den Browser NCSA Mosaic, der das Internet tauglich macht für die Massen. Heute, 20 Jahre danach, ist kaum mehr etwas, wie es einmal war. Wie das Internet die Welt verändert hat - eine kleine Auswahl.
20 Jahre Mosaic-Browser
Einkaufen
Einkaufen: Smartphone raus, den Barcode auf dem Label fotografieren, Sekunden später der Beweis: Im Internet gibt's die Jacke statt für 99 wie hier im Bekleidungsgeschäft für 79 Euro, portofrei. Beim Versandhändler laufen schlecht bezahlte Hilfsarbeiter durch schlecht klimatisierte Hallen, schlecht bezahlte Paketboten liefern die Ware beim Kunden ab. Aber für den ist es halt so bequem. Daheim am iPad blättert er von Jacke zu Hose, wählt aus, bestellt. Und was nicht gefällt, geht zurück. Kostenlos. Wie soll da ein Einzelhändler, der sein Personal bezahlen muss, die Ladenmiete und so weiter, wie soll der beim Preis mithalten können? Bei der Auswahl an Kleidung, an Büchern? Es gibt nur eines, was Internetanbieter weniger gut können: Service. Er ist die Chance der Händler.
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Datenberge
Datenberge: Die Erfinder des Internets konnten nicht ahnen, wohin diese Technik führen würde. Also überwog wie so oft der Optimismus, Motto: Information für alle und Demokratie gleich mit. Bis heute durchzieht dieser Cyber-Optimismus die Debatten, doch ist mindestens genauso viel Vorsicht geboten. So tief wie das Leben vieler Gesellschaften und ihrer Menschen mittlerweile mit dem Netz verwoben ist, werden die digitalen Spuren, die jeder hinterlässt, zum Problem. Autoritäre Staaten überwachen ihre Bürger, aber auch Unternehmen wie Google oder Facebook leben davon, dass sie immer mehr von uns erfahren. Und die Behörden auch in demokratisch verfassten Staaten hätten am liebsten alle Daten der Bürger. Das Dumme ist, dass es neue Techniken immer besser möglich machen, auch gigantische Datensammlungen effizient zu durchpflügen.
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Wissen
Wissen: Das Wissen der Menschheit wächst exponentiell, vieles davon, aber längst nicht alles, findet sich im Netz wieder. Filtersysteme erlauben es zwar, aus der ungeheuren Vielfalt herauszuholen, was einen interessiert, doch das birgt die Gefahr, in einer Blase zu leben. Dinge, von denen man noch gar nicht wusste, dass sie einen interessieren könnten, bleiben außen vor - entweder weil sie vom Filter aussortiert werden oder weil sie gar nicht im Netz auffindbar sind. Die Bibliotheken, Sinnbild der Wissensspeicher früherer Tage, rätseln unterdessen, wie sie all die Inhalte ins elektronische Zeitalter retten können. Zunächst klingt das einfach - man scannt sie eben - aber welches Format ist in ein paar hundert Jahren noch lesbar, welche Datenträger halten so lange?
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Cyberwar
Cyberwar: Juni 2010: Eine weißrussische Firma für Internetsicherheit entdeckt in Iran einen höchst komplexen und gefährlichen Computervirus, Stuxnet. Sein Ziel: Zentrifugen in der iranischen Atomanreicherungsanlage Natans zu zerstören, während den Ingenieuren an den Kontrollmonitoren vorgetäuscht wurde, es sei alles in Ordnung. "Olympic Games", so hieß die noch von George W. Bush gestartete Aktion, die Nachfolger Barack Obama laut New York Times fortführen ließ. Es war der erste bekannt gewordene Akt eines Cyberkriegs, sozusagen die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Spätestens seit Stuxnet geht nun zu Recht die Angst um vor Attacken auf Wasserwerke, auf Atommeiler, aufs Stromnetz. Oder auf das Netz selbst. Das allerdings hat sich bis dato stets als sehr robust erwiesen.
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Dating
Dating: Ob es vielleicht doch Männer gibt, denen "Dirty Dancing" gefällt, die gleichzeitig auch noch gerne Mountainbike fahren und Münzen sammeln? Ohne das Internet und seine Dating-Datenbanken wäre es ziemlich schwierig gewesen, das herauszufinden. Aber ist es wirklich ein Datensatz, der einen Menschen ausmacht, und sei der noch so ausgefeilt zusammengestellt? Es kann, so zeigt die Erfahrung, es kann funktionieren, aber muss nicht. Für viele erleichtert es aber den ersten Schritt. Sich irgendwo online anzumelden ist doch etwas anderes als auf eine Ü-30-Party zu gehen. Sich mögen, zusammenleben aber muss man im echten Leben - daran hat sich nichts geändert.
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Musik
Musik: Es gibt sie noch immer, die kleinen Silberscheiben aus den 1980er-Jahren, aber Musiker und Musikindustrie können heute kaum noch davon leben, was der Verkauf der Tonträger abwirft. In der wilden Anfangszeit der sogenannten Tauschbörsen war quasi alles frei verfügbar, erst als Apple die großen Musikanbieter dazu bewegen konnte, digitalisierte Songs für 99 Cent abzugeben, floss wieder mehr Geld. Außerdem etablierten sich Streaming-Dienste, die man für ein paar Euro im Monat abonnieren kann. Sie haben Millionen von Songs auf Vorrat, aber die Künstler und Produzenten erhalten nur Mikrobeträge pro abgespieltem Stück. All das hat zur Renaissance der Live-Konzerte geführt, weil die Künstler sonst nicht viel genug verdienen. Die Konzerte werden immer aufwendiger, auch um die hohen Kartenpreise - 100 Euro sind durchaus keine Seltenheit - zu rechtfertigen.
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Film und Medien
Film und Medien: Die Filmbranche und die Medien stecken mitten im Wandel. Noch verkaufen sich DVDs gut, aber die immer schnelleren Internetleitungen werden mit der Zeit dazu führen, dass die Datenträger überflüssig werden, Filme werden dann heruntergeladen oder als Datenstrom abgerufen. Mit einer Glasfaserleitung lässt sich der Inhalt einer DVD in wenigen Minuten übertragen. Kein herkömmliches Medium ist vom Sog des Internets unbeeinflusst, egal ob Radio, Fernsehen oder Zeitung. Das Internet kann technisch eigentlich alles, was diese Medien auch können. Bloß ist unklar, wie sich die journalistische Qualität, die man gewohnt ist und die für das Funktionieren der Demokratie eine so wichtige Rolle spielt, künftig finanzieren soll. Der Mix aus Verkaufserlösen und Werbeeinnahmen, mit dem sich zum Beispiel Zeitungen finanzieren, ist im Internet bis dato schwer nachzubilden, weil es News auch kostenlos gibt und weil die Online-Werbung zu wenig abwirft.
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Soziale Netzwerke
Soziale Netzwerke: Der Mensch ist ein soziales Wesen, aber kann er mit Hunderten von Freunden etwas anfangen? Nein, ist man sich inzwischen weitgehend einig, trotzdem boomen soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und andere, wo die meisten Mitglieder einige Hundert "Freunde" oder "Follower" haben. Der Mensch ist eben auch ein kommunikatives Wesen. Was ihm an Klatsch und Tratsch in der realen Welt entgeht, weil er dauernd auf sein Smartphone starren muss, das bekommt er dutzendfach in den sozialen Netzwerken geboten, darunter auch vieles, das man eigentlich gar nicht wissen wollte. Manchmal passiert es auch, dass Dinge an die Öffentlichkeit kommen, die man lieber privat gehalten hätte. Sind Informationen, ein Bild, ein Video, aber erst einmal im Netz gelandet, ist es schwer bis unmöglich, sie zurückzuholen. Längst hat sie ein anderer kopiert und schon wieder hochgeladen. Und anders als Menschen vergisst das Netz nicht so schnell.
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Spam
Spam: Irgendwie schaffen sie es immer wieder. Kaum glaubt man, das letzte Schlupfloch gegen illegale Werbemüll-Versender sei gestopft, da finden diese Leute wieder ein neues, und - schwups - sind sie wieder da: Der Nigerianer, der unbedingt sein Millionenerbe loswerden will, die gefälschten Viagra-Pillen aus Sonstwoher und all die anderen Mails, die wirklich niemand braucht. Und nein, man kann das nicht abstellen. Leider.
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Pornografie
Pornografie: Man fand vielleicht mal ein Heftchen, früher, im Altpapier, aber in die Videotheken und Sexshops durfte man nicht rein als Jugendlicher, wenn man es sich überhaupt getraut hätte. Für deren Betreiber wird es immer schwerer, sogar die Sex-Darsteller verdienen weniger, seit Pornografie im Netz nahezu unbeschränkt kostenlos verfügbar ist. Und so wird nun diskutiert darüber, was es mit Kindern und Heranwachsenden macht, wenn sie auf Knopfdruck all das sehen können, was man noch bis zur Generation davor immer mehr oder weniger im Verborgenen gehalten hatte.