Wirtschaftsmacht Deutschland:Zum Tango gehören zwei - die tanzen können

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Frankreich ist entsetzt: Deutschland steht zu gut da. Doch längst sind die Deutschen dabei, Erfolge zunichtezumachen.

Marc Beise

Ein schwarzer Montag für Deutschland. Erst setzt die französische Finanzministerin Christine Lagarde dem Nachbarland einen Schuss vor den Bug und kritisiert die deutsche Wirtschaftsstärke; unübersehbar prangte der Angriff auf der ersten Seite der Financial Times.

Dann kommt das SPD-Präsidium zusammen und vollzieht signalhafte Korrekturen von der Hartz-IV-Politik früherer SPD-Regierungsjahre. Und zu guter Letzt fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) aus Solidarität mit den wirtschaftsschwachen südlichen Euro-Staaten ein Austrocknen des hiesigen Niedriglohnsektors.

Deutschland ist im europäischen Vergleich zu gut geworden, kann man all das zusammenfassen. Es wäre doch gelacht, wenn wir dies nicht ganz schnell wieder ändern könnten. Höhere Sozialausgaben und am besten auch Steuern, Mindestlöhne auf breiter Front, noch mehr Staatseinfluss, ein strengeres Kündigungsschutzrecht: Das Instrumentarium ist wohlbekannt, wie man eine Wirtschaft in die Knie zwingt. Aber ist das sinnvoll?

Erinnert sich wirklich niemand mehr an die Situation vor zehn Jahren? Als Deutschland in Europa als "kranker Mann" galt, über dem Häme und Spott ausgeschüttet wurden. Mutlos, kraftlos, einfallslos seien die Deutschen, urteilte noch im Jahr 2002 das Wirtschaftsmagazin The Economist, und sah Schaden für Europa insgesamt. Heute, ebenfalls an diesem Montag, titelt dasselbe Blatt "Europe's engine. Living with a stronger Germany".

Deutschland hat Probleme genug, aber ist vergleichsweise besser als andere durch die große Krise gekommen, dank der konzertierten Tatkraft von Wirtschaft, Tarifparteien und Politik.

Vor sieben Jahren kündigte der SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder die "Agenda 2010" an: "Entweder wir modernisieren, und zwar als Soziale Marktwirtschaft, oder wir werden modernisiert, und zwar von den ungebremsten Kräften des Marktes, die das Soziale beiseite drängen würden."

Die Schröder-SPD setzte einiges dran, den Sozialstaat zukunftssicher zu machen. Dazu waren harte Maßnahmen notwendig: Lockerungen des Arbeitsrechts, Bürokratieabbau, die "Hartz"-Gesetzgebung in ihrer Verknüpfung von Fördern und Fordern der Arbeitslosen und anderes mehr.

Die Unternehmen wiederum haben in dieser Zeit ihre Innovationskraft teilweise neuentdeckt. Und die Tarifparteien üben seit Jahren Mäßigung zu Lasten der Einkommen der Arbeitnehmer, aber zugunsten von deren Jobs und allgemein der deutschen Wettbewerbsfähigkeit.

Dass dies schwächere Nachbarn auf den Plan ruft, ist verständlich, aber kurzsichtig. Wer vorankommen will, sollte man meinen, orientiere sich am Beispiel der Erfolgreichen und versuche nicht, diese auf sein eigenes schwächeres Niveau herunterziehen.

Das fehlende Selbstbewusstsein selbst der französischen Regierung ist bemerkenswert. Ministerin Lagarde könnte einen flammenden Appell an ihre Landsleute richten: "Franzosen, macht es den Deutschen nach!"

Stattdessen wirft sie dem erfolgreichen Nachbarn vor, sich auf Kosten anderer stark zu machen. Auch andere Staaten klagen die Deutschen an, sich in den vergangenen Jahren mit niedrig gehaltenen Löhnen Exportvorteile verschafft und Wirtschaftswachstum auf Kosten anderer produziert zu haben.

Regelrecht scheinheilig nimmt der DGB diesen Gedanken auf und führt den Gedanken der Solidarität ins Feld, um von ihm ungeliebte Wirtschaftspolitik zu diskreditieren. Wenn es um die Verlagerung von deutschen Arbeitsplätzen ins EU-Ausland geht, zählt Solidarität nicht.

Die Ungleichgewichte innerhalb der EU werden zu einem Problem, ja. Aber den Süd- und anderen schwächelnden Europäern ist mehr gedient, wenn man ihnen den deutschen Weg zur Nachahmung empfiehlt. Erst wenn andere Staaten ihre Reformen umsetzen (Griechenland wird dazu gerade gezwungen), wird Europa als Ganzes wieder gut dastehen.

"Zum Tango gehören zwei", sagt Ministerin Lagarde. Stimmt. Aber wenn einer der beiden Partner nicht Tango tanzen kann, hilft es auch nicht, es dem anderen wieder abzugewöhnen.

© SZ vom 16.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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