Was machen eigentlich ... Hanna Köpcke, Sabine Maßmann und Carina Röllig?:"Wir sammeln Millionen von Informationen"

Was machen eigentlich ... Hanna Köpcke, Sabine Maßmann und Carina Röllig?: Webdata Solutions stellt für Hersteller und Händler Preisvergleiche an. Die sehen dann so aus.

Webdata Solutions stellt für Hersteller und Händler Preisvergleiche an. Die sehen dann so aus.

(Foto: oh)

Welcher Online-Shop bietet welchen Preis an? Drei Gründerinnen kennen die Antwort - und verkaufen sie an Firmen.

Interview von Elisabeth Dostert

Ihre Software haben die drei Gründerinnen aus Leipzig Blackbee genannt. Das heißt übersetzt "schwarze Biene". Ihr Geschäft ähnelt ein wenig dem einer Biene. Die drei Frauen sammeln Millionen von Informationen im Internet, "saugen" daraus Honig, schreiben sie auf ihrer Internetseite. Auf Basis der Daten stellen die Gründerinnen Preisvergleiche für Unternehmen auf. Händler und Hersteller haben allerdings deutlich weniger Interesse daran, dass ihre eigenen Kunden wirkliche Markttransparenz bekommen.

Was machen Sie eigentlich?

Sabine Maßmann: Wir sammeln in Webshops und Online-Marktplätzen weltweit frei verfügbare Informationen. Wir bereiten daraus Marktinformationen für unsere Kunden auf. Auf Basis unserer Daten können sie dann frühzeitig Trends erkennen und danach ihre Sortimente und Preise gestalten.

Klingt nach klassischer Marktforschung?

Hanna Köpcke: Ja. Aber wir sammeln Millionen von Informationen und liefern die Analysen täglich, wöchentlich oder monatlich, wie es der Kunde braucht. Wir verschaffen unseren Kunden auf Basis der Daten mit Hilfe unserer Software Blackbee Markttransparenz, um bessere Entscheidungen zu treffen.

Wer sind Ihre Kunden?

Köpcke: Händler und Markenhersteller.

Geht es konkreter?

Carina Röllig: Nennen darf ich Douglas und Windeln.de. Mit den meisten Kunden haben wir Verschwiegenheitsvereinbarungen unterzeichnet. Die Konkurrenz soll ja nicht wissen, dass die Preise verglichen werden.

Preise vergleichen können Ihre Kunden doch auch selbst.

Köpcke: Tun sie teilweise auch, aber die klicken sich durch alle Shops und tragen die Ergebnisse mühsam manuell zusammen. Unsere Software kann das viel schneller. Wir schauen uns ja auch nicht nur die Preise an, sondern auch die Preisentwicklung und das gesamte Sortiment. So können wir Wettbewerbsstrategien erkennen. Für Markenhersteller und -anbieter ist es auch ganz wichtig zu wissen, welche ähnlichen Produkte die Wettbewerber anbieten, welche Händler zu welchen Preisen die eigenen Produkte führen und wo und zu welchen Preisen Markenprodukte auf grauen Märkten zu bekommen sind.

Die Firma

Webdata Solutions GmbH

  • Gegründet: 2012
  • Sitz: Leipzig
  • Mitarbeiter: 40
  • Umsatz: k.A.
  • Gesellschafter: Carina Röllig, Sabine Maßmann, Hanna Köpcke,Technologiegründerfonds Sachsen, Seventure Partners, Senovo GmbH, BrainsToVentures AG (b-to-v Partners AG)

Welche grauen Märkte?

Röllig: Wir analysieren weltweit und branchenunabhängig, in welchen Shops Markenprodukte unter dem Einstandspreis angeboten werden.

Angenommen Sie haben 40 verschiedene Preise für eine identische Packung Windeln gefunden. Wie sieht dann Ihre Preisempfehlung aus?

Maßmann: Da gibt es verschiedene Strategien. Für einen neuen Online-Händler kann es schon sinnvoll sein, sogenannte Leuchtturm-Artikel günstiger als alle anderen anzubieten oder zumindest zu den drei preiswertesten Anbietern zu gehören.

Was sind Leuchtturm-Artikel?

Maßmann: Waren, die besonders häufig gekauft werden. Wenn es ein Händler schafft, dass der Kunde für solche Artikel seinen Online-Shop regelmäßig besucht, gelingt es leichter, ihn auch noch zum Kauf anderer Produkte zu bewegen.

Ihre eigentliche Kompetenz sind Software und Datenbanken?

Maßmann: Ja. Die Daten, die sich im Internet finden, sind häufig unstrukturiert und unvollkommen. Unsere Software erkennt, ob es sich wirklich in den unterschiedlichen Portalen um dasselbe Produkt handelt.

Wer von Ihnen dreien hatte die Idee?

Röllig: Hanna Köpcke und Sabine Maßmann haben lange am Institut für Informatik der Universität Leipzig im Bereich Datenintegration, -extraktion, -aufbereitung und -matching geforscht, also all jene Themen, die in unserer Software Blackbee stecken. Ich bin 2010 als Kauffrau in das Forschungsprojekt gekommen. Meine Aufgabe war es herauszufinden, wie man all diese Algorithmen und Prototypen kommerziell nutzen kann. So entstand die Idee, Produktinformationen online zu sammeln und aufzubereiten.

Als Sie anfingen Geldgeber zu suchen, hatten Sie den Eindruck, dass Sie es als Frauen schwerer hatten?

Röllig: Jedes Start-up hat es schwer, Geld zu sammeln.

"Gründen macht mehr Spaß"

Hatten die Männer am Institut kein Interesse mitzugründen?

Maßmann: In dem Forschungsprojekt waren wir zu zehnt. Fünf Männer und fünf Frauen. Keiner der Männer wollte. In dem Projekt ging es ja um Forschung, darum, sich langfristig mit einem Thema zu beschäftigten. Da geht es nicht in erster Linie darum, Profit zu machen, sondern Erfolge zu erzielen, zum Beispiel in Form von Veröffentlichungen. Eine Firma zu gründen, Kunden zu gewinnen und glücklich zu machen, ist etwas anderes. Es gab auch Leute, die gesagt haben, dass ihnen das Risiko zu hoch ist oder die als Berufsanfänger erst einmal einen sicheren Job haben wollten.

Sie wollten nicht erst einmal zu Google oder Facebook?

Maßmann: Gründen macht mehr Spaß. Wir hatten ja auch schon viel Zuspruch. Ich fand es auch spannend zu sehen, dass vieles, was in der Forschung schon herausgefunden wurde, die Firmen gar nicht erreicht. Da wird noch vieles manuell gemacht. Mir macht es Spaß, die Probleme konkret anzugehen und den Kunden das Leben zu erleichtern.

Machen Sie denn schon Gewinn?

Röllig: Vielleicht nächstes Jahr. Wir investieren noch ganz stark.

Denken Sie über einen Börsengang nach?

Röllig: Die Entscheidung haben wir ja schon gefällt, als wir Risikokapitalgeber ins Boot geholt haben. Die wollen ja irgendwann einen Exit, zum Beispiel in Form eines Börsengangs oder klassischen Verkauf des Unternehmens. In sechs, sieben Jahren wird es den vielleicht geben.

Der Sie dann möglichst reich macht?

Röllig: Ja.

Was kann Ihnen richtig gefährlich werden?

Maßmann: Dass das Internet abgeschaltet wird, das wäre der Super-GAU.

Es war eine ernsthafte Frage!

Maßmann: Die völlige Markttransparenz. Dass alle Unternehmen online mit den gleichen Produktdaten arbeiten, sodass eine völlige Vergleichbarkeit herrscht.

Ist das nicht eine große Enttäuschung des Internets, dass die Transparenz gar nicht zugenommen, sondern eher abgenommen hat?

Maßmann: Ja, aber davon leben wir.

Köpcke: Die Endverbraucher haben, was einzelne Produkte betrifft, schon mehr Transparenz. Sie müssen sich eben durch die einzelnen Shops arbeiten. Ohne das Internet hätte ich gar keine Chance herauszufinden, was zum Beispiel ein Turnschuh, den ich mir kaufen will, in China kostet.

Haben Ihre Kunden denn überhaupt Interesse daran, dass ihre Kunden Markttransparenz haben?

Maßmann: Nein, eigentlich nicht. Händler und Hersteller wollen am liebsten ihre eigenen Produkte verkaufen. Je mehr Vergleichbarkeit da ist, umso stärker zählt der Preis und die Preise sinken. Deshalb bieten ja viele Händler Eigenmarken an oder Exklusivmarken, weil da weniger Transparenz herrscht.

Hat sich Ihr Einkaufsverhalten im Internet verändert, seit Sie sich so intensiv mit der Materie beschäftigen?

Maßmann: Nein. Ich nehme mehr Online-Shops bewusst war. Viele kannte ich vorher gar nicht. Mir fällt auf, wenn im Fernsehen, Internetseiten stark beworben werden. Aber ich habe auch gelernt, dass der Preis nicht alles ist. Amazon, zum Beispiel, ist nicht immer der billigste Anbieter, aber der Konzern genießt Vertrauen, weil die Kunden wissen, sie können die Ware problemlos zurückschicken. Und die Kunden schauen sich die Bewertungen an. Ein Online-Shop kann der billigste Anbieter sein, wenn die Bewertungen schlecht sind, kauft trotzdem keiner.

Aber die Bewertungen sind doch zum Teil auch nur gefaked?

Maßmann: Wenn ein Produkt nur zwei oder drei gute und schlechte Bewertungen hat, weiß ich natürlich nicht, hat der sich selbst gelobt oder die Konkurrenz geschimpft. Trotzdem sind die Bewertungen eine wichtige Information für die Käufer. Produkte und Anbieter, die nicht bewertet sind, werfen mehr Fragen auf als solche mit sehr vielen Bewertungen. Das Kaufverhalten ändert sich. Die Leute gehen in Läden und schauen dann online nach, wo es das Produkt vielleicht billiger gibt. Und dann kaufen sie dort oder fangen im Laden an zu feilschen.

Machen Sie das auch?

Maßmann: Ich kaufe gerne online. Für Schuhe gehe ich immer noch gerne in Läden. Ich habe keinen Bedarf, mir zehn Paar Schuhe online zu bestellen und dann vielleicht eins zu behalten. Aber Parfum und Kleidung bestelle ich online, schon weil es Zeit spart. Lebensmittel kaufe ich auch im Laden.

Macht es Ihnen manchmal Angst, was man alles im Internet an Daten finden, sammeln und auswerten kann?

Köpcke: Überhaupt nicht, das ist doch genau unser Thema. Das ist das Thema, das wir lieben und beherrschen.

Haben Sie das Gefühl, Sie sind Herr der Daten, die Sie im Internet selbst beim Einkaufen und Suchen hinterlassen?

Röllig: Ich bin da sehr pragmatisch. Ich habe zwei, drei Online-Händler, bei denen ich regelmäßig bestelle. Es kommt darauf an, ob es eine kleinere oder eine größere Anschaffung ist. Wenn ich mir eine Kamera kaufe, würde ich mich intensiver informieren und Preisvergleichsportale besuchen.

Möglicherweise wertet ein anderer so wie Sie Ihre Daten aus, bereitet sie auf und verkauft sie weiter. Macht Ihnen das Angst?

Röllig: Das kommt darauf an, mit welchem Ziel er das tut. Will er mir schaden? Deshalb beschränke ich mich auf zwei, drei Anbieter, denen ich vertraue. Da habe ich auch meine Bestelldaten hinterlegt.

Und Sie sind sich sicher, dass diese Ihre Daten nicht weitergeben?

Maßmann: Da kann ich mir nie sicher sein. Wenn ich online bestellen möchte, muss ich ein stückweit meine Identität preisgeben. Dann muss ich mir auch die Frage stellen, wie ich mit sozialen Netzwerken wie Linkedin oder Facebook umgehe, wo ich noch viel mehr preisgebe von mir.

Sind Sie alle auf Facebook?

Maßmann: Nein. Ich bin auf Xing und Linkedin, weil mir diese Netzwerke für die Firma wichtig sind. Aber nicht auf Facebook.

Was machen eigentlich ... Hanna Köpcke, Sabine Maßmann und Carina Röllig?: Die Gründerinnen von Webdata Solutions aus Leipzig: Carina Röllig, Hanna Köpcke und Sabine Maßmann.

Die Gründerinnen von Webdata Solutions aus Leipzig: Carina Röllig, Hanna Köpcke und Sabine Maßmann.

(Foto: oh)

Warum?

Maßmann: Ich war früher bei StudiVZ, das fand ich am Anfang spannend. Aber ich treffe mich immer noch lieber mit Leuten oder telefoniere. Da bin ich vielleicht altbacken. Ich muss nicht die Urlaubsbilder von irgendjemandem sehen, ohne mich mit ihm über den Urlaub zu unterhalten. Vielleicht fängt da mein Bedarf an Privatsphäre an.

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