VW-Affäre vor Gericht:Luxusreisen mit Dr. Klaus

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"Er hat sich dargestellt als eleganter und netter Mann": Sieben Jahre war Adriana Barros die Geliebte des damaligen VW-Betriebsratschefs Klaus Volkert. Sieben Jahre lang soll Volkert der Brasilianerin viel Geld und sonstige Annehmlichkeiten zugeschanzt haben - auf Kosten von Volkswagen. Jetzt packt sie vor Gericht zur VW-Affäre aus.

Kristina Läsker, Wolfsburg

Adriana Maravalhas de Carvalho Barros kommt nicht in irgendeinem Auto zu dem Prozess, der ihren Ruf retten soll. Sie kommt mit einem Volkswagen. In einem schwarzen Touareg rollt die Brasilianerin vor das Amtsgericht in Wolfsburg. Als wolle sie zeigen, wie unschuldig ihr Verhältnis zu Europas mächtigstem Autokonzern ist. Als sei sie so unabhängig, dass sie noch immer im VW vorfahren kann.

Adriana Barros war sieben Jahre lang die Geliebte des ehemaligen VW-Betriebsratschefs Klaus Volkert. (Foto: dpa)

Ganz so, als habe die 47-Jährige nie im Zentrum einer Affäre gestanden, die den Autobauer 2005 und den Jahren danach schwer gebeutelt hat. Als hätte Barros bloß ihre Liebe zum einstigen Betriebsratschef Klaus Volkert ausleben und sich nie auf Firmenkosten bereichern wollen.

Doch genau das sieht die Staatsanwaltschaft anders. Und deswegen ist Adriana Barros nach Wolfsburg gekommen.

Eigentlich könnte sich die Frau, die am Dienstag in schwarzen Pumps und knallroter Handtasche den Großen Sitzungssaal des Amtsgerichts betritt, zu Hause in Sao Paulo ein gutes Leben machen. Weil zwar ein Strafbefehl gegen sie erlassen wurde, doch dieser ihr wenig anhaben kann. Sie lebt ja Tausende Kilometer entfernt. Im Juli 2008 hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Strafbefehl verhängt, über ein Jahr Gefängnis auf Bewährung. Barros soll Beihilfe zur Untreue in 26 Fällen begangen haben.

Die Ermittler glauben, dass Volkert der einstigen Geliebten mehrere Hunderttausend Euro zugeschanzt hat. Barros soll große Summen für wertlose Aufträge und Luxusreisen erhalten haben und durchaus billigend in Kauf genommen haben, dass VW gezahlt hat.

Doch Barros hat eine andere Sicht auf die Dinge - und sie sei es leid, zu Hause von den Medien als Lustgespielin von Volkert verhöhnt zu werden, sagt ihr Anwalt Hans-Joachim Gerst. "Sie möchte berufliche und persönliche Rehabilitation." Deswegen habe Barros dem Strafbefehl widersprochen, daher wird der Prozess neu eröffnet. Sieben Jahre, nachdem der Skandal rund um Spesenbetrug und Lustreisen aufflog, erscheint die Frau - die einst Glamour ins piefige Wolfsburg brachte - persönlich im Backsteinbau des Gerichts. Ein paar Hundert Meter von der VW-Zentrale entfernt kämpft sie um die Ehre.

Die müden Augen sind von Schminke umrahmt, die Haare mit einem Gummi zum Zopf gebunden. In weichem Brasilianisch - das eine Dolmetscherin dann übersetzt - erzählt sie von der Liaison mit dem verheirateten Volkert. "Er hat sich dargestellt als eleganter und netter Mann", sagt sie. Ein Typ mit "Charisma". Einer der sich hoch gearbeitet hatte. Es wird deutlich, wie gnadenlos der gelernte Schmied geprahlt haben muss, um seine Flamme zu beeindrucken. Er sei die zweitwichtigste Person von Volkswagen, habe Volkert ihr verraten. "Ein Mann mit Macht."

Begonnen hat es 1998. Damals jobbte Barros in einem brasilianischen Ferienclub. Weil ihr Einkommen als Journalistin nicht zum Leben ausreichten. Hier traf sie Volkert, der sie drei Monate lang umwarb. Er umgarnte Barros mit Anrufen und lud sie schließlich nach Prag ein. Es war die erste gemeinsame Reise, bis 2005 ließ der Arbeiterführer seine Freundin häufig für ein paar Tage einfliegen. Barros erzählt mit dürren Worten von diesem glamourösen Leben. Obwohl es ein Abenteuer gewesen sein muss.

Fast jeden Monat jettete Barros um die Welt zu ihrem Liebhaber. In Genf, Dubrovnik, Paris und anderswo logierte das Paar in teuren Hotels und ging ins Theater. Tagsüber managte Volkert seinen Job, abends entspannte er mit Barros. Weit weg von der Familie.

Das kam den Konzern teuer, glaubt die Staatsanwaltschaft. In 15 Fällen soll Volkert private Kosten für Flüge, Hotels und Sprachkurse für Barros über insgesamt 100.000 Euro zu Lasten von VW abgerechnet haben. Angeblich bezahlt von Ex-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer und abgesegnet vom damaligen Personalvorstand Peter Hartz. Ein gut geschmiertes System, mit dem störrische Betriebsräte auf Linie gehalten wurden.

Adriana Barros will von all dem nichts gewusst haben. Sie habe keine Ahnung gehabt, dass der Autokonzern für ihre Reisen aufgekommen sei, beteuert sie. "Ich habe geglaubt, dass Dr. Klaus meine Reisen bezahlt hat", sagt sie. "Dr. Klaus" - sie wählt eine seltsame Anrede für einen Mann, den sie früher als ihre größte Liebe bezeichnet hat und der zur größten Last geworden ist.

Denn Volkert hat weit mehr getan, als Barros mit Reisen zu beschenken. Das wurde bekannt, als er im Februar 2008 wegen Untreue zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden ist. Als Betriebsratsvorsitzender hatte er dafür gesorgt, dass Volkswagen alle drei Monate an Barros gut 23.000 Euro überweisen ließ. Dafür sollte seine Geliebte dann Filme über soziale Projekte drehen, die Volkswagen angeblich intern nutzen wollte.

"Ich habe immer da gefilmt, wo Dr. Klaus das gewollt hat", sagt Barros und erzählt von Straßenkindern und Videoaufnahmen. Doch die Staatsanwaltschaft bezweifelt, dass die Dokumentationen jemals verwendet werden sollten. Und sie bezweifelt die Aussage der Journalistin. Etwa 250.000 Euro soll Barros angeblich kassiert haben, ohne Gegenleistung zu erbringen. Als sie das hört, reißt Barros erregt ihre Hände in die Luft. "Ich will klarstellen, dass ich in keinem Moment die Absicht hatte, meine Arbeit nicht durchzuführen."

Bis zum 8. Mai will das Gericht herausfinden, wie viel Barros gewusst hat vom System VW. Dann soll das letzte Urteil in der Affäre gesprochen werden. Für Barros ist es eine Chance, ihrem einstigen Gönner ein letztes Mal ins Gesicht zu schauen. Denn Volkert muss vor Gericht aussagen, er kann sich dem nicht entziehen. Wie damals im Juni 2005 als alles aufflog, Volkert seinen Job hinwarf und Barros kurzerhand per E-Mail abservierte. "Er schrieb, er will mich nie mehr treffen."

© SZ vom 28.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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