Versicherer:Verunsichert von Amazon

Der amerikanische Internetkonzern bedroht das Geschäftsmodell der Versicherer. Den ersten Schritt in den Markt hat der Versandhändler bereits gemacht.

Von Friederike Krieger, Köln

Der Online-Versandhändler Amazon stellt für das Geschäftsmodell der Versicherer eine weitaus größere Bedrohung dar als die über 90 Versicherungs-Start-ups, die sich inzwischen im deutschen Markt tummeln. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der LBBW. "Im Fall eines ,Großangriffs' im Versicherungsmarkt durch Amazon würden wir nennenswerte Teile des Geschäftsvolumens der etablierten Assekuranz-Konzerne als gefährdet ansehen", heißt es. Mit einer bekannten Marke, innovativer Technik, umfangreichen Kundendaten und hohen Skalenvorteilen wäre Amazon bei den Kosten im Vorteil. Die etablierten Versicherer schlagen sich derweil mit alter Technik, ineffizienten Strukturen und vielen kostspieligen Altverträgen herum.

Erste Schritte in den Markt hat Amazon bereits gemacht. In Großbritannien suchte das Unternehmen schon Ende 2017 in Stellenanzeigen nach Branchenexperten für die Gründung eines neuen Versicherers. In Indien hat Amazon eine Lizenz als Versicherungsmakler beantragt. In den USA will das Unternehmen zusammen mit JP Morgan und Berkshire Hathaway einen Krankenversicherer gründen.

"Amazon war bereits in der Vergangenheit sehr erfolgreich darin, ganze Branchen vor sich herzutreiben", schreibt LBBW-Analyst Werner Schirmer. Das Unternehmen hat sich im Buchhandel zwischen Produzenten und Endverbraucher gedrängt - und sich so einen erheblichen Teil der Marge der Buchhändler gesichert. Ähnliches könnte auch der Versicherungsbranche blühen. Neben Produktversicherungen wären für Amazon vor allem einfach zu erklärende Verträge mit kurzer Laufzeit und leicht abzuwickelnden Schäden interessant. Dazu gehören Reiserücktritts- und Rechtsschutzpolicen.

Um die eigene Digitalisierung voranzutreiben, kooperieren viele Versicherer mit Start-ups

Im Gegensatz zu anderen Experten sieht Schirmer die Versicherungswirtschaft als eine der am meisten durch digitale Disruption betroffenen Branchen - sogar noch vor der Bankenbranche. Das Kundenverhalten habe sich geändert, die Versicherten erwarteten schnelle, digitale Services. Diese Ansprüche aber erfüllen die wenigsten Anbieter. Viele haben alte IT-Systeme, die sie erst noch modernisieren müssen. Um mit den veränderten Bedürfnissen Schritt zu halten und die eigene Digitalisierung voranzutreiben, setzen viele Versicherer deshalb auf Kooperationen mit Versicherungs-Start-ups, den sogenannten Insurtechs. Sie beteiligen sich an den jungen Firmen oder werden ihre Versicherungspartner. Auch die Gründung von eigenen Digitalversicherern und Digital Labs, also digitalen Versuchslabors, stehen hoch im Kurs.

Von den europäischen Versicherern und Rückversicherern sind Axa, Allianz und Munich Re bei den Insurtech-Aktivitäten am besten aufgestellt, glaubt Analyst Schirmer. "Axa verfügt unseres Erachtens bislang über die aussichtsreichste Insurtech-Strategie unter den von uns analysierten europäischen Versicherern", schreibt er. Der Versicherer kooperiert unter anderem mit prominenten Partnern wie dem chinesischen Alibaba-Konzern, Ebay, Facebook und Uber, fördert Insurtechs und ist an Start-ups wie Policy Genius und Limelight beteiligt. Als eher verhalten schätzt Schirmer dagegen die Strategien von Talanx und Zurich ein.

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