Versandhaus-Gründer Werner Otto:Tod eines Unermüdlichen

"Immer nach vorne sehen!" Zeitlebens folgte Unternehmerlegende Werner Otto diesem Credo. Nun ist der Gründer des Otto-Versands gestorben. Er hinterlässt ein Familienimperium, das selbst in der dritten Generation Stabilität zeigt. Sein Erfolgsrezept: Er traute sich schon früh zu delegieren.

Silvia Liebrich

Vom Ruhestand hat Werner Otto nicht viel gehalten. Der Firmenpatriarch war eine Unruhegeist im positiven Sinne. Selbst im hohen Alter von 90 Jahren hat sich der Versandhausgründer nicht gescheut, neue Wege zu gehen. "Ich bin der Meinung, dass man immer nach vorne sehen muss und sich nicht gehen lassen darf", sagte er in einem seiner letzten Interviews vor sechs Jahren. Kurz zuvor hatte er in Berlin ein neues Leben begonnen, im vornehmen Stadtteil Grunewald. Dort ist er nun, drei Tage vor Weihnachten, im Kreise seiner Familie gestorben, im Alter von 102 Jahren. Er hinterlässt einen Milliardenkonzern mit über 50 000 Beschäftigten weltweit, der fest in Familienhand ist.

Versandhaus-Magnat Werner Otto gestorben

Werner Otto gründete 1949 in Hamburg ein Versandhaus, das heute zu den größten der Welt zählt.

(Foto: dpa)

Am Anfang dieser beispiellosen Nachkriegskarriere stehen eine Firmenpleite, 28 Paar Schuhe und ein selbst gebastelter Katalog. Als Otto 1949 in Hamburg den Otto-Versand gründet, ist dies eher eine aus der Not geborene Idee. Zuvor hat er sich als Schuhfabrikant versucht, erfolglos. Was bleibt, sind ein paar Kartons mit Schuhen, zwei Baracken und ein Handleiterwagen. Ein Anlagevermögen, aus dem sich in den Wirtschaftswunderjahren der größte Versandhändler der Welt entwickeln sollte.

Der Erfolg ist ihm nicht in die Wiege gelegt. Otto, der 1909 als Sohn eines Kaufmanns im brandenburgischen Seelow geboren wird, muss früh auf eigenen Beinen stehen, nach dem Zusammenbruch der Firma seiner Eltern. Er zieht nach Berlin, eröffnet ein kleines Zigarrengeschäft und genießt das Partyleben der frühen dreißiger Jahren. Als er sich gegen die Nationalsozialisten stellt und Flugblätter über die deutsch-tschechische Grenze schmuggelt, wird er verhaftet und sitzt zwei Jahre im Gefängnis Plötzensee. Danach zieht er mit seiner ersten Frau Eva nach Westpreußen, wird gegen Kriegsende noch eingezogen und schwer verwundet. Nach Kriegsende schlägt er sich mit Frau und zwei Kindern nach Hamburg durch, wo er im ersten Anlauf mit seiner Schuhfabrik scheitert. Aufgeben kommt für ihn nicht in Frage. "Natürlich darf man auch mal hinfallen im Leben. Aber niemals liegen bleiben", sagt er dazu später.

Otto gehörte zu jenem Schlag von Unternehmern, die keine Angst davor haben, Fehler zu machen - solange man daraus die richtigen Konsequenzen zieht. Nach diesem Motto baut er in den fünfziger und sechziger Jahren einen florierenden Versandhandel auf, etabliert sich mit Innovationen neben mächtigen Konkurrenten wie Quelle und Baur. So ist Otto der erste der seine Ware gegen Rechnung und nicht wie damals üblich per Nachnahme verschickt. Qualität ist ihm wichtiger als Billigpreise. Eine Strategie, mit der sich das Hamburger Versandhaus zahlungskräftige Käuferschichten erschließt. 1955 erreicht der Umsatz bereits 28 Millionen D-Mark.

Doch damit ist für Otto längst nicht Schluss, er ist experimentierfreudig, macht der Post Konkurrenz und gründet den Hermes-Versand. Er investiert in Warenhäuser, die er mangels Erfolg wieder abstößt, genauso wie eine Waschanlagen-Kette und eine Strumpffabrik. Seinen wohl größten Fehler macht er, als er 50 Prozent des Kapitals der Otto-Versand GmbH an private Investoren verkauft. Erst 2007 gelingt es der Familie, diese Anteile zurückzukaufen. Otto gehört damit zu den wenigen Familienimperien, die selbst in der dritten Generation noch Stabilität zeigen. Werner Otto heiratet drei Mal und hinterlässt fünf Kinder. Seine dritte Frau Maren ist fast 50 Jahre an seiner Seite. Über Streitereien innerhalb der Familie ist kaum etwas bekannt.

Der Erfolg des Patriarchen beruht auch darauf, dass er delegieren kann. 1966 zieht er sich aus dem Tagesgeschäft des Versandhandels zurück. Mit Günter Nawrath rückt vorübergehend ein externer Geschäftsführer an die Spitze, bevor Ottos ältester Sohn Michael 1981 die Geschäfte übernimmt. Werner Otto baut unterdessen sein zweites Imperium auf, den Immobilienentwickler ECE. Sie entwickelt unter anderem Shopping Malls nach amerikanischem Vorbild. Auch am Beginn dieser Erfolgsgeschichte steht zunächst ein Misserfolg. Otto investiert in eine Farm in Chile. Die Landwirtschaft verliert er. Doch ihm bleibt eine Wohnsiedlung, die den Grundstein für ein riesiges Immobilienvermögen bildet, für das inzwischen sein jüngster Sohn Alexander verantwortlich ist. Laut Manager Magazin beläuft sich das gesamten Vermögen des Familienclans 2009 auf mehr als acht Milliarden Euro, in der Liste der reichsten Deutschen rangieren sie ganz oben. Sechs Jahrzehnte nach der Gründung erwirtschaftet die Otto-Unternehmensgruppe einen Umsatz von mehr als elf Milliarden Euro.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich Otto auch als großzügiger Spender und Förderer von diversen sozialen und kulturellen Einrichtungen einen Namen gemacht und dafür zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Zusammen mit Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus errichtet das Versandhaus derzeit eine Textilfabrik in Bangladesch, an der die Arbeiter beteiligt werden sollen.

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