Vernetztes Auto:Angriff auf der Autobahn

Teststrecke für autonomes Fahren in Friedrichshafen

Am Ende steht das autonome Fahren: Autos werden zunehmend zu rollenden Computern.

(Foto: Felix Kästle/picture alliance/dpa)

Fahrzeuge werden immer mehr vernetzt und damit auch anfälliger für Hacker. Der Zulieferer Continental sieht deswegen einen riesigen Markt beim Geschäft mit der Sicherheit im Auto.

Von Thomas Fromm, Fürstenfeldbruck

Wenn sich ein Konzern wie Continental nach 147 Jahren aufspaltet und kein Gemischtwarenhaus mit Reifen, Autoteilen und Motorsteuerungen mehr sein will, dann braucht er gute Argumente dafür. Eines geht so: Indem man den Laden auseinandernimmt, kann man einzelne Teile - zum Beispiel die Sparte "Powertrain" mit Motorsteuerungen und Elektromotoren - an die Börse bringen, was wiederum Geld für den Rest der Gruppe einspielt. Außerdem: Autos verändern sich gerade radikal, und Themen wie Elektromobilität und die Digitalisierung der neuen fahrenden Rechenzentren kann man nicht mal so nebenbei erledigen.

Einen Tag, nachdem Conti bekannt gab, sich selbst zu zerlegen, konnte man dem Konzern nun live bei der Zukunftsplanung zusehen. Bei einer Veranstaltung neben einer ehemaligen Zisterzienserabtei in Fürstenfeldbruck bei München ging es nicht um Sommer- oder Winterreifen und nicht um Motoren. Längst ist der Konzern auch in der digitalen Verteidigungsbranche angekommen - verteidigt wird die Sicherheit im vernetzten Auto. "Der Sicherheitsbereich wird noch sehr stark wachsen", sagt Werner Köstler, bei Continental zuständig für den Fahrzeuginnenraum. Bei Continental weiß man: Das Geschäft mit der Sicherheit im Auto steht gerade erst am Anfang.

Vollbremsung bei Tempo 160 - das wäre womöglich der perfekte Mord

Autos, so die Botschaft von Fürstenfeldbruck, können heute von jedem Punkt der Welt aus attackiert werden. Früher musste man ein Auto schon in die Luft sprengen oder den Fahrer verletzen. Man musste ins oder nahe ans Auto kommen, um Fahrer und Fahrzeug zu schaden. Diese Nähe ist längst nicht mehr nötig. Wer selbst vernetzt ist, kann ein vernetztes Auto per Smartphone oder Computer angreifen. Je mehr Software, je mehr Vernetzung mit der Außenwelt, desto mehr Lücken für die Hacker. Denn Autos sind verletzlich: USB-Schnittstellen, CDs, Bluetooth - wenn Autos am Ende selbst zu Wlan-Hotspots werden, ist es für Hacker noch leichter, ein Auto zu kapern und in die Netzwerke von Elektronik und Minicomputern, die untereinander kommunizieren, einzudringen. Wer es schafft zu entern, gewinnt die Macht über das Auto. Er kann - zum Beispiel - das Auto bei Tempo 160 auf der Autobahn vollbremsen. Womöglich der perfekte Mord. Reifen sind wichtig, aber was sind Reifen ohne digitalen Verteidigungswall? Conti sei daher auf dem Weg, ein Technologiekonzern zu werden, sagt Köstler.

Ende vergangenen Jahres hat Conti das israelische Start-up Argus übernommen, eines der führenden Unternehmen auf dem Gebiet. Die Firma wurde vor fünf Jahren von Sicherheitsexperten gegründet, die ihr Handwerk beim israelischen Militär gelernt hatten. Genauer: Bei der legendären Eliteeinheit "Unit 8200", einer Art militärischem Inkubator für die heutige Start-up-Szene in Israel. Früher machten sie sich Gedanken über die Cyber-Sicherheit ihres Landes und seiner Außengrenzen. Heute sitzen sie mit den alten Reifenverkäufern am Tisch und entwerfen Cyber-Szenarien für das Autofahren von morgen.

"Es werden in den nächsten Jahren immer mehr digitale Botschaften ins Auto gesendet", sagt Yoram Berholtz von Argus. "Wo so viel rein- und rausgeht, muss das Auto lernen: Was sind gute und legale Botschaften, und wann will jemand mein Auto hacken?" Hat man einmal so ein Fahrzeug gehackt, dann sei es nur noch ein Frage von "Copy and Paste", um eine ganze Fahrzeugklasse zu hacken. Oder am Ende ganze Lkw-Kolonnen zu erpressen.

Früher, als Continental noch ein Reifenhersteller für jede Jahreszeit war, waren die Zeiten einfach. Es ging darum, frei und mobil zu sein. Künftig aber soll es darum gehen, so effizient wir möglich zu fahren. Keine Gefahr mehr durch abgelenkte Fahrer, keine Staus, alles soll fließen. Das Auto ist vernetzt, alles drumherum ist vernetzt, Autos können irgendwann ganz von alleine fahren. Sie werden Teil des "Internets of Everything".

Wie genau die Welt von morgen aussehen könnte, kann man sich in Science-Fiction-Filmen wie Steven Spielbergs "Minority Report" schon mal genauer anschauen. Wenn Tom Cruise durch Washington DC fährt und das Auto irgendwann zur Falle und der Straßenverkehr zur Dystopie wird, dann sehnt man sich nach alten VW-Käfern und Fahrten an den Gardasee; ganz ohne Cyberabwehr und ganz unvernetzt. Aber vielleicht kommt es auch ganz anders. Jedenfalls: Das Thema ist nicht sexy.

Und deshalb ist es nicht so, dass die Cyber-Experten sehr viel über ihre Strategien reden. "Am besten ist, wenn der Kunde überhaupt nichts davon merkt", sagt Conti-Mann Köstler. Weder von möglichen Cyberangriffen noch von der Abwehr. "Wir wollen die Kunden sensibilisieren, aber keine Ängste auslösen." Ohnehin, sagt Yoram Berholtz von Argus, gebe es "keine hundertprozentige Sicherheit". Man könne lediglich "den Hackern das Leben so schwer wie möglich machen".

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