Vatikanbank:Wer's glaubt

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Lange Jahre schaute niemand im Vatikan so genau auf die Geschäfte der hauseigenen Bank IOR. Jetzt läuft die Aufarbeitung der dunklen Geschäfte - und das sogar öffentlich. (Foto: Michael Kappeler/dpa)
  • Der Vatikan geht öffentlich gegen ehemalige Manager seines Finanzinstituts IOR vor.
  • Drei ehemalige Führungskräfte sollen sich bei einem schwungvollen Handel mit Immobilien bereichert und weitere Gelder veruntreut haben.
  • Zudem wurden mehrere Hunderte Millionen Euro in schwarzen Kassen entdeckt. Die Aufarbeitung bei der Vatikanbank dürfte also weitergehen.

Von Matthias Drobinski, München

Angelo Caloia ist nicht irgendwer. Angelo Caloia war zwei Jahrzehnte lang Präsident des "Istituto per le Opere di Religione", abgekürzt IOR, der Vatikanbank also; bis heute hat er Einfluss im konservativen Katholizismus in Italien und gilt als bestens vernetzt. Caloia brüstete sich immer damit, das IOR gerettet und auf den Pfad der Tugend zurückgeführt zu haben, damals, Ende der 80er-Jahre, als die Verbindungen der Vatikanbank zum organisierten Verbrechen ruchbar wurden. Nun aber hat die Vatikanbank selber den ehrenwerten Herrn angezeigt: Caloia soll, gemeinsam mit dem ehemaligen Generaldirektor Leilo Scalletti und dem Anwalt Gabriele Liuzzo, sehr viel Geld der Bank veruntreut haben, nach Informationen mehrerer Medien, die Eingeweihte der Süddeutschen Zeitung bestätigen, sind es mindestens 60 Millionen Euro. Der Mann, der sich lange als Retter der Vatikanbank stilisierte, könnte also im Gefängnis landen.

Die Vatikanbank hat Gelder der Mafia gewaschen

Die Geschichte des mutmaßlich ungetreuen Vatikanbank-Direktor hat zwei Seiten: Sie erzählt, wie tief und wie lange das IOR in kriminelle Machenschaften verwickelt war. Das Institut, das der christlichen Moral und Ethik hätte verpflichtet sein sollen, hatte keine Probleme damit, das Geld der Mafia zu waschen und eine Art Offshore-Paradies mitten in Europa zu sein. Und nicht irgendwelche kriminellen Angestellten waren es, die sich da bereicherten, der oberste Chef füllte sich offenbar bis ins Jahr 2008 hinein die eigenen Taschen.

Die Geschichte hat aber noch eine andere Seite: Seit zwei Jahren versucht der Vatikan, selber Licht in die dunkle Geschichte seiner Bank zu bringen. Und nun stellt die Zentrale der katholischen Kirche klar: Sie will in aller Härte Konsequenzen ziehen. Papst Benedikt XVI. hat diesen Prozess am Ende seiner Amtszeit begonnen, Papst Franziskus hat allem Anschein nach die Absicht, nicht locker zu lassen und sich notfalls mit den alten Eliten des vatikanisch-italienischen Katholizismus anzulegen.

Merkwürdige Immobiliengeschäfte des Managements

Aufgeflogen sind die Geschäfte im Sommer 2013. Der damalige Vatikanbank-Chef Ernst von Freyberg, seit Februar im Amt, hatte die amerikanische Unternehmensberatung Promotery Group beauftragt, die fast 19 000 Konten der Bank zu prüfen und die Inhaber zu identifizieren. So sollte endlich jene Transparenz in die Geschäfte der Vatikanbank kommen, die den internationalen Standards entsprach - immer wieder hatten die europäischen Finanzaufsichtsbehörden eklatante Mängel festgestellt. Dabei fielen die Konten der einstigen Führungsspitze auf.

Deren Geschäftsmodell ging, dem Vorwurf der Bank zufolge, so: Zwischen 2001 und 2008 verkaufte das IOR insgesamt 29 Immobilien. Eine Briefkastenfirma erwarb sie günstig von der Vatikanbank und verkaufte sie teuer weiter, auf Vermittlung von Caloia und seinen Helfern, die dann kräftig an den Geschäften mitverdienten. Im Januar 2014 zeigte die Vatikanbank dann die ehemaligen Manager an. Als die mitbekamen, dass gegen sie Ermittlungen der vatikanischen Staatsanwaltschaft liefen, versuchten sie, ihr bei der IOR geparktes Geld abzuziehen. Zu spät: Die Konten waren gesperrt, das Geld beschlagnahmt - immerhin fast 17 Millionen Euro. Verglichen mit dem vermuteten Schaden von mehr als 60 Millionen Euro ist das nicht allzu viel, ein Faustpfand ist es aber immerhin.

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Der Vatikan sucht die Öffentlichkeit

Neu an der Geschichte ist auch: Der Vatikan ist mit ihr offensiv an die Öffentlichkeit gegangen. Am Samstag bestätigten die Bank und auch Vatikansprecher Federico Lombardi die Anzeige gegen zwei ehemalige Manager und einen Anwalt "vor einigen Monaten"; man stehe nun einmal "zu der Selbstverpflichtung zu Transparenz und null Toleranz", heißt es in der Mitteilung des IOR, auch, was Vorgänge aus der Vergangenheit angehe. Den neuen Bank-Präsidenten Jean-Baptiste de Franssu zitiert die Erklärung ebenfalls: "Wir sind sehr froh, dass die vatikanischen Autoritäten mit Entschiedenheit vorgehen."

Schwarze Kassen in riesigem Umfang

Die Vorgänge aus der Vergangenheit jedenfalls dürfte das IOR noch lange beschäftigen - auch wenn die Vatikanbank, die ja nie eine echte Bank mit Laufkundschaft und Kreditabteilung war, im Zuge der Kurienreform mittlerweile umstrukturiert und der Aufsicht eines neu geschaffenen vatikanischen Finanzministeriums unter der Leitung des australischen Kardinals George Pell unterstellt wurde. Am Wochenende schrieb Pell in der englischsprachigen katholischen Wochenzeitung Catholic Herald, die Finanzreformer hätten im Vatikan mehrere hundert Millionen Euro entdeckt. "Es ist wichtig zu betonen, dass der Vatikan nicht pleite ist", verkündete Pell fröhlich. Das Geld sei auf "bestimmten Konten versteckt" gewesen und nicht in der Bilanz aufgetaucht.

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Nur bieten solche Funde selten Grund zu ungeteiltem Frohsinn. In diesem Fall zeigen sie, in welchem Ausmaß es im Vatikan schwarze Kassen gegeben hat und gibt. Kardinal Pell deutet die Probleme eher verharmlosend an, spricht von nebulösen Strukturen und Prozessen, und fährt fort: "Kongregationen, Räte und besonders das Staatssekretariat genossen und verteidigten eine gesunde Unabhängigkeit". Probleme seien "hausintern" gehalten" und Standards der modernen Buchhaltung ignoriert worden, so die Analyse des Kardinals, der auch zu jener Reformkommission gehört, die im Auftrag von Papst Franziskus alle Strukturen der Kurie untersuchen sollen.

Angelo Caloia dementiert unterdessen, Geld der Vatikanbank veruntreut zu haben. "Fassungslos, erstaunt und zutiefst entmutigt versichere ich, dass ich absolut unbeteiligt bin", erklärte der 75-Jährige am Montag. Das Amt als Präsident der Mailänder Dombauhütte, wo sich die Wichtigen und Mächtigen der Stadt versammeln, hat er aber abgegeben.

© SZ vom 09.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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