USA:Hausverkauf - ganz bequem

Sogenannte Ibuyers bieten Immobilienbesitzern eine schnelle Abwicklung an - innerhalb von wenigen Tagen. Billig ist das nicht, doch das Interesse steigt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Mit der digitalen Disruption verhält es sich meistens so: Es gibt eine Idee, das Vernetzen der Welt über soziale Netzwerke zum Beispiel, das Vermitteln von Fahrgemeinschaften und Wohnungen oder das Anbieten von Videotelefonie. Dienste, die das Leben vereinfachen sollen, und die Welt, das ist das ganz große Versprechen der Entwickler, zu einem besseren Ort machen. Meist sind diese Angebote auch noch kostenlos oder zumindest preiswerter als die existierenden analogen Angebote. Warum sollten die Leute also nicht mitmachen, wenn es bequemer und billiger ist? Warum sollten sie nicht ihr komplettes Leben veröffentlichen? Zu Fremden ins Auto steigen oder bei ihnen übernachten? Was soll schon passieren?

Es ist zugegebenermaßen sehr bequem, wenn man auf einer Homepage den Wert eines Hauses überprüfen und nebenbei auch mal gucken kann, was die Hütte des Nachbarn wert ist. Neugierde und Neid sind schließlich zwei der wichtigsten Gründe für den Erfolg sozialer Netzwerke. Immer mehr Menschen finden es auch bequem, ihr eigenes Haus auf einer solchen Plattform anzubieten, zumal die Betreiber der Plattform ein verbindliches Angebot innerhalb weniger Tage versprechen.

USA: Haussuche online einschließlich virtueller 3D-Tour durch die Räume oder schlicht nur Preisvergleich: Die Angebote der Immobilien-Plattformen mit ihren großen Datenbanken werden gern genutzt.

Haussuche online einschließlich virtueller 3D-Tour durch die Räume oder schlicht nur Preisvergleich: Die Angebote der Immobilien-Plattformen mit ihren großen Datenbanken werden gern genutzt.

(Foto: Blake Wheeler/Unsplash)

Der Anbieter Zillow hat Daten von 110 Millionen Gebäuden in den USA gespeichert

Seit zwölf Jahren gibt es in den USA die Immobilien-Datenbank Zillow, auf der die Leute Häuser und Wohnungen zum Kauf einstellen konnten, später kam der Mietmarkt hinzu, seit etwa einem Jahr gibt es auch virtuelle 3D-Touren durch einige Gebäude. Zillow sammelt diese Daten, inklusive tatsächlicher Kaufpreise und Wertveränderungen - die Nutzer geben das freiwillig bekannt. Das Unternehmen soll mittlerweile Informationen über mehr als 110 Millionen Gebäude besitzen. Jetzt will Zillow diesen Datenschatz auch selbst nutzen: Das Unternehmen ist als Käufer und Verkäufer in den Markt eingestiegen, mit dem Angebot "Zillow Offers", das es nach ersten Testläufen in kleineren Regionalmärkten nun auf wichtige Regionen wie etwa Südkalifornien ausweitet. Ibuyers werden diese Unternehmen genannt - das "i" soll die digitale Disruption signalisieren, eine Reverenz an Apple, dem das einst mit dem iPhone gelang. Diese Ibuyers versprechen einem Verkäufer innerhalb weniger Tage ein Angebot - ohne Makler, ohne nervige Hausbesichtigungen, ohne zähe Verhandlungen, die komplette Transaktion kann in einer Woche abgewickelt werden. Schnell soll das sein, das Leben der Menschen vereinfachen und die Welt verbessern.

Es gibt bereits einige Firmen, die das anbieten: Opendoor, Owning, Knock, Realogy, Redfin oder OfferPad. Auch die Idee selbst ist nicht neu, in der analogen Welt bieten Makler hin und wieder an, ein Haus selbst zu kaufen. Neu hingegen sind der Informationsvorsprung und die finanziellen Möglichkeiten dieser Unternehmen. Noch einmal: Zillow sammelt seit mehr als zehn Jahren detaillierte Daten über Immobilien und kennt deshalb die Entwicklung der Preise wie kaum ein anderer - nicht nur von einzelnen Häusern, sondern von kompletten Gegenden und Städten. Zillow ist, wie die Konkurrenten Realogy und Redfin auch, an der Börse notiert und wird derzeit mit 6,6 Milliarden Dollar bewertet, es sollen knapp 1,6 Milliarden Dollar für Investitionen bereitstehen. "Unsere Datenbank ermöglicht uns, Häuser bereits zu vermarkten, bevor sie wieder auf den Markt kommen", sagt Zillow-Chef Spencer Rascoff.

Spencer Rascoff

"Unsere Datenbank ermöglicht uns, Häuser bereits zu vermarkten, bevor sie wieder auf den Markt kommen", sagt Zillow-Chef Spencer Rascoff.

(Foto: Richard Drew/AP)

Es funktioniert so: Wer sein Haus verkaufen will, gibt seine Adresse ein, lädt Fotos hoch und beantwortet ein paar Fragen zum Zustand des Hauses. Zillow verwendet seinen Schätz-Algorithmus "Zestimate", schickt einen örtlichen Makler zur Besichtigung vorbei und gibt zwei Tage später ein Angebot ab. Nimmt der Verkäufer das Angebot an, kann er einen Zeitraum zwischen sieben und 90 Tagen auswählen, innerhalb dessen der Deal abgeschlossen sein sollte. Seit April vergangenen Jahres haben den Angaben zufolge mehr als 20 000 Leute in Phoenix, Las Vegas, Atlanta und Denver - nur dort war der Service bislang verfügbar - ein Angebot eingeholt.

Die Ibuyers verzichten sowohl auf der Käufer- also auch auf der Verkäuferseite auf einen Makler, sie ersetzen also die Mittelsmänner, die bislang an fast allen Transaktionen mit Immobilien beteiligt waren. Allerdings verlangt Zillow je nach Zustand des Hauses eine Provision von sechs bis neun Prozent - normalerweise beträgt die Courtage in den USA zwischen fünf und sechs Prozent und ist damit im internationalen Vergleich ohnehin schon hoch. "Zillow Offers" ist ein Angebot an all jene, die ihr Haus möglichst schnell loswerden möchten, weil sie womöglich schon ein neues gekauft haben, und die sich die zeitraubenden Aspekte wie Besichtigungen, Verhandlungen sowie - was auch vorkommt - geplatzte Deals wegen geplatzter Finanzierung ersparen wollen.

Prognosen zufolge könnten 2021 zehn Prozent aller US-Hauskäufe von Ibuyers abgewickelt werden

Vorsichtigen Prognosen zufolge könnten im Jahr 2021 bereits zehn Prozent aller Hauskäufe in den USA von Ibuyers abgewickelt werden. Zillow-Chef Rascoff sagt, dass derzeit mehr als 90 Prozent der Verkäufer das Zillow-Angebot ablehnen würden und dass sein Unternehmen auch nicht in ein Wettbieten mit anderen Interessenten einsteigen wolle. Zillow kann es sich im Moment auch noch nicht leisten, analoge Makler allzu sehr zu verprellen, schließlich generiert das Unternehmen etwa zwei Drittel seiner Einnahmen über sogenannte "Premier Agents" - also Makler mit Premium-Account.

Zillow hat gerade erst begonnen, den amerikanischen Immobilienmarkt zu erobern, es verdient beim Kauf eines Hauses über die Prämie und danach beim Weiterverkauf auf der eigenen Plattform (der innerhalb von 90 Tagen erfolgen soll, je nach Reparatur oder Renovierung) möglicherweise noch einmal. Die ersten Erfolge in kleineren Märkten zeigen aber, dass es durchaus Interesse an den schnellen Angeboten gibt.

Nun geht es in größeren US-Märkten los, in Südkalifornien, Houston und Charlotte, weitere sollen folgen. In Europa gibt es bereits den finnischen Ibuyer Kodit, der vor Kurzem bei der ersten Finanzierungsrunde 1,7 Millionen Euro eingesammelt hat. Auch im europäischen Immobilienmarkt ist die Disruption also schon angekommen.

Zillow hat sich über das Datensammeln in den vergangenen zwölf Jahren in den USA einen enormen Informationsvorsprung verschafft - nicht nur gegenüber Konkurrenten, sondern auch gegenüber möglichen Käufern und Verkäufern. Das Unternehmen kann es sich leisten, eine Prämie von Kunden für die rasche Abwicklung zu verlangen. Die zahlen also einen Preis dafür, dass alles so wunderbar bequem ist - aber das soll ja häufiger vorkommen bei der digitalen Disruption.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: