US-Strafzölle gegen China:Aus dem Handelsstreit wird ein Handelskrieg

Trump-Xi summit at Trump's Mar-a-Lago estate in Florida

US-Präsident Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping bei einem Treffen im April 2017.

(Foto: AFP)
  • Trump verhängt Strafzölle von 50 Milliarden Dollar auf Waren aus China.
  • China reagiert seinerseits mit Zöllen auf 545 amerikanische Produkte.
  • Es wird deutlich: Trump setzt auf Eskalation und zwar ohne Rücksicht auf jene Staaten, die zusammen mit den USA einmal den Westen bildeten.

Von Christoph Giesen, Peking, Alexander Hagelüken und Alexander Mühlauer, Brüssel

Frieden stand nur ganz kurz auf der Agenda von Donald Trump. Noch am Dienstag präsentierte er sich beim historischen Treffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un als Pfleger der Weltgemeinschaft. Am Freitag kehrte der amerikanische Präsident zu seinem Kerngeschäft zurück: Streit.

Wie im März angekündigt, verhängte Trump Strafzölle von 50 Milliarden Dollar auf Waren aus China. Er wirft der Wirtschaftsmacht in Fernost vor, systematisch das geistige Eigentum von US-Firmen zu verletzen. Trump will nicht nur das Handelsdefizit senken, er will auch den Plan Chinas torpedieren, die heimischen Zukunftsindustrien zu stärken. Betroffen von den amerikanischen Zöllen dürften vor allem Firmen sein, die Handys, Kameras oder Kühlschränke produzieren. Beim Haushaltsgerätehersteller Midea liegt der Exportanteil bei 40 Prozent, bei der Elektronikfirma TCL sogar um die 44 Prozent.

Hunderttausende Wanderarbeiter könnten arbeitslos werden

"Das ist jetzt die Eskalation", sagt Jens Südekum, Handelsexperte an der Universität Düsseldorf. Die USA haben bereits Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus China, Europa und anderen Regionen verhängt, allerdings sind diese Branchen vergleichsweise klein. Die Regierung in Peking kündigte umgehend Gegenmaßnahmen gegen die neuen US-Zölle an, die vom 6. Juli an einen Aufschlag von 25 Prozent auf 1100 Produkte bedeuten. In Brüssel ist die Sorge groß, dass Trump mit seiner Attacke einen globalen Handelskrieg auslöst, der auch Europa hart trifft.

Auch DIHK-Präsident Eric Schweitzer warnte: "Bloß weil Deutschland diesmal nicht direkte Zielscheibe ist, heißt das nicht, dass wir fein heraus sind. Im Gegenteil: Die Einführung von Strafzöllen der USA gegenüber China trifft auch die deutsche Wirtschaft."

Welche Auswirkungen haben Trumps Zölle direkt? So exportabhängig wie noch vor einigen Jahren ist Chinas Volkswirtschaft nicht mehr. Nur noch etwa 20 Prozent der Wirtschaftsleistung basieren auf Ausfuhren. Die meisten Firmen, die von den Zöllen der USA betroffen sind, produzieren in Südchina, im Perlflussdelta. Die Sorge dort ist vor allem eine soziale: Hunderttausende Wanderarbeiter könnten plötzlich arbeitslos werden.

China müsse seine legitimen Rechte und Interessen entschlossen schützen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Freitag. Am Samstagmorgen verkündete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua dann die ersten Gegenmaßnahmen, die vom 6. Juli an gelten sollen. Zunächst werde Peking Strafzölle auf 545 US-Produkte im Wert von 34 Milliarden Dollar erlassen. Diese zielten auf Agrargüter, Autos und Meeresfrüchte ab. In einer weiteren Runde würden Zölle auf 114 Produkte im Umfang von 16 Milliarden Dollar erhoben, die vor allem Chemikalien, medizinisches Gerät und Energieerzeugnisse betreffen werden, hieß es.

Schon im April hatte Peking eine Liste mit US-Exportprodukten im Wert von 50 Milliarden Dollar vorgelegt, bei deren Einfuhr künftig eine zusätzliche Abgabe von 25 Prozent fällig werden könnte. Diese Vergeltungsmaßnahmen zielten auf US-Produkte aus industriellen ländlichen Regionen, wo viele Trump-Wähler leben. Auf deren Stimmen sind die Republikaner bei der Kongresswahl im Herbst angewiesen. Zu den Produkten gehören Soja, Rindfleisch, Baumwolle und Flugzeuge. Allein bei Soja machen die chinesischen Importe 14 Milliarden Dollar im Jahr aus.

Und der Konflikt könnte sich weiter ausweiten: Betroffen wären dann amerikanische Unternehmen. Wie das aussehen kann, hatte ein chinesisches Parteiblatt schon kurz nach Donald Trumps Wahlsieg skizziert: "Eine Charge von Boeing-Aufträgen würde durch Airbus ersetzt, amerikanische Autos und iPhones hätten es schwer in China." Welche Firmen im Fokus stehen, listete kürzlich die Volkszeitung, das Sprachrohr der Kommunistischen Partei auf: Boeing, Apple, Intel, Qualcomm und Texas Instruments. Apple zum Beispiel setzt pro Quartal 18 Milliarden Dollar in China um - das entspricht 20 Prozent des weltweiten Absatzes. Boeing ist mit 13 Prozent des Umsatzes ähnlich abhängig.

Deutliche Zugeständnisse

Monatelang versuchten die Chinesen, mit Trumps Leuten zu verhandeln. Zuletzt war Peking bereit, deutliche Zugeständnisse zu machen und das Handelsdefizit mit den Vereinigten Staaten dramatisch zu senken. 70 Milliarden und mehr stehen im Raum. Chinesische Unternehmen könnten per Befehl von oben amerikanische Produkte ordern. Trotzdem verkündete Trump am Freitag die neuen Zölle. Es laufe im Handel seit Langem unfair. Die Situation sei einfach nicht länger hinzunehmen. "China ist Trumps Hauptgegner", erklärt der Düsseldorfer Ökonom Südekum. "Das Handelsbilanzdefizit ist ja sein Fetisch". Drei Viertel des Leistungsbilanzdefizits der USA komme aus dem Handel mit China.

Beim Handel mit Europa ist die Lage anders. Zwar exportiert auch die EU deutlich mehr nach Amerika als umgekehrt. Gleichzeitig erzielen die USA bei Dienstleistungen und Unternehmensgewinnen vor allem ihrer Digitalkonzerne von Amazon bis Google einen großen Überschuss gegenüber Europa. Der Handel mit China dagegen sei "eine reine Einbahnstraße", sagt Südekum. "Trump ist besessen davon, dass die Jobs für alte weiße Männer in die amerikanischen Fabriken zurückkommen."

Es geht dem US-Präsidenten offenbar aber auch um die industrielle Vorherrschaft in der Zukunft. So enthält die Strafzoll-Liste auch Hochtechnologie wie Satelliten, Halbleiter oder Batterien für selbstfahrende Autos. Diese Güter exportiert China noch kaum. "Das sind Präventivzölle. Der Zugang zum US-Markt wird präventiv blockiert", sagt Südekum.

Trump hatte in der Vergangenheit gefordert, die chinesische Regierung solle das Industrieprogramm "Made in China 2025" aufgeben. Im Jahr 2015 verkündet, ist dies die ehrgeizigste industriepolitische Agenda der Welt. Mit Hunderten Milliarden Dollar fördert der Staat in den kommenden Jahren die heimische Wirtschaft, um chinesische Weltmarktführer in etlichen Branchen zu schaffen, in der Medizintechnik genauso wie im Halbleiter- oder Autobau. In Washington, aber auch in Berlin oder in Paris stößt das auf Widerstand. Peking ist bei diesen Subventionen, anders als beim traditionellen Handel, bisher kaum zu Zugeständnissen bereit.

Trump setzt auf Eskalation

Die EU-Kommission wollte die Entscheidung des US-Präsidenten am Freitag offiziell nicht kommentieren. Klar aber ist: Trump setzt auf Eskalation und zwar ohne Rücksicht auf jene Staaten, die zusammen mit den USA einmal den Westen bildeten. Das Angebot der Europäer, gemeinsam gegen China vorzugehen, hatte er ausgeschlagen. Dabei sind sich die Europäer mit Trump in der Sache durchaus einig. Gerade mal zwei Wochen ist es her, da verklagte die EU China vor der Welthandelsorganisation WTO. Der Grund ist im Kern kein anderer als jener Trumps: Auch die EU sieht das geistige Eigentum ihrer Unternehmen in Gefahr. Aus Sicht der Kommission unter-gräbt die derzeitige chinesische Gesetzgebung die Rechte europäischer Firmen. Sie würden gezwungen, chinesischen Betrieben Eigentums- oder Nutzungsrechte für ihre Technologien zu gewähren. Vereinbarungen über Technologietransfers könnten nicht frei ausgehandelt werden.

Handelskommissarin Cecilia Malmström meint, man könne es schlicht nicht zulassen, dass hart erarbeitetes Wissen an einer Grenze abgetreten werden müsse. "Das ist gegen die internationalen Regeln, auf die wir uns alle in der WTO geeinigt haben", sagte sie am Tag der EU-Klage. Wenn sich die großen Player nicht darin hielten, drohe das System zusammenzubrechen.

"Trump zeigt dem Multilateralismus im Welthandel die rote Karte"

Das scheint Trump aber egal zu sein. So weigern sich die USA seit Längerem, neue Richter bei der WTO einzusetzen. "Trump zeigt dem Multilateralismus im Welthandel die rote Karte", sagt ein EU-Diplomat. Die Europäer sollten sich seit dem G-7-Gipfel keine Illusionen mehr machen: "Trump war in seinem früheren Leben ein Geschäftsmann und genauso agiert er auch als Präsident. Des anderen Nachteil ist sein Vorteil. Am Kompromiss, der beiden Seiten entgegenkommt, scheint er nicht interessiert zu sein."

Trotzdem sind die Europäer fest entschlossen, es wenigstens weiter zu versuchen. Vor allem eine Frage treibt sie um: Macht Trump seine Drohung wahr und verhängt auch Zölle auf Autos? Nachdem er das Wirtschaftsministerium angewiesen hat, zu prüfen, ob Autoimporte aus Europa die nationale Sicherheit der USA gefährdeten, ist die EU alarmiert. Die Kommission versucht, wie bei Stahl und Aluminium mit Fakten dagegenzuhalten - und so in Washington Einfluss zu nehmen. Mit dieser Strategie ist sie bisher nicht durchgedrungen. Am Ende entschied Trump, Zölle auf europäischen Stahl zu verhängen.

Ökonom Südekum schlägt vor, Europa solle die Gesprächskanäle offen halten. "Das sind alte Techniken aus der Zeit des Kalten Kriegs". Im Kalten Krieg zwischen Ost und West standen USA und Europa allerdings auf der gleichen Seite.

Mit Material von AP.

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