Urteil im Fall Zumwinkel:Bewährung? Bewährung!

Der Fall des Managers Klaus Zumwinkel: Ein Exempel, an dem kein Exempel statuiert wurde.

Heribert Prantl

Viele hätten ihn gern hinter Gittern gesehen: Zumwinkel als Exempel für Gier und Gewissenlosigkeit. Zumwinkel als Symbol für die Verderbtheit der Großmanager. Zumwinkel als Repräsentant eines Systems der Selbstbedienung, als Personifikation all der Eigenschaften, die zur Finanzkatastrophe geführt haben.

Weil sein Fall am Beginn des Verfalls des alten Finanzsystems steht, gilt Zumwinkel vielen auch als derjenige, mit dem die große Krise begann. Auf dem Beschuldigten Zumwinkel ist daher in den vergangenen Monaten der Zorn der Gesellschaft abgeladen worden.

Bei der Justiz war Zumwinkel nur der Steuerhinterziehung angeklagt, von der Öffentlichkeit auch der Vertrauenshinterziehung, ja der moralischen Anarchie. Mit dieser Anklage verbanden sich Straferwartungen, die kein Gericht erfüllen konnte. Zumwinkel ist nun, wie allseits vorausgesagt, zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das ist sehr milde, aber vertretbar.

Die öffentlichen Erwartungen wären auch mit einer Haftstrafe von zwei oder drei Jahren ohne Bewährung nicht erfüllt worden. Das Übermaß der Straferwartungen korrespondiert mit dem Übermaß an Macht, das Zumwinkel einst hatte: Er saß in den Aufsichtsräten der bedeutendsten privatisierten deutschen Staatsbetriebe.

Der Sündenbock wurde früher in die Wüste getrieben. Zumwinkels Wüste hätte das Gefängnis sein sollen: Über solche Erwartungen der Gesellschaft muss man sich nicht lustig machen. Diese Erwartungen sind Teil einer berechtigten Empörung und Teil der Hoffnung auf eine Erneuerung des Systems, von der bisher so wenig zu sehen ist.

In einer solchen Situation ist der Glaube an die gesellschaftsmedizinische Kraft des Strafrechts noch größer als sonst. Dieser Glaube ist ein Irrglaube - weil eine Strafe nur die Tat bestrafen kann, weil das Gericht Zumwinkel also nur für seine Steuerhinterziehung zur Verantwortung ziehen konnte, nicht aber für die Schlechtigkeit des Systems und auch nicht für die unseligen Privatisierungsorgien, die der Manager Zumwinkel einst mitgefeiert hat.

Das Strafrecht ist ein hölzerner Handschuh; Reparaturen in der Gesellschaft sind mit ihm kaum zu bewerkstelligen. Trotzdem sind diese Reparaturarbeiten notwendig.

Bis zum Platzen der Finanzblase haben sich Großmanager und ihre Unternehmen dumm und dämlich verdient; die Zeche dafür zahlt der Steuerzahler mit Milliardenkrediten. Die Politik wird überlegen müssen, wie man die Profiteure des alten Systems zur Kasse bitten kann, diejenigen also, die so aberwitzig finassiert und abkassiert haben, dass jetzt der Staat der Wirtschaft mit aberwitzigen Summen aufhelfen muss.

Die Gesellschaft steht vor einem Abgrund von ungerechtfertigter Bereicherung, und es ist an der Zeit, diesen Abgrund auszuleuchten. Das freilich war nicht Aufgabe des Steuerstrafverfahrens gegen Zumwinkel.

Der Fall des Klaus Zumwinkel war und ist ein Exempel, an dem kein Exempel statuiert wurde.

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