Unternehmensfinanzierung:Alles fließt - aber nicht für alle

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Sprudelnde Kapitalquellen: Im Frühjahr 2016 installierte der Licht- und Wasserkünstler Ólafur Elíasson im Schlosspark von Versailles einen Wasserfall. Die Rohre dafür lieferte das Unternehmen Pe Tec. (Foto: oh)

Unternehmen finanzieren sich immer noch am liebsten über Bankkredite und eigene Mittel. Trotz niedriger Zinsen tun sich aber bonitätsschwache Firmen schwer bei ihrer Finanzierung.

Von Norbert Hofmann

Der deutsche Mittelstand ist mit der Entwicklung an seinem Heimatmarkt zufrieden und optimistischer als Firmenchefs in anderen Ländern. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Global Business Monitor des Finanzdienstleisters Bibby Financial Services, der Antworten von Unternehmen in den USA, Europa und Asien ausgewertet hat. Die Zufriedenheit spiegelt sich in den Finanzierungsvorlieben wider. Am liebsten reinvestiert der Mittelstand seine Gewinne oder er setzt auf den Bankkredit. Nur zehn Prozent schätzen den Zugang zu externen Finanzierungen als schlecht ein.

Wer in den bankeninternen Ratings nicht so gut abschneidet, kann Probleme bekommen

"Einbehaltene Gewinne und klassische Bankkredite sind nach wie vor die zentralen Säulen der Finanzierung im Mittelstand", bestätigt Max Leitterstorf, Professor an der WHU - Otto Beisheim School of Management. Nicht alle Firmen allerdings haben die gleichen Chancen. Grund dafür sind auch die Vorgaben des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, die den Banken eine Unterlegung der Kredite mit Eigenkapital vorschreiben. Unternehmen mit guter Bonität haben leichteren Zugang zu Fremdkapital. Wer in den bankeninternen Ratings nicht so gut abschneidet, kann Probleme bekommen. "Da die einzelnen Institute die Bonität oft unterschiedlich bewerten, lohnt es sich jedoch, mit mehreren Banken über eine Finanzierung zu reden", sagt Leitterstorf.

Dank des guten wirtschaftlichen Umfelds sind derzeit viele Firmen gern gesehene Kreditkunden. Zunehmend sind sie sogar überhaupt nicht auf Fremdkapital angewiesen, weil sie ihre Eigenkapitalquote gestärkt haben. "Die Spanne reicht bei größeren Unternehmen von zehn bis 50 Prozent, der Durchschnitt liegt bei etwa 30 bis 35 Prozent", sagt Michael Barfuß von der Beratungsgesellschaft Network Corporate Finance (NCF). Seit der Finanzkrise 2008 investieren die Firmen zurückhaltender. "Sie haben erkannt, dass Investitionen, die fast ausschließlich mit Fremdkapital finanziert sind, gefährlich werden können", sagt Barfuß.

An Mut mangelt es dennoch nicht. Das gilt auch für kleinere Mittelständler wie das auf den Vertrieb von Kunststoffrohren spezialisierte Handelsunternehmen Pe Tec, das seit Jahren mit zweistelligen Raten wächst. Das im Firmennamen enthaltene Kürzel Pe steht für den Basisstoff Polyethylen, der als besonders rein, beständig und umweltfreundlich gilt. Um die daraus gefertigten Rohrsysteme für Kunden aus dem Tiefbau, Anlagenbau und der Versorgungswirtschaft zeitnah bereitzuhalten, muss das Unternehmen nun in größere Lagerflächen investieren. "Wir standen vor der Entscheidung, entweder klein zu bleiben oder den Schritt zu wagen", sagt Firmenchefin Herta Meiershofer.

Der Kauf des 13 700 Quadratmeter großen Betriebsgeländes war angesichts der hohen Grundstückspreise im Speckgürtel Münchens eine Herausforderung. Hätte die Firma nur die Kredite der drei Hausbanken genutzt, wäre die Eigenkapitalquote deutlich gesunken und die Bankfinanzierung teuer geworden. Pe Tec entschied sich deshalb, eine stille Beteiligung der Bayerischen Beteiligungsgesellschaft (BayBG) einzubeziehen, die die Eigenkapitalquote erhöht und dennoch nicht mit operativen Mitspracherechten des Kapitalgebers verbunden ist. Aufgrund der positiven Wirkung auf die Bonität war die Gesamtfinanzierung nun günstiger. "Die stille Beteiligung gibt uns zudem mittel- bis langfristig Stabilität und ist auch wichtig für unser Ansehen bei den Kunden, die auf die finanzielle Gesundheit ihrer Lieferanten achten", sagt Meiershofer.

Auch bei Nachfolgeregelungen, Wachstumsstrategien durch Firmenkauf oder der Expansion ins Ausland sind besondere Finanzierungslösungen gefragt - zum Beispiel wenn mittelständische Zulieferer den Autoherstellern in neue Märkte folgen. "Das ist oft risikoreicher als das normale Geschäft und die Banken raten den Unternehmen dann, eigenkapitalnahe Instrumente in die Gesamtfinanzierung einzubinden", sagt Sonnfried Weber, Sprecher der BayBG-Geschäftsführung.

Ungeachtet dessen nutzen die Unternehmen vorrangig den klassischen Bankkredit. Die Zinsen sind niedrig und die Anforderungen an die Dokumentation teilweise geringer als in früheren Zeiten. "Geld ist derzeit günstig zu haben und es werden deshalb vor allem lange Laufzeiten nachgefragt", sagt Sandra Heinrich, Leiterin Spezialberatung Finanzierung bei der Deutschen Bank. Sie beobachtet zudem ein Interesse an Schuldscheindarlehen, die als verbriefte Kredite ab einem Volumen von zehn Millionen Euro für ein Finanzierungsfundament mit relativ flexiblen Laufzeitmöglichkeiten sorgen können. Auch der Forderungsverkauf über Factoring zur Absicherung von Ausfallrisiken zur kurzfristigen Umsatzfinanzierung und aus Gründen der Bilanzpolitik ist gefragt. Ebenso gilt Leasing als interessante Finanzierungsalternative. "Kunden wählen es regelmäßig anstatt des klassischen Bankkredits bei der Anschaffung einer Anlage, sofern das Eigentum an diesem Objekt nicht im Vordergrund steht", sagt Heinrich.

Im gehobenen Mittelstand sind Finanzierungsanlässe stark expansionsgetrieben. Gerade diese Unternehmen sind oft gut dafür gewappnet. Das belegt eine Studie der Beratungsgesellschaft Alix Partners zu den Kapitalstrukturen der großen Maschinenbauer weltweit. Demnach sind die deutschen Unternehmen nach der Schweiz am niedrigsten verschuldet. Danach folgt noch vor den großen europäischen Ländern Japan, während die US-Maschinenbauer am aggressivsten auf Fremdkapital setzen. "Die Studie bestätigt die traditionell solide Kapitalausstattung des klassischen deutschen Mittelstands in Familienhand", sagt Jan Kantowsky von Alix Partners. Größere Firmen mit häufig guter Bonität haben zudem Unternehmensanleihen ausgegeben. Dabei ging es um Emissionsvolumina, die oberhalb der im angeschlagen Marktsegment für Mittelstandsanleihen üblichen Größen lagen.

Die günstigen Konditionen bei Bankkrediten sind angesichts der anstehenden Investitionen rund um die digitale Fertigung willkommen. Allerdings gilt es schon jetzt an eine mögliche Zinswende zu denken. "Die Unternehmen sollten darauf achten, dass sie nicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt große Summen auf einen Schlag refinanzieren müssen", warnt Kantowsky.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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