Umstrittener Firmenflieger von Thyssen-Krupp:Abgehoben

Der Stahlkonzern Thyssen-Krupp steckt in einer existenziellen Krise und streicht etwa 5000 Stellen. Für seinen Vorstand hat das Unternehmen jedoch einen eigenen Firmenjet - mindestens 8000 Euro kostet damit ein Flug von Düsseldorf nach Berlin.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf

In Konzernen mit großer Tradition leben Relikte der reichen Vergangenheit manchmal lange fort. Ein Überbleibsel aus besseren Tagen ist bei Thyssen-Krupp die Falcon 2000. Der Jet aus dem Hause Dassault bringt es auf 900 Stundenkilometer und eine Flughöhe von 14.300 Metern. Er schafft es ohne Stopp von Boston nach San Francisco. Er kann aber auch eine Menge Unmut verursachen - und Kosten.

Eine Reise mit dem exklusiven Flieger, etwa von Düsseldorf nach Berlin hin und zurück, kostet nach Informationen der Süddeutschen Zeitung mindestens 8000 Euro. Pro Flugstunde inklusive Stewardess und Pilot sind etwa 4000 Euro zu veranschlagen. Wenn die Thyssen-Krupp-Manager hingegen per Linienflug die kurze Strecke nach Berlin zurücklegten, würde das den angeschlagenen Konzern selbst in der Business-Class nicht viel mehr als 600 Euro kosten.

"Der Firmenflieger passt nicht in die Zeit"

Dennoch hält Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger bisher an dem Firmenflieger fest. Mehr noch: Er drängte im Konzern gar darauf, dass Vorstandskollegen und Spartenchefs die Falcon nutzen. Damit solle die Auslastung des Fliegers erhöht werden, seit der Konzernvorstand nur noch aus drei Managern besteht, heißt es. Im vergangenen Geschäftsjahr sei die Maschine trotzdem nicht ausgelastet gewesen und habe Verluste verursacht.

Thyssen-Krupp wollte sich dazu am Freitag nicht im einzelnen äußern. Im Rahmen der umfassenden Veränderungen im Konzern habe der Vorstand unter anderem beschlossen, den Betrieb des Firmenflugzeugs zu überprüfen, sagte ein Sprecher. "Diese Überprüfung dauert noch an." Insidern zufolge ist mit dem Thema neben dem Vorstand auch eine interne Arbeitsgruppe seit längerem beschäftigt.

Der Luxus eines eigenen Flugzeuges birgt angesichts der schwierigen Lage des Konzerns einige Brisanz. Thyssen-Krupp steckt in einer existenziellen Krise. Zum dritten Mal in Folge hatte der Ruhrkonzern Ende November einen Verlust in Milliardenhöhe bekanntgeben müssen. Die Eigenkapitalquote lag zuletzt bei 9,4 Prozent. Um Kosten zu senken, streicht Hiesinger etwa 5000 Stellen. "Der Firmenflieger passt nicht in die Zeit", resümiert ein hochrangiger Manager. Einigen sei es peinlich, das Flugzeug zu nutzen.

Firmenflieger sind längst nicht mehr selbstverständlich

Schon unter Hiesingers Vorgänger Ekkehard Schulz soll der Verkauf öfter Thema gewesen sein. Doch die Befürworter hätten sich bisher immer durchsetzen können, hieß es. Vor knapp zwei Jahren sei der Jet noch einmal umgebaut worden. Im Innenraum gebe es seither eine moderne Telefonanlage. Außen seien neue Flügelspitzen angebracht worden, die Treibstoff sparen sollen. Die rechnen sich allerdings nach Auskunft von Fachleuten nur, wenn solch ein Flieger jeden Tag sehr lange in der Luft sei. Das trifft auf die Thyssen-Krupp-Maschine aber nicht zu. Dass die Maschine umgebaut wurde, war offenbar seinerzeit ein Kompromiss. Frühere Spitzenmanager hätten sogar für einen Betrag in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe einen neuen Flieger kaufen wollen, obwohl der Konzern auch damals schon Milliardenverluste schrieb. Auch dazu wollte sich Thyssen-Krupp am Freitag nicht äußern.

Die Maschine bringt nicht zum ersten Mal Unruhe in den Konzern. Der Verdacht, dass bei der Abrechnung von Flügen gegen Steuergesetze verstoßen wurde, hatte Ermittlungen der Essener Staatsanwaltschaft nach sich gezogen.

Ohnehin ist ein Firmenflieger in deutschen Großkonzernen längst nicht mehr selbstverständlich. Selbst profitable Dax-Konzerne verzichten zum Teil auf das Status-Symbol. Bei Bayer, Henkel oder Linde etwa müssen die Vorstände in der Regel Linienflüge nehmen. Wenn das nicht möglich ist, greifen manche Konzerne notfalls auf Chartermaschinen zurück. Aber selbst beim Anmieten von Fliegern fallen insgesamt niedrigere Kosten an, weil die bei einer eigenen Maschine kaum zu vermeidenden Leerflüge entfallen - wie auch die Wartungskosten. Auch Investoren sehen solche Extravaganzen nicht gern. Vor allem dann nicht, wenn zum wiederholten Male die Dividende ausfällt - wie bei Thyssen-Krupp.

An heiklen Themen wird es bei der Hauptversammlung nicht fehlen

Hauptursache für die Misere des Essener Konzerns sind milliardenschwere Fehlinvestitionen beim Bau neuer Stahlwerke in Übersee. Zwar gelang Hiesinger inzwischen der Verkauf eines der Werke im US-Bundesstaat Alabama. Der Verkaufspreis blieb mit 1,1 Milliarden Euro allerdings deutlich unter den Erwartungen von Investoren. Und die verlustträchtige Hütte in Brasilien muss Thyssen-Krupp vorläufig weiterbetreiben. Wegen der desolaten Situation würden die Investoren hinter den Kulissen immer unzufriedener, verlautete aus informierten Kreisen. Die jüngsten Rückschläge wie beispielsweise der gescheiterte Verkauf in Brasilien und die teilweise Rückabwicklung des Edelstahl-Geschäfts strapazierten die Geduld der Anteilseigner zusätzlich.

Am kommenden Freitag werden sich die Thyssen-Krupp-Verantwortlichen auf der Hauptversammlung in Bochum den Fragen der Aktionäre stellen müssen. Dass der neue Großaktionär Cevian Capital das Aktionärstreffen als Forum nutze und in der Öffentlichkeit deutliche Worte spricht, sei nicht zu erwarten, heißt es. Das entspreche nicht dem Stil des schwedischen Finanzinvestors, der inzwischen etwa elf Prozent der Thyssen-Krupp-Anteile hält.

An heiklen Themen wird es dennoch nicht fehlen: Insbesondere für die Aussichten im Stahlgeschäft dürften sich die Aktionäre interessieren. Denn vorläufig bleibt Thyssen-Krupp, was es von der Tradition her immer war: ein vom Stahl abhängiger Konzern.

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