Telekom: Spitzelaffäre:Das Schweigen des Riesen

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Nur wer Rang und Namen hat, darf auf eine Entschuldigung hoffen: Wie die Telekom mit Opfern der Spitzelaffäre umgeht.

Hans Leyendecker und Klaus Ott

Journalisten sollten nicht wehleidig sein, aber es ist schon heftig, was dem Kolumnisten ( taz, Welt) und Buchautoren Detlef Gürtler widerfahren ist: Späher der Deutschen Telekom drangen in das Leben des Journalisten, der ab und an als Kritiker des Telefon- und Internet-Konzerns aufgefallen war.

Die Zentrale der Deutschen Telekom: Die Konzernspitze hüllt sich nur allzu oft in Schweigen. (Foto: Foto: dpa)

Sie filzten heimlich seine Konten, versuchten, an seine Steuererklärungen zu gelangen, listeten in einem acht Seiten langen und mit drei Fotos versehenen "Personalscreening" die Namen von "Kontaktpersonen" auf und schnüffelten sogar seiner Mutter, seiner Ehefrau und den drei Kindern hinterher.

Der Fall Gürtler, den die SZ Anfang November publik machte, übertrifft fast alles bisher Dagewesene in der Spitzelaffäre des Big-Brother-Konzerns. Auch wenn einiges, was die Schnüffelnasen von der Abteilung Konzernsicherheit über den Autor zusammengetragen hatten, gar nicht der Wahrheit entsprach.

Eine einfache Frage

Nachdem die Spitzelaktion aufgeflogen war, riefen Bekannte und Kollegen den 45 Jahre alten freien Journalisten an und erkundigten sich. Wer sich nicht meldete, war die Deutsche Telekom. Gürtler hat nun Vorstandschef René Obermann in einem offenen Brief eine einfache Frage gestellt: "Sind Ihre Berater genauso schlecht wie Ihre Schnüffler?" Das Schweigen der Konzernspitze deute nicht auf einen "neuen Umgang mit Medien" hin, findet Gürtler.

Das ist einerseits etwas polemisch, weil die Spitzeleien vor Obermanns Amtsantritt stattgefunden hatten. Andererseits ist Gürtlers Zorn verständlich. Die Telekom hatte ihn bis Anfang 2005 observiert. Ein Teil des dabei heimlich zusammengetragenen Materials war 2008 von anderer, bislang unbekannter Seite anonym an verschiedene Medien verschickt worden, die sich mit der Telekom-Affäre beschäftigten.

Es handelte sich um Kontounterlagen, aus denen hervorging, dass Gürtler im April 2004 vom Sicherheitsunternehmen Control Risks GmbH 1931,40 Euro für eine Beratung erhalten hatte. Nach der Lektüre dieser Papiere kündigte eine Zeitung dem Journalisten die Zusammenarbeit auf, andere Redaktionen waren zumindest irritiert.

"Wir wollen nichts aussitzen"

Diese Aktion im Jahr 2008 sei der Versuch gewesen, schreibt Gürtler an Obermann, "meine berufliche Existenz zu vernichten". So etwas werde nicht durch "Aussitzen aus der Welt geschafft". Bislang ist unklar, ob die Kontodaten des Journalisten früher schon aus der Telekom heraus in Umlauf gebracht worden waren - ob letzten Endes also die alte Konzernspitze die anonyme Aktion aus dem vorigen Jahr zu verantworten hat. Gürtler würde das gerne wissen.

Die Telekom kneife vor einer wirklichen Aufarbeitung der Affäre, schreibt der Journalist in seinem Brief an Obermann und wirft dem Konzernchef vor: "Sie verschanzen sich in einer Wagenburg und sehen sich weiterhin von Feinden umgeben." Dem sei nicht so, entgegnet ein Sprecher der Telekom: "Wir wollen nichts aussitzen."

Journalisten teilen gern kräftig aus, auch wenn sie selbst ein Glaskinn haben. Sie können sich über nichts auf der Welt so erregen wie über die eigenen Angelegenheiten, manche von ihnen sind Wichtigtuer. Alle diese Feststellungen sind nicht grundsätzlich falsch, beschreiben aber den Fall Telekom/Gürtler nur unzulänglich.

Mit einigem Abstand betrachtet fällt auf, dass sich die Telekom-Spitze mit der Aufarbeitung der Affäre schwer tut, die der Konzern Anfang Mai 2008 selbst durch eine Strafanzeige in Gang gesetzt hatte.

Schon früh war bekannt geworden, dass der Capital-Redakteur Reinhard Kowalewsky, der inzwischen für die Rheinische Post arbeitet, sehr lange und intensiv ausgeforscht worden war. Etliche Monate lang wurden seine Telefon-Verbindungsdaten systematisch ausgewertet, um herauszufinden, von wem der über die Telekom gut unterrichtete Redakteur seine Informationen bezogen hatte.

Knapp informiert, dann Funkstille

Als der Spiegel den Späh-Skandal enthüllte, rief ein Konzernsprecher sonntags Kowalewsky an und informierte ihn knapp. Dann war eine Weile Funkstille. Dem damaligen Capital-Chefredakteur Klaus Schweinsberg gingen das alles aufs Gemüt. Am Nachmittag des 28. Mai 2008 sandte er Obermann per Fax einen offenen Brief und wollte wissen, ob es an "Mumm" fehle, sich bei dem Redakteur zu entschuldigen.

Am nächsten Morgen meldete sich Obermann bei Kowalewsky und entschuldigte sich höflich für die Nachstellungen in der Zeit seiner Vorgänger. Kommt es auf den Titel des Beschwerdeführers oder auf den Rang des Betroffenen an?

Vor ein paar Wochen berichtete die SZ, dass auch der frühere ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser in die Schnüffelakten der Telekom geraten war. Anschließend, sagt Bresser, habe ihn der Sprecher der Telekom sofort angerufen, sich wortreich entschuldigt und von "ungeheuerlichen Vorgängen" gesprochen. So viel Ekstase ist eine Rarität. Fernsehgesichter prägt man sich offenbar ein.

Vieles blieb im Ungefähren

Einige Journalisten haben mit Hilfe von Anwälten nachgefragt, ob ihre Namen auf einer schwarzen Liste geführt worden waren. Sie erhielten weder von der Staatsanwaltschaft noch von der Telekom eine ausreichende Antwort. Vieles ist im Ungefähren geblieben. So wabert durch die Szene das Gerücht, auch die Bild-Zeitung bespitzelt worden sei. Eine Bestätigung blieb aus.

Dabei hat der frühere Chef der Konzernsicherheit, Harald Steininger, in einer Vernehmung auch einiges zu Bild erzählt. In einer Nachtaktion seien sämtliche Faxgeräte der Telekom-Zentrale überprüft und Sendeberichte ausgedruckt worden, um festzustellen, ob Faxe an Oliver Santen, den Politik- und Wirtschaftschef des Springer-Blattes, geschickt worden seien.

Keiner ist es gewesen

Ein Vorstand habe "die Idee zu dieser Ermittlungsmaßnahme" gehabt. Warum ihm auch die "angebliche Mobilfunknummer von Santen" mitgeteilt worden sei, könne er nicht mehr sagen. Keiner ist es gewesen, keiner kann Verbindliches sagen.

Auch die Telekom nicht, sagt sie, bislang jedenfalls. Man brauche Einblick in die Ermittlungsakten, um komplizierte Fälle wie den von Gürtler beurteilen zu können, sagt ein Sprecher. Ob einer Chefredakteur oder Ex-Chefredakteur sei oder Redakteur, "das ist nicht die Frage für uns". Die Telekom verspricht jedenfalls, sich auch bei Gürtler zu melden.

© SZ vom 18.11.2009/berr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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