SZ-Versicherungstag:Ihr bester Feind

SZ-Versicherungstag: Philippe Donnet, Chef des italienischen Versicherers Generali: „Versicherung ist eine emotionale Angelegenheit.“

Philippe Donnet, Chef des italienischen Versicherers Generali: „Versicherung ist eine emotionale Angelegenheit.“

(Foto: Mathis Wienand)

Einerseits fürchten die Versicherer die Rivalität zu Plattformen wie Amazon. Andererseits könnten sie das Geschäft beleben. Eine Branche sortiert sich neu - und will endlich die Kunden entdecken.

Von Friederike Krieger und Anna Gentrup, Bergisch Gladbach

Philippe Donnet, der Chef des Versicherers Generali, gibt sich betont optimistisch. In einer Zeit, in der alle Zeichen in der Versicherungswirtschaft auf grundlegende Veränderungen hindeuten, beschwört er die alten Tugenden der Branche. "Ich bin überzeugt, dass unsere großartige Branche eine großartige Zukunft hat", sagte der Franzose, der seit März 2016 an der Spitze des italienischen Versicherungskonzerns steht, auf dem Versicherungstag der Süddeutschen Zeitung auf Schloss Bensberg. Dabei bestreitet Donnet nicht, dass Änderungen nötig sind, hat er doch das Unternehmen, das allein in Europa 63 Milliarden Euro einnimmt und damit Marktführer ist, in den vergangenen Jahren gewaltig umgebaut.

Das mit der großartigen Zukunft ist allerdings eine steile These, angesichts der vielfältigen Herausforderungen für die Branche. Die Digitalisierung der Gesellschaft verändert die Bedürfnisse der Kunden. Viele erwarten, dass der Abschluss einer Versicherung und die Abwicklung von Schäden so einfach funktionieren wie ein Einkauf bei Amazon.

Die neuen Versicherungs-Start-ups können das vielleicht bieten. Die etablierten Anbieter dagegen haben mit teils jahrzehntealten IT-Systemen zu kämpfen, die sie gerade für viel Geld modernisieren. Gleichzeitig müssen sie aber auch ihre Kosten senken, nicht zuletzt wegen des anhaltenden Niedrigzinsumfelds. Es macht vor allem Lebensversicherungen für Kunden immer unrentabler. In Europa ist der Absatz inzwischen sehr verhalten.

Donnet hält den Markt trotzdem für aussichtsreich. Europa sei immer noch der größte und attraktivste Versicherungsmarkt. Die europäische Bevölkerung werde älter und verfüge zugleich über signifikante Vermögenswerte - was sie zu einer guten Kundengruppe mache. Die Staaten zögen sich zudem immer mehr aus der Altersvorsorge zurück, private Anbieter könnten ihren Platz einnehmen, argumentiert Donnet. "Die Branche ist gut aufgestellt, diese Chancen zu ergreifen." Diese Einschätzung steht in scharfem Kontrast zur Ansicht anderer Versicherungschefs, die vor allem auf Wachstum in Asien setzen. "Asien und Lateinamerika sind Märkte mit hohem Potenzial, aber sie sind auch kein El Dorado", sagte Donnet. Die Gewinne stiegen dort nicht so stark wie die Prämien. "Als europäische Versicherungsgruppe können wir unsere künftigen Erträge nicht auf Asien aufbauen."

Auch sonst gab sich Donnet eher als Traditionalist. Während andere verstärkt auf den digitalen Vertrieb von Versicherungsprodukten setzen, will er am weltweiten Heer der 150 000 Generali-Vertreter festhalten. "Versicherung ist eine emotionale Angelegenheit", sagte er. "Selbstlernende Roboter können keine Emotionen zeigen." Stattdessen will er die Vertreter mit mehr digitalen Hilfsmitteln ausrüsten.

Bei allem Traditionsbewusstsein erkennt aber auch Donnet Änderungsbedarf. Die allgegenwärtige Digitalisierung sieht er dabei mehr als eine Chance für Versicherer denn als Bedrohung. "Die Digitalisierung bietet so viele Möglichkeiten, das Geschäftsmodell zu transformieren", sagte er. Versicherer könnten Teil von Ökosystemen, etwa zur Mobilität, werden. So habe Generali eine paneuropäische Mobilitätsplattform ins Leben gerufen, über die sie mit Fiat-Chrysler bei fahrstilbasierten Kfz-Versicherungen zusammenarbeitet und sichere darüber inzwischen 1,6 Millionen Fahrzeuge ab. Zudem hat Generali mit Cosmos Direkt und anderen Anbietern auch starke Direktversicherer.

Gute Vorbereitung ist auch deshalb gefragt, weil es Befürchtungen gibt, dass Internetkonzerne wie Google oder Amazon ins Versicherungsgeschäft einsteigen könnten. Sie verfügen über gigantische Datensätze, aus denen sie detaillierte Erkenntnisse über das Kaufverhalten, den Lebensstil und die Interessen der Menschen ableiten können. Damit könnten sie beim Vertrieb ganz neue, passgenaue Angebote entwickeln und den traditionellen Versicherern die Kunden streitig machen. Schlimmstenfalls gründet einer der Konzerne einen eigenen Risikoträger und macht Versicherern damit in ihrem Kerngeschäft Konkurrenz. Die wahrscheinlichere Alternative ist aber, dass die Internetkonzerne Vermittler werden - und den Ärger mit den Aufsichtsbehörden und die Schadenbearbeitung den Versicherern überlassen. Die Kundenbeziehung aber läge bei ihnen. "Wir haben Angst, zu Zulieferern von Amazon degradiert zu werden", sagte Norbert Rollinger, Chef des Wiesbadener Versicherers R+V. "Alle wissen von Check 24, dass das kein Vergnügen ist."

Check 24 bietet auf seiner Plattform unter anderem Versicherungsvergleiche an. Die Marktmacht des als Makler registrierten Unternehmens schmerzt viele Versicherer und Vermittler. Die Reihenfolge und Bewertung, mit der Check 24 die Tarife listet, hat große Auswirkung auf die Verkaufszahlen. R+V-Chef Rollinger sieht im Einstieg Amazons in das Versicherungsgeschäft sogar eine Chance für Versicherer, gegen diese Marktstellung von Check 24 vorzugehen - getreu dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. "Wenn Amazon mit einer Plattform kommt, haben wir endlich Wettbewerb zu Check 24, worauf wir lange gewartet haben", sagte Rollinger.

Der R+V-Chef schließt nicht aus, dass Amazon in Zukunft Versicherungen verkaufen wird. Dass der Konzern einen eigenen Versicherer gründet und damit ins Kerngeschäft der Versicherer vordringen wird, erwartet er aber nicht. "Wir gehen nicht davon aus, dass wir bald eine Amazon-Versicherung haben werden", sagte er. Dennoch bereite sich die R+V vor, damit im Falle eines Einstiegs nicht ein großer Teil des Geschäfts zu Amazon abwandert.

Die Wiesbadener sind in Deutschland nach der HUK-Coburg und der Allianz der größte Kfz-Versicherer. Die R+V kommt laut Rollinger gruppenweit auf 16 000 Mitarbeiter und 8,5 Millionen Kunden. Ihr Plus: Sie ist Teil der genossenschaftlichen Finanzgruppe, so wie auch die Raiffeisen- und Volksbanken.

Künftig will die R+V den genossenschaftlichen Gedanken noch stärker betonen, und damit von der Loyalität vieler Mitglieder gegenüber den Genossenschaften profitieren. Statt Amazon-Bequemlichkeit zähle der gute Zweck, "meine Genossenschaft". Ein interessanter Ansatz - für die meisten Versicherer wird er allerdings nicht funktionieren.

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