Studie zu Leiharbeit:"Armut trotz Arbeit ist an der Tagesordnung"

Die Krux mit der Bezahlung: Leiharbeiter verdienen nur etwa halb so viel wie normale Arbeitskräfte. Fast jeder achte ist deshalb trotz des Jobs auf Hilfe vom Staat angewiesen.

Thomas Öchsner

Leiharbeitskräfte mit einem Vollzeitjob verdienen im Durchschnitt nur etwa halb so viel wie Vollzeit-Beschäftigte in der Wirtschaft insgesamt. Gleichzeitig werden die Einkommensabstände zwischen Leiharbeitern und normalen Arbeitskräften immer größer. Dies geht aus einer Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach kommt lediglich eine kleine Minderheit (19,1 Prozent) der Leiharbeiter auf monatlich mehr als 2000 Euro brutto. In der gesamten Wirtschaft gelte dies dagegen für gut 70 Prozent der Vollzeitbeschäftigten.

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Putzen für die Hälfte: Leiharbeiter im Gebäudereinigungssektor und anderen Branchen verdienen einer neuen Studie zufolge nur etwa halb so viel wie normale Arbeitskräfte.

(Foto: ddp)

Der Studie zufolge erhielten Arbeitskräfte in der Verleihbranche, die in den alten Bundesländern tätig waren, 2009 durchschnittlich monatlich 1456 Euro brutto, einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld. In Ostdeutschland, wo die Löhne insgesamt etwas geringer sind, betrug der Verdienst sogar nur 1124 Euro.

Mehr als zehn Prozent im Westen und gut 20 Prozent im Osten verdienten sogar weniger als 1000 Euro brutto im Monat, obwohl sie Vollzeit arbeiten. "Armut trotz Arbeit ist hier an der Tagesordnung, selbst wenn sich Hartz IV eventuell durch einen Zweitjob am Abend oder durch eine Erwerbstätigkeit anderer Familienangehöriger verhindern lässt", sagte der Autor der Studie, Wilhelm Adamy der SZ.

Der DGB-Arbeitsmarktexperte hatte für seine Untersuchung erstmals die Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgewertet, um mehr über den Verdienst von Leiharbeitern zu erfahren. Grundlage sind die Lohnangaben von fast 500.000 vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern in der Branche. In Deutschland gibt es derzeit mehr als 900.000 Leiharbeiter.

Das Prinzip der Gleichheit

Bundesregierung und Opposition verhandeln am Sonntagabend bei ihrem Hartz-IV-Spitzengespräch auch über die zukünftige Bezahlung von Leiharbeitern. Sie sollen ab einer bestimmten Frist zukünftig genauso bezahlt werden wie die Stammbeschäftigten in dem Betrieb, in dem sie eingesetzt sind.

Aus der DGB-Studie geht weiter hervor, dass der Einkommensabstand sich in den vergangenen Jahren zu Lasten der Leiharbeitskräfte vergrößert hat. "Der Lohn in der Leiharbeit ist gesunken", sagte Adamy.

Viele Leiharbeiter könnten von ihrer Arbeit nicht leben. Sie zählten zu den sogenannten "Aufstockern" und beziehen zusätzlich Leistungen vom Staat. So waren der Untersuchung zufolge Mitte 2010 etwa 92.000 von ihnen mit einem sozialversicherungspflichtigen Job auf Hartz IV angewiesen. Das ist fast jeder achte. "Das Verarmungsrisiko der erwerbstätigen Leiharbeitskräfte ist damit fast vier bis fünf Mal größer als in der Gesamtwirtschaft", sagte Adamy. Der DGB-Experte sieht dies mit Besorgnis: "Die Steuerzahler werden zur Kasse gebeten für das in der Branche praktizierte Lohndumping."

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