Steuerraubzug:Staatsanwälte wollen Kronzeugen verschonen

Banken Frankfurt

Viele Banken waren an den dubiosen Aktiengeschäften beteiligt. Nur ein großes Institut hat Verfehlungen eingestanden.

(Foto: dpa)
  • Mit dubiosen Aktiengeschäften sollen Banken den Fiskus um mehr als fünf Milliarden Euro gebracht haben.
  • Fünf Drahtzieher und Mitwisser sollen nach dem Willen der Staatsanwaltschaft Köln nun straffrei davonkommen.
  • Die Geschäftsleute sollen umfangreich ausgesagt und den Behörden einen tiefen Einblick in die mutmaßlichen Steuerstraftaten ermöglicht haben.

Von Klaus Ott, Köln

Beim größten Steuerraubzug in Deutschland bahnt sich eine spektakuläre Kronzeugen-Regelung an. Fünf Drahtzieher und Mitwisser von Aktiengeschäften, bei denen der Fiskus nach Erkenntnissen der Behörden um mehr als fünf Milliarden Euro betrogen wurde, sollen ohne Strafe davonkommen. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR hat die Staatsanwaltschaft Köln einen entsprechenden Vorstoß beim Landgericht Bonn unternommen.

Das Landgericht Bonn bestätigte auf Anfrage, dass eine "Prüfbitte" der Staatsanwaltschaft Köln eingegangen sei. Darin legen die Ermittler dem Gericht nahe, diese fünf Kronzeugen zu schonen und nach Paragraf 46 b Strafgesetzbuch von einer Strafe abzusehen. Die Staatsanwaltschaft verweist in ihrer Prüfbitte darauf, dass die fünf Beschuldigten umfassend ausgesagt hätten. Die Geschäftsleute, darunter Börsenhändler aus dem Ausland, haben den Behörden tiefe Einblicke in mutmaßlich schwere Steuerstraftaten ermöglicht.

Auf Basis dieser Informationen können Ermittler und Justiz nun gegen zahlreiche Banken vorgehen, die den Fiskus jahrelang systematisch ausgenommen haben sollen. Diese Geldinstitute und viele eigens für solche Geschäfte gegründete Firmen kauften und verkauften riesige Aktienpakete. Die Banken und deren Partner verfolgten mit dem Börsenhandel nach Erkenntnissen der Ermittler einen einzigen Zweck: sich eine an die Finanzämter gezahlte Kapitalertragsteuer auf Dividendenerlöse mehrmals erstatten zu lassen. Das war bis 2012 aufgrund einer Gesetzeslücke möglich, aber nach Ansicht der Bundesregierung nicht erlaubt gewesen.

Die Geschäfte sollen in einer Art Geheimsprache eingefädelt worden sein

Die Vernehmungsprotokolle der fünf Beschuldigten umfassen etliche hundert Seiten. Darin schildern diese Drahtzieher und Mitwisser im Detail, wie die Aktiendeals abgelaufen und die Finanzämter gezielt getäuscht worden seien. In einer Art Geheimsprache seien die Geschäfte eingefädelt und die Profite hinterher aufgeteilt worden. Juristen, die Einblick in das Ermittlungsverfahren in Köln haben, sprechen von "organisierter Kriminalität".

Bei den Banken, die dabei mitgemacht haben sollen, handelt es sich um namhafte, meist große Institute aus dem In- und Ausland. Darunter befinden sich auch diverse Geldhäuser aus London und New York. Als bislang einziges großes Institut hat die Hypo-Vereinsbank Verfehlungen zugegeben und mit einem früheren Geschäftspartner rund 200 Millionen Euro an den Fiskus zurückgezahlt. Andere Geldhäuser verhandeln mit den Behörden, die möglichst viel von den mehr als fünf Milliarden Euro zurückholen wollen.

Die fünf Beschuldigten müssten normalerweise mit langen Gefängnisstrafen wegen Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen rechnen. Die Kronzeugen-Regelung in Paragraf 46 b Strafgesetzbuch lässt es aber zu, auf eine Strafe zu verzichten, wenn Beschuldigte über die eigene Tat hinaus bedeutend zur Aufklärung von Verbrechen beitragen. Andere mutmaßliche Täter müssen nun mit Anklagen und Hafturteilen rechnen.

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