Sexistische, veraltete Software:Der Steuerzahler und seine Frau

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Eine Frau macht die Steuererklärung. Das ist wohl in der Software aus den 60er Jahren nicht vorgesehen.

(Foto: OBS)
  • Wenn sich die Frau bei der Steuererklärung zuerst nennt, stürzt das System ab, das die Steuererklärung eigentlich auswerten soll.
  • In Zeiten der Ehe für alle und des dritten Geschlechts fordern Politiker, dass sich das ändert. Doch die Software zu aktualisieren, ist teuer.

Von Michael Kläsgen

Ladys first? In der Steuerverwaltung gilt das bislang nicht. Viele Ehepaare kennen das Problem, aber es war Fabian Scherschel, der ungewollt mit einem eigentlich harmlosen Blogbeitrag gerade einen ziemlichen Wirbel in sozialen Netzwerken ausgelöst hat. Es geht dabei um ein Problem, das nicht nur das Finanzamt Hamburg Nord hat, wo dieser Fall spielt.

Bei den Scherschels macht immer die Frau die Steuererklärung, auch nachdem das bereits verheiratete Paar 2017 in Hamburg zusammengezogen ist. Ohne damit irgendeinen Zweck zu verfolgen, trug sie ihren Namen in dem Formular an die Stelle des "ersten Ehepartners" (Person A) ein, den ihres Ehemanns Fabian als zweiten. Doch allein weil sie sich zuerst nannte, konnte das Finanzamt die fristgerecht vor Ende Mai 2018 elektronisch abgegebene Erklärung bis heute nicht abschließend bearbeiten. Das System stürzte ab, die Finanzbeamten mussten die Zahlen offenbar von Hand in die dafür vorgesehenen Felder einfügen. Nun diskutieren vor allem Frauen darüber, wie sexistisch deutsche Steuerformulare im Allgemeinen und die Steuersoftware Elster im Besonderen ist. Sie, die Ehefrau, steht dort immer an zweiter Stelle, auch wenn sie mehr verdient als er. An ihn adressiert das Finanzamt aber immer die Post, egal, ob er die Erklärung gemacht hat oder wie viel er verdient.

Die Finanzbehörde in Hamburg greift den Fall gern auf, um eine bundesweit modernere Finanzverwaltung einzufordern. Nicht nur die Hansestadt sehe hier "Handlungsbedarf", sagt ein Sprecher. "Alle Bundesländer" hielten eine Modernisierung für nötig, vor allem vor dem Hintergrund gesetzlicher Änderungen wie der "Ehe für alle", der gesetzlichen Anerkennung eines "dritten Geschlechts" und gesellschaftlicher Veränderungen allgemein.

Vor allem die Grünen im Bundestag machen Druck. "Es ist 2019. Höchste Zeit, dass die IT-Systeme des Bundesfinanzministeriums und den Finanzämtern auch im 21. Jahrhundert ankommen. Die IT-Probleme bei der Steuererklärung sind ein unnötiges Ärgernis", sagt Lisa Paus, die finanzpolitische Sprecherin der Partei.

Tatsächlich ist die Software der Finanzverwaltung nach Auskunft des Bundes der Steuerzahler relativ alt, und die lässt sich nicht gerade flott verändern. Isabel Klocke, Leiterin der Steuerabteilung, sagt: "Wir als Bund der Steuerzahler wollen moderne Formulare und eine moderne Steuersoftware. Wie alle Formulare sollen auch Steuerformulare neutral formuliert sein." Die Geschlechterneutralität habe dabei aber nicht die höchste Priorität.

Seit Jahren debattiert eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe darüber, wie man die IT in den Finanzämtern verbessern könnte. Die Genderfrage rutsche dabei auf der Prioritätenliste immer weiter nach hinten, bedauern Teilnehmer. Eine Lösung des Problems gilt als viel zu teuer und viel zu kompliziert. 40 Millionen Steuerzahler sind von jeder Änderung betroffen. Sollte da etwas schiefgehen, wäre das Desaster groß. Allein das Unterschriftsfeld für Doppelnamen zu vergrößern, verschlang Millionen. Wohlgemerkt an Steuergeld.

Bayern muss den Anfang machen

Hinzu kommt, dass sich Politiker scharfer Kritik in der Bevölkerung aussetzen, wenn sie geschlechtsneutrale Steuerformulare fordern. Ob sie denn nichts Wichtigeres zu hätten und nicht woanders für Geschlechtergerechtigkeit sorgen wollten, heißt es dann. Deswegen spricht auch Grünen-Politikerin Paus von einem wichtigen, aber "kleinen, symbolischen Akt".

Für die Modernisierung der Software ist federführend übrigens Bayern zuständig. Seit mindestens fünf Jahren ist das Genderproblem erkannt, das Bayerische Landesamt für Steuern sucht derweil noch nach Wegen ins 21. Jahrhundert. In der Hamburger Finanzbehörde rechnet man frühestens Mitte 2021 mit ersten "technischen und organisatorischen Maßnahmen". Dann könnte Frau Scherschel ihren Steuerbescheid etwas schneller bekommen.

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