Sparkassen:Der Fall Fahrenschon: Für Nachsicht ist es zu spät

Neujahrsempfang

Es ist unerheblich, ob Fahrenschon nachlässig war oder mutwillig gehandelt hat: Jetzt im Amt zu bleiben wäre Hohn für Millionen Sparkassenkunden.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Der Sparkassenpräsident hat vieles falsch gemacht. Er hat die Ansprüche an sein Amt mutwillig missachtet. Er ist untragbar.

Kommentar von Jan Willmroth

Der oberste Sparkassenvertreter ist nicht einfach nur ein einflussreicher Funktionär. Der Präsident leitet die Dachorganisation von fast 400 Sparkassen, einer zutiefst deutschen Gruppe öffentlich-rechtlicher Banken, zu deren Geschäftsmodell der Anschein der Volksnähe gehört. Diese Nähe drückt sich aus in der Werbung und in den engen Verbindungen örtlicher Sparkassen zu Sport- und Kulturvereinen. Das rote "S" mit dem Punkt ist nicht nur ein Markenlogo, es ist Symbol eines jahrzehntealten Wir-sind-für-Sie-da-Versprechens an den Bürger.

Georg Fahrenschon, eben jener oberste Repräsentant dieses Versprechens, scheint die Ansprüche an sein Amt falsch eingeschätzt zu haben. Vielleicht hat er sie auch bloß vergessen. Denn er hat nicht einfach nur einen Fehler gemacht, sondern mehrere hintereinander, mit Wirkung ab 2012, und es wäre verwunderlich, hätte er nicht früh erkannt, was er da anrichtet. Fahrenschon, ehedem Finanzminister des reichsten Bundeslandes, heute Ober-Lobbyist mit Millionengehalt und einigen einträglichen Aufsichtsratsmandaten, hat jahrelang Steuern aus Nebeneinkünften nicht erklärt, sie viel zu spät beglichen und sich damit den Verdacht der Steuerhinterziehung eingehandelt. Ups! Kann ja mal passieren. Ist auch arg kompliziert, wenn man so beschäftigt ist.

Georg Fahrenschon hat die Ansprüche an sein Amt mutwillig missachtet

Nein, das darf nicht passieren, nicht einem Mann mit diesem Lebenslauf und in dieser Funktion. Es ist unerheblich, ob Fahrenschon nachlässig war oder mutwillig gehandelt hat. Jetzt im Amt zu bleiben, sich gar wiederwählen zu lassen, wäre Hohn für Millionen Sparkassenkunden, die artig und rechtzeitig ihre Schuld beim Finanzamt begleichen; es wäre in einer Zeit, in der eine weltweite Debatte über Steuergerechtigkeit geführt wird, nicht mehr zu vermitteln. Fahrenschon muss das einsehen. Er hat es verpasst, Nachsicht für seine Fehler erwarten zu dürfen.

Ja, es darf auch ein Amtsträger auf dieser Ebene Fehler machen. Zur Vorbildfunktion solcher Posten, seien es politische Spitzenämter, Top-Positionen in der Wirtschaft oder Mischformen wie in Fahrenschons Fall, gehört zwingend auch Fehlbarkeit. Auch jemand, der Bundespräsident wird, Sparkassenpräsident oder einfach Bürgermeister, bleibt doch Mensch und trifft als solcher falsche Entscheidungen. Noch hat die Welt keinen Politiker, Funktionär oder Top-Manager erlebt, der immer allen Ansprüchen genügt.

Es gehört aber zur Verantwortung dieser Menschen, sich Fehler einzugestehen und offen mit Versäumnissen umzugehen und nicht - wie Fahrenschon - mutmaßlich darauf zu setzen, dass ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft nicht bekannt wird. Die gehobenen moralischen Ansprüche an Funktionsträger wie ihn beinhalten auch, eigene Fehler richtig einzuordnen. Zu wissen, welche Grenzen man nicht überschreiten darf, und dementsprechend vorausschauend zu agieren. Auf falsche Entscheidungen richtig und angemessen zu reagieren.

Es gibt genügend Fälle, aus denen Fahrenschon hätte lernen können

Georg Fahrenschon hat diesen Teil seiner moralischen Verantwortung missachtet. Er hat gezockt, im Vertrauen darauf, dass er davonkommt, ohne den öffentlichen Pranger, an dem er jetzt steht. Er hatte jahrelang Zeit zu merken, was er versäumt - und welche Folgen das haben könnte. Nun darauf abzustellen, er sei Opfer einer politischen Kampagne, weil jemand kurz vor seiner Wiederwahl der Presse verraten hat, welche Probleme der Sparkassenpräsident mit dem Finanzamt hat, lenkt vom Eigentlichen ab. Anstatt einer öffentlichen Bloßstellung zuvorzukommen, zog er es vor, zu schweigen. Mehr noch: Er tut nun so, als sei das längst alles in Ordnung, weil er seine Steuerschuld beglichen habe. Das ist dreist, vermessen und eines ehemaligen obersten Steuereintreibers unwürdig.

Es gibt genügend Fälle, aus denen Fahrenschon hätte lernen können, gute und schlechte Beispiele. Margot Käßmann etwa reagierte folgerichtig, als sie in ihrer Zeit als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche angetrunken Auto gefahren war und sofort abtrat. Kurz darauf war sie in der öffentlichen Wahrnehmung rehabilitiert, ihre Reaktion auf das Fehlverhalten war konsequent. Im Unterschied zu Fahrenschon hat sie umgehend erkannt, dass sie für ihr damaliges Amt nicht mehr geeignet war und hat Schaden von der Institution abgewendet, die sie vertrat.

Fahrenschon hat sich nicht nur selbst geschadet, er beschädigt die Institution Sparkasse insgesamt. Gleiches gilt für jene, die ihn jetzt noch in seinem Beharrungsvermögen unterstützen. Natürlich muss es, wird es für ihn ein Danach geben, eine neue Chance. Aber bitte nicht als Sparkassenpräsident.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es unzutreffend, Frau Käßmann sei wegen einer Ordnungswidrigkeit zurückgetreten. Richtig ist, dass sie nach ihrem Rücktritt wegen fahrlässiger Trunkenheit am Steuer verurteilt wurde. Das ist ein Straftatbestand.

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