Solarworld in der Krise:Ritt durch die Wüste

GULF-STOCKS

Direkter Draht: Investoren aus Katar im Börsensaal in der Hauptstadt Doha 

(Foto: AFP)

Befreiungsschlag für Solarworld? Ein Schuldenschnitt und frisches Geld aus Katar sollen Europas größten Solarmodulhersteller retten. Die Anleger an der Börse aber reagierten nur kurz euphorisch. Das Unternehmen hat mit dem Rettungsbeschluss nur die erste Hürde übersprungen.

Von Markus Balser, Bonn

Frank Asbeck kann es kaum fassen. "Ein echter Krimi", sagt der Solarworld-Chef in der Bonner Firmenzentrale Am Rheinufer. Der Rettungsbeschluss für sein Unternehmen ist gerade ein paar Minuten alt. Asbeck ist außer Puste. "Sparkasse Jena." Es ging um 500.000 Euro. "Verhandlungen bis zehn Minuten vor Schluss. Glauben Sie mir: Hier wird so was von hart gefeilscht."

Ein Pionier kämpft um sein Lebenswerk - und gegen die Zeit. Denn Europas größtem Solarhersteller wachsen angesichts des harten Konkurrenzkampfs mit chinesischen Produzenten die Schulden über den Kopf. Am Dienstag fiel nun die Vorentscheidung für die Rettung des angeschlagenen einstigen Börsenstars: Die Gläubiger akzeptieren einen harten Schuldenschnitt. Und gleichzeitig soll neues Geld von Investoren aus Katar den letzten noch verbliebenen großen Modulhersteller im Energiewendeland Deutschland vor dem Untergang bewahren.

Ein schmerzhafter Plan

Für Aktionäre und Investoren ist es ein schmerzhafter Plan, den Konzernchef Asbeck am Dienstag präsentiert. Wer 20 Solarworld-Aktien besitzt, wird künftig nur noch eine im Depot haben. Den Altaktionären bleiben gerade mal fünf Prozent des Kapitals. Der Rest soll an die Gläubiger der Firma gehen, darunter der Hedgefonds Strategic Value Partners (SVP), der einen Großteil der Schuldscheine aufgekauft hat und damit zum einflussreichen Akteur hinter den Kulissen von Solarworld wird.

Für Belebung sorgen soll aber vor allem eine Millionenspritze aus dem Wüstenstaat Katar. Der Solarworld-Partner Qatar Solar zahlt demnach für ein Aktienpaket 35 Millionen Euro in das Unternehmen ein und wird größter Aktionär. Auch Unternehmensgründer Asbeck selbst will sich mit weiteren zehn Millionen Euro an der Rettung beteiligen. Zusammen kommen die beiden entscheidenden Geldgeber künftig auf 49,9 Prozent der Aktien. Der Anteil des 54-jährigen Firmenchefs am Unternehmen schrumpft allerdings mit dem Rettungsplan von knapp 30 auf gut 20 Prozent. Ziel dieses Umbaus: Der Schuldenberg soll so von derzeit einer Milliarde Euro auf 400 Millionen sinken.

Asbeck, Pionier der Branche, will seinen Einfluss bei Solarworld aber nicht aufgeben und sich vom Aufsichtsrat in diesem Jahr für fünf weitere zum Vorstandschef küren lassen. Seinen Anteil wolle er künftig wieder auf knapp 30 Prozent steigern, kündigte Asbeck an. Bis das Unternehmen wieder Gewinne erzielt, will der Firmengründer auf dem Chefposten ohne Gehalt weitermachen.

Geschenk für den Papst

Asbeck gilt als das Gesicht der Solarbranche in Deutschland. Kein anderer Manager setzte sich so wirkungsvoll in Szene. Vor fünf Jahren schenkte er dem Papst eine Solaranlage für das Dach der päpstlichen Audienzhalle in Rom. Im selben Jahr bot er an, den angeschlagenen Autobauer Opel zu retten. Zuletzt kämpfte er fast im Alleingang für die Einführung von drakonischen Strafzöllen auf chinesische Solar-Billigangebote.

Der Wettbewerb mit China hat einstige Rivalen wie Q-Cells, Solon und Dutzende weitere Unternehmen weltweit in die Pleite schlittern lassen. Mit dem Beschluss der Gläubiger steht nun zumindest Solarworld vor der Rettung. Allerdings hat das Unternehmen damit nur die erste Hürde übersprungen. Nun müssen auch noch die Gläubiger zweier Anleihen dem Plan zustimmen. Sie treffen sich am 8. und 9. Juli in Bonn.

Wie geht der Handelsstreit mit China aus?

Unklar ist außerdem, wie der Handelsstreit mit China ausgeht. Seit Wochenbeginn sprechen Experten der EU und Chinas über eine Beilegung des schweren Handelsstreits um Billig-Solarmodule. Ziel der vertraulichen Beratungen sei eine Verhandlungslösung, teilte der Sprecher von EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Dienstag in Brüssel mit. Der Kommissar werde an diesem Freitag nach Peking reisen, um mit dem chinesischen Handelsminister Gao Hucheng im Rahmen des jährlich tagenden "Gemeinsamen Ausschusses" für Handelsfragen zusammenzukommen. Beim Ausschuss selbst stehe der Solarstreit nicht auf der Tagesordnung. Die EU hatte Anfang des Monats Strafzölle auf die Solarmodule verhängt. Peking gab darauf Dumping-Ermittlungen gegen europäische Weine bekannt.

Die Aussicht auf eine Rettung von Solarworld hat den Aktienkurs des Konzerns kräftig angetrieben. Die im vergangenen März aus dem Technologie-Index TecDax geflogene Aktie gilt schon länger als Spielball spekulativ orientierter Anleger. Nachdem die SZ am Montag über den bevorstehenden Deal mit Katar berichtet hatte, schnellte der Kurs der Solarworld-Aktie um 32 Prozent auf 91 Cent in die Höhe. Am Dienstag blieben die Reaktionen verhaltener.

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