Schwierige Beziehung zwischen Politik und Management:Gefährliche Funkstille

Der Fall des Bundespräsidenten Christian Wulff, ein Freund vieler Unternehmer, lenkt den Blick auf das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft. Das war selten so schlecht wie derzeit.

Hans-Jürgen Jakobs

Der Friede einer Weihnachtsbotschaft legt sich übers Land, und in den Wohnungen wird noch über das Wesen der Reue und des Rücktritts gerätselt. Der Fall des Bundespräsidenten Christian Wulff, ein Freund vieler Unternehmer, lenkt den Blick auf das generelle Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft. Es war selten so schlecht wie derzeit. Und all die kleinen, auch kleinlichen Enthüllungen über das Leben des niedersächsischen Christdemokraten Wulff im Klinkerbau machen es nicht besser.

Reichstagkuppel im Morgengrauen

Unternehmer und Manager äußern unumwunden, dass sie das Politische in diesen Tagen als Sphäre des Opportunismus erleben.

(Foto: dapd)

Unternehmer und Manager äußern unumwunden, dass sie das Politische in diesen Tagen als Sphäre des Opportunismus erleben, der es an vielem fehle, was ihre eigene Welt ausmacht: Zuverlässigkeit, Berechenbarkeit, Leistungsbewusstsein, das Vorliegen eines Plans. Vor allem die Art, wie das gemeinsame Europa in Erosionsgefahr gerät, wirkt als Negativbeispiel einer Regierungskunst, die ihr Heil im Improvisieren sucht.

Windiges Management

Abschreckend auch das windige Management der verkündeten Klimawende. Für nicht wenige Wirtschaftsleute stimmt die Leistungsbilanz der Politik nicht mehr. Das führt tendenziell dazu, dass sie das dargebotene Vakuum selbst mit markigen Wegbeschreibungen füllen. Die Kritisierten wiederum empfinden vieles aus dem Lager der Unternehmer als anmaßend. Politik müsse nun einmal dem Gemeinwohl verpflichtet sein, und nicht den Partikularinteressen. Ein Land sei keine Firma.

Im Ergebnis verkrampft eine ohnehin alles andere als einfache Beziehung. Schon der Eindruck, hier werde gekungelt, soll in der Öffentlichkeit vermieden werden. Nähe kann ein gefährliches Schmiermittel sein. Zu viel Nähe korrumpiert. Tatsächlich ist das Scheitern mancher Politiker in der Vergangenheit oft auf allzu große Sorglosigkeit im Umgang mit Unternehmen zurückzuführen gewesen. Das hat Tradition.

Man erinnert sich an den einstigen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth, der sich aufs Traumschiff einladen ließ und sein Amt verlor. Ebenfalls auf gesponserte Urlaubsreise ging Ministerpräsident Gerhard Glogowski, auch er ein moralischer Delinquent aus Niedersachsen, der zurücktrat. Die Flugbereitschaft der WestLB wiederum nutzten einst hemmungslos SPD-Größen wie Johannes Rau, der es später zum Bundespräsidenten brachte - ein Umstand, der in diesen Tagen wieder bewusst wird, da die einst mächtige Bank aus Düsseldorf endgültig in den Boden gewirtschaftet ist und manches alte Zitat Wulffs gedruckt wird, in dem er mit der festen Stimme des Moralisten Konsequenzen in der Flug-Affäre forderte.

Es spricht vieles dafür, dass dem Land auch künftig die Skandale nicht ausgehen werden. Die Entscheider in Firmen mögen Politik als heuchlerisch oder dysfunktional erleben, sie sind jedoch auch auf sie angewiesen. Steuern und Abgaben sollen nicht steigen, bei öffentlichen Investitionen winken Aufträge, im Exportgeschäft sind Regierungschefs als Türöffner gewünscht und von neuen Gesetzen wird erhofft, dass sie nichts kosten. Von diesem Spannungsfeld leben Lobbyisten jeder Art extrem gut.

Typus Politiker aufwerten

Die Unabhängigkeit, die von der Bevölkerung erwartet wird, können sich Firmen im Einzelfall gar nicht leisten. Die Verantwortlichen dort sind dem kleinen Kreis der Eigentümer verpflichtet, was sich bei Erfolg in Boni ausdrückt. Die Gratifikation des Politikers aber ist die Wiederwahl, seine Droge die Aufmerksamkeit. Alle vier, fünf Jahre muss er sich demokratisch legitimieren lassen und beklagt dabei die Abhängigkeiten von fremden Mächten - von der Wirtschaft, die für Parteien spenden soll, und von Medien mit ihrer Deutungsmacht.

In dieser Gewaltenteilung täte es den Bürgern gut, bei allem Wehklagen über Verfehlungen, den Typus des Politikers materiell aufzuwerten. Es ist schon bizarr, dass ein Bankchef oder ein Verlagsmanager pro Jahr das 50-Fache der Bundeskanzlerin verdient. Die Relationen stimmen nicht, selbst wenn man die gute Altersvorsorge im öffentlichen Dienst einrechnet. Die zu Recht geforderte Unabhängigkeit im Amt muss der Gesellschaft auch etwas wert sein. Wie eine historische Arabeske wirkt, dass Rot-Grün vor 13 Jahren versucht hat, mit Jost Stollmann einen gestandenen Entrepreneur zum Wirtschaftsminister zu machen. Dem Zustand der permanenten öffentlichen Beobachtung wollen sich Wirtschaftsvertreter lieber nicht aussetzen.

Nein, niemand muss sich beschenken lassen. Auch ein Politiker ist Herr über die eigene Käuflichkeit. Vorbilder wie Helmut Schmidt oder Hans-Jochen Vogel kamen zeitlebens ohne anrüchige Hauskäufe oder Ferienreisen aus. Und wer wirklich das ganz große Geld verdienen will, der soll es kurzerhand selbst in der Wirtschaft versuchen. So wie Hessens langjähriger Ministerpräsident Roland Koch, der inzwischen den Baukonzern Bilfinger Berger leitet. Das wäre dann ein ehrlicher Rücktritt.

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