Schlichter im Lufthansa-Tarifstreit:Doktor Franz und sein Professor Rürup

Als unparteiischer Schlichter im Tarifstreit zwischen Lufthansa und Flugbegleitern fungiert der Ökonom Bert Rürup. Unparteiisch? Er war einst der Zweitkorrektor der Doktorarbeit von Lufthansa-Chef Christoph Franz.

Jens Flottau und Harald Freiberger, Frankfurt

Bert Rürup hatte am Donnerstag einen vollen Terminkalender. Pünktlich um 10.10 Uhr fing an der Frankfurter Universität eine Diskussionsrunde zum Thema Riester-Rente an, bei der Rürup gewissermaßen der Stargast war. Der ehemalige Professor und Wirtschaftsweise bestimmte über Jahrzehnte die Diskussion über die Rente in Deutschland mit, nach ihm ist eine Variante der Riester-Rente benannt, die Rürup-Rente.

Schlichtung im Tarifkonflikt zwischen Lufthansa und Ufo

Schlichter Rürup (mi.) mit den Streitenden: Lufthansa-Manager Gerber (li.) und Gewerkschafter Baublies. Man traf sich in Bad Nauheim.

(Foto: dpa)

Kurz nach 11 Uhr stand der 68-Jährige auf, verabschiedete sich mit den Worten: "Ich muss jetzt zur Schlichtung." Um 12.30 Uhr begann in Bad Nauheim, 40 Kilometer entfernt, die Schlichtung im Tarifkonflikt zwischen der Lufthansa und ihren Flugbegleitern. Der Streit dauert schon ein Jahr, in drei Wellen haben die Stewards und Stewardessen gestreikt, mehr als 1000 Flüge ausfallen lassen und der Airline einen Millionenschaden zugefügt.

Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass Rürup im festgefahrenen Konflikt schlichten wird. Die Personalie sorgte für Aufsehen, schließlich ist Multi-Talent Rürup in Deutschland ein bekannter Mann. Viel kritisiert wurde er, als er 2009 eine Beratungsgesellschaft mit Carsten Maschmeyer ins Leben rief, dem Gründer des umstrittenen Finanzdienstleisters AWD. An Rürup knüpfen die Lufthansa und die Gewerkschaft Ufo, die die Flugbegleiter vertritt, große Hoffnungen.

Was bisher nicht bekannt war: Rürup ist in dem Streit vielleicht nicht so neutral, wie es ein Schlichter sein sollte. Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, betreute er in den 1990er Jahren an der Technischen Universität Darmstadt die Doktorarbeit von Lufthansa-Chef Christoph Franz als Zweitkorrektor. Franz studierte Wirtschaftsingenieurswesen.

Rürup war zwar nicht Doktorvater, das war Professor Joachim Lang. Er gibt aber zu, dass er Franz seit Langem kennt. Ein Problem für seine Rolle als Schlichter sieht er darin nicht: "Unsere persönliche Bekanntschaft wurde von Anfang an kommuniziert, auch der Verhandlungsführer von Ufo, Nikoley Baublies, hat davon gewusst", sagte Rürup am Donnerstag der SZ. Und gerade, weil es die andere Seite wisse, könne er im Schlichtungsprozess nicht Partei für die Lufthansa ergreifen, "das würde doch sofort ins Gegenteil umschlagen". Er müsse deshalb umso stärker darauf achten, neutral zu sein.

Die Gewerkschaft Ufo war am Donnerstag nicht erreichbar. Ein Sprecher der Lufthansa sagte, Rürup habe das Thema zu Beginn der Schlichtungsrunde selbst angesprochen. Dabei habe Baublies dem Verhandlungsführer der Lufthansa, Peter Gerber, versichert, dass die Bekanntschaft von Rürup und Franz für die Ufo kein Problem sei. Im Übrigen habe nicht Franz persönlich Rürup als Schlichter vorgeschlagen. Die Entscheidung sei in einem mehrköpfigen Lufthansa-Gremium gefallen.

Es soll auch über Arbeitsbedingungen gesprochen werden

Die Schlichtung beschränkt sich nur auf die Gehaltsforderungen der Flugbegleiter, die fünf Prozent mehr Geld wollen. Darüber hinaus wollen die beiden Seiten auch über Arbeitsbedingungen und Produktivität sprechen. Worauf immer sie sich einigen hat wesentlichen Einfluss auf den geplanten neuen Lufthansa-Ableger, der von Anfang 2013 an die dezentralen Strecken des Konzerns bedienen soll.

Die unter dem Projektnamen Direct4U geführte Fluggesellschaft soll etwa 40 Prozent billiger produzieren als Lufthansa selbst und auf den Märkten eingesetzt werden, auf denen der Konzern besonders stark mit Billigfluggesellschaften konkurriert. Lufthansa hat damit gedroht, dort die eigenen Flugbegleiter nur übergangsweise einzusetzen, falls kein akzeptabler Kompromiss zustande kommt.

Im Laufe der Zeit könnten diese durch - auf der Basis des günstigeren Germanwings-Tarifvertrages - neu eingestellten Mitarbeiter ersetzt werden, während die Lufthansa-Flugbegleiter wieder in den Konzern wechseln. Insgesamt würden damit aber im Laufe der Zeit deutlich mehr als 1000 Stellen zur günstigeren Direct4U wandern.

Die Piloten sind in einer besser abgesicherten Lage als die Flugbegleiter. Im sogenannten Konzerntarifvertrag ist ausgeschlossen, dass externe Piloten Lufthansa-Jets fliegen. Mittlerweile wird intern aber auch ein möglicher Tabubruch angesprochen. Passage-Vorstand Carsten Spohr hat, so berichten Teilnehmer, bei internen Sitzungen die Frage angesprochen, ob Lufthansa sich nicht auch von den Nebenstrecken zurückziehen könne, wenn sich herausstelle, dass diese auf Dauer nicht wirtschaftlich zu betreiben seien. Spohr habe dies erstmals ausdrücklich bejaht. Damit wäre zumindest mittelfristig auch die Zukunft von Direct4U infrage gestellt.

Spohr würde von der langjährigen Argumentation abrücken, dass Lufthansa es sich nicht leisten könne, sich aus der Breite zurückzuziehen und sich nur auf die Drehkreuze zu konzentrieren, um nicht die Präsenz der Marke zu stark zu reduzieren. Wenn sich die Kunden auf den Kurzstrecken daran gewöhnt hätten, mit anderen Fluggesellschaften zu fliegen, dann werde es ihnen auch leichter fallen, auf der Langstrecke zur Konkurrenz zu wechseln, so die Befürchtung.

Direct4U soll Anfang 2013 mit etwa 90 Flugzeugen starten. Das Unternehmen soll auf der Basis der bisherigen Billig-Fluglinie Germanwings aufgebaut werden und hat seinen Sitz am Flughafen Köln/Bonn. Darin integriert wird der Lufthansa-Bereich Direct Services (die Kurzstrecken, die nicht die Drehkreuze Frankfurt und München berühren), Germanwings und die Regional-Airline Eurowings.

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