Schlachthöfe:Letzte Reise über die Grenze

Billiglohnland BRD: Dänen lassen Schweine zunehmend in Deutschland schlachten, weil Löhne hier viel niedriger sind.

Thomas Öchsner

Anfang des Jahrtausends war die Welt für die Mitarbeiter in bundesdeutschen Schlachthöfen noch in Ordnung: Für die Knochenjobs gab es ordentlich Geld - 30 bis 40 Mark die Stunde. Das war einmal.

Schlachthof, dpa

Knochenjob: Dänische Bauern und Firmen lassen Tiere in norddeutschen Schlachthöfen zerlegen. Vor allem Schweine werden über die Grenze transportiert - und gehen in Teilen zurück.

(Foto: Foto: dpa)

Heute verdienen die Schlachter so wenig, dass ein ungewöhnlicher Grenzverkehr zwischen Dänemark und Deutschland stark zugenommen hat: Immer mehr dänische Schweine werden in die Bundesrepublik gekarrt, weil das Töten und Zerlegen der Tiere hierzulande viel weniger kostet. Das Beispiel zeigt: In der globalisierten Welt ist Deutschland inzwischen auch als ein Billiglohnland gefragt, in dem es keinen flächendeckenden Mindestlohn gibt.

Exportprodukt Schweinefleisch

Die Dänen züchten schon lange mehr Schweine, als sie selbst benötigen. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei mehr als 700 Prozent. Der größte Teil des produzierten Fleisches wandert also in den Export, die größte Menge - im Jahr 2008 waren es etwa 542.000 Tonnen - geht in die Bundesrepublik.

Neu ist allerdings, dass Schweinemäster und -züchter ihre Tiere zunehmend lebend über die Grenze transportieren, und auch Schweine in norddeutschen Schlachthöfen grob zerlegen lassen, um die Teilstücke wieder zurück nach Dänemark zu schicken. Das liegt vor allem am Lohngefälle zwischen den beiden Nachbarstaaten.

Osteuropäische Schlachter arbeiten in Deutschland für Dänemark

Was früher die Ausnahme war, ist in Deutschland längst die Regel: In der Schlachtindustrie arbeiten vor allem osteuropäische Arbeitnehmer für Niedriglöhne von fünf bis neun Euro, in einzelnen Fällen für sogar noch weniger Geld.

Diese osteuropäischen Schlachter haben in der Regel Werkverträge. Ihr Arbeitgeber, der sie in die deutschen Betriebe schickt, sitzt im Ausland. Möglich ist dies durch das EU-Entsendegesetz. Bernd Maiweg, Referatsleiter für Fleischwirtschaft in der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), schätzt, dass inzwischen "mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer in den klassischen Schlachtbetrieben der Republik nicht dem deutschen Arbeitsrecht unterliegen".

Die übrig gebliebenen heimischen Mitarbeiter verdienen nach seinen Angaben etwa 15 Euro je Stunde. Aber auch für sie gilt kein Flächentarifvertrag. In der Fleischindustrie gibt es keinen Arbeitgeberverband, mit der die NGG verhandeln könnte. Nicht selten sind deshalb Haustarifverträge.

Personalabbau beim dänischen Branchenriesen

Ganz anders sieht es in den dänischen Schlachthöfen aus. Bislang erhielten Fachkräfte, die fast alle Mitglied einer Gewerkschaft sind, Stundenlöhne von um die 20 Euro. Doch nun müssen sie um ihre berufliche Existenz fürchten.

2600 Mitarbeiter hat der dänische Branchenriese Danish Crown bereits entlassen. Einen weiteren Personalabbau hat das Unternehmen bereits angekündigt. Die NGG wettert deshalb: "Billiglöhne auf deutschen Schlachthöfen vernichten Arbeitsplätze in Dänemark."

Für die Gewerkschaft sind die Zustände in der Branche ein Beispiel dafür, warum in Deutschland eine gesetzliche Lohnuntergrenze notwendig ist. "Wir brauchen einen flächendeckenden Mindestlohn von 7,50 Euro, um Dumpinglöhne zu verhindern", sagt NGG-Referent Maiweg. Und dieser sei möglichst schnell schrittweise zu erhöhen.

Freiwilliger Mindestlohn bei deutschem Fleischvermarkter

Da es dafür aber derzeit keine politische Mehrheiten gibt, hofft die Gewerkschaft zumindest, dass die Fleischindustrie in das neugefasste Mindestarbeitsbedingungen-Gesetz aufgenommen wird. Dies erlaubt Mindestlöhne in Wirtschaftszweigen, in denen die Tarifbindung unter 50 Prozent liegt.

Dass es auch anders geht, zeigt Westfleisch, der drittgrößte Fleischvermarkter Deutschlands. Das Unternehmen zahlt seit Oktober 2007 freiwillig einen Mindestlohn von 7,50 Euro - daran müssen sich auch die osteuropäischen Subunternehmer halten, deren Mitarbeiter bei Westfleisch Schlachttiere zerlegen.

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