Robo Advisor Whitebox:"Das Projekt meines Lebens"

Salome Preiswerk

Eine der Gründerinnen der automatisierten Geldanlageplattform Whitebox: Salome Preiswerk.

(Foto: Whitebox/PR)

Whitebox wurde von zwei Frauen in Freiburg entwickelt. Bisher gibt es nur wenige Frauen in der Fintech-Szene.

Von Marcel Grzanna

Die Wahrscheinlichkeit ist gering, ein Start-up-Unternehmen in der Finanztechnologie, kurz Fintech, zu finden, das von Frauen gegründet und verantwortet wird. Aber es gibt sie. Salome Preiswerk und Birte Rothkopf sind zwei von ihnen. Whitebox heißt ihr gemeinsames Projekt, ein Robo Advisor, der die Vermögensanlage digitalisiert.

"Finanzen, Technologie, Gründungen: Das sind drei Bereiche, in denen Frauen wenig vertreten sind. Wenn alle drei Bereiche zusammenkommen, wird es dann eben noch komplizierter, sie zu finden", sagt Preiswerk. Die 42-Jährige sieht zwei Gründe für den geringen weiblichen Anteil in der Fintech-Szene. Einerseits ticke die biologische Uhr, was viele kompetente Frauen ins Grübeln bringe darüber, welche Prioritäten sie setzen wollen. Besonders in der Finanzbranche helfe Berufserfahrung, um eine erfolgversprechende Strategie zu entwickeln, mit der ein Fintech-Start-up funktionieren könne. Hat man die Erfahrung endlich gesammelt, ist man über 30 Jahre alt, und die Frage nach einer Familiengründung stellt sich immer mit zunehmender Dringlichkeit. Andererseits, glaubt Preiswerk, wirke eine Risikokultur auf Frauen abschreckend, in der Versagen als Makel angesehen wird. Und keine Gründung ist vor dem Scheitern gefeit.

Die klassische Finanzindustrie weckt zudem schlechte Assoziationen bei Frauen. Die Universität Mannheim fand vor einigen Monaten in einer Studie unter 1200 Studentinnen und Studenten heraus, dass das Image der Branche vor allem nach der Finanzkrise 2007 extrem gesunken ist und sich seitdem auch nicht erholt hat. Die Befragung ergab, dass junge Männer Unternehmen aus der Finanzindustrie als Arbeitgeber deutlich positiver bewerteten. Frauen dagegen sahen ihre eigenen Moralvorstellungen deutlich weniger repräsentiert. Der wichtigste Grund für die Ablehnung der Studentinnen aber war, dass Jobs im Finanzsektor als wenig familienfreundlich gelten.

Ganz zu schweigen von der Gründung eines Start-ups im Finanztechnologiebereich. "So etwas verlangt 100 Prozent Engagement und Aufmerksamkeit. Mit halber Kraft bleibt der Erfolg aus", sagt Preiswerk. Familienplanung sei zwar immer noch möglich, aber der Energieaufwand entsprechend groß, um Privatleben und Arbeitsleben zu kombinieren. Preiswerk und Geschäftspartnerin Rothkopf scheut--en die Herausforderungen dennoch nicht. Im Gegenteil spürten sie im Laufe der Jahre als Beraterinnen ihren eigenen Unternehmergeist. Aus vielen Gesprächen mit damaligen Kunden von Groß- und Privatbanken, Vermögensverwaltungsgesellschaften und anderen Vertretern der Finanzdienstleistungsindustrie erkannten die Gründerinnen den wachsenden Bedarf an einer Automatisierung der Kapitalanlage.

Ein spezifisches Marketing für Frauen ist bisher nicht geplant

Whitebox war dann auch nicht das Resultat von tüftelnden Freaks, die zusammen aus einer Garage heraus irgendwie die Welt verändern wollten. Die Gründung war ein überlegter Schritt, weil die Frauen überzeugt waren von ihrem Konzept und ihren Fähigkeiten. Ein Selbstläufer war es indes nicht. "In seiner gesamten Breite ist dies sicherlich das Projekt meines Lebens", sagt Preiswerk. Denn wer sich in die Finanzen anderer Bürger einmischt, bekommt hohe regulatorische Hürden in den Weg. Nur die Finanzaufsicht Bafin gibt grünes Licht für bankunabhängige Finanzportfolioverwalter. Hinzu kam die Suche und die Verhandlungen mit den benötigten Partnern auf technischer Seite und Partnern aus der klassischen Bankindustrie und die nötige Entwicklung eigenen geistigen Eigentums als Geschäftsbasis.

Dennoch verspürten Preiswerk und Rothkopf nicht den Bedarf, den Firmensitz in eine Großstadt zu verlegen, vielleicht nach Frankfurt, wo der Hochadel der Finanzindustrie residiert, vielleicht nach Hamburg, wo der Geldadel nach neuen Möglichkeiten sucht, vielleicht nach Berlin, wo Start-ups alle Möglichkeiten finden und sich inspirieren lassen von der Dynamik, die sie umgibt. Stattdessen hat Whitebox seinen Sitz in Freiburg im Breisgau. "In dieser kleinen, sonnigen Stadt finden wir alles an Ressourcen, was wir benötigen", sagt Preiswerk, die ihren Wohnsitz ein paar Kilometer weiter in ihrem Geburtsort Basel hat.

Die Branche der Robo Advisors ist noch sehr jung. Whitebox ging erst vor knapp drei Jahren online. In den Resultaten von unabhängigen Testreihen wird stets betont, dass es noch sehr früh sei, bei der Bewertung alle Aspekte der digitalen Geldanlage zu berücksichtigen. Die Branche hat nicht einmal eine lange Krise an den Märkten überstehen müssen, folglich bislang auch nur weniger harte Bewährungsproben hinter sich. Für Start-ups bietet diese Konstellation jedoch genügend Raum, ihren eigenen Überzeugungen konsequent zu folgen.

Preiswerk und Rothkopf, die als Mitglied des Fintechrats gleichzeitig das Bundesfinanzministerium als Expertin berät, halten beispielsweise nichts von Aktionismus. Anpassungen der Sollstrukturen von Kundenportfolios richtet das Unternehmen nicht nach täglichen Schwankungen, wie es manche Mitbewerber tun, sondern nur wenn sich die mittel- und langfristigen Kapitalannahmen ändern. Welche Kultur und Strategie sich in der Zukunft durchsetzt, wird wohl erst die nächste Finanzkrise zeigen.

Dass die Besonnenheit des Führungsduos oder einfach die Tatsache, dass Frauen das Ruder führen, überdurchschnittlich viele weibliche Kunden anzieht, scheint bislang nicht der Fall zu sein. Zwar kletterte der Anteil weiblicher Kunden in relativ kurzer Zeit um das Dreifache auf nunmehr 15 Prozent. Doch damit liegt das Unternehmen ziemlich genau im Schnitt der Branche.

Gründerin Preiswerk würde sich wünschen, dass mehr Frauen ihre Finanzen in die eigenen Hände nähmen. Doch ein spezifisches Marketing für Frauen ist bisher allenfalls ein unausgegorener Gedanke. Es sei ein schmaler Grat, glaubt die gelernte Juristin, weil man schnell Gefahr laufe, Frauen als nicht ausreichend kompetent in Finanzfragen darzustellen. Der Schuss könne nach hinten losgehen. Manch männliche Kunden entschieden sich bewusst für den Robo Advisor Whitebox, gerade weil zwei Frauen an der Spitze stehen. Doch Preiswerk sieht auch den Umkehrschluss: "Wir werden nie erfahren, wie viele Männer nicht bei uns Kunden werden, eben weil wir Frauen sind. Daran können wir nichts ändern. Das ist dann halt so."

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