Rekordübernahme:Müll zu Geld machen

Müllverbrennungsanlage der EEW

Das Objekt der Begierde: die Müllverbrennungsanlage des Abfallkonzerns EEW in Hannover. Früher war die Firma die Abfallsparte des Stromkonzerns Eon.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Chinesen übernehmen einen Abfallverbrenner in Niedersachsen. Mit der deutschen Technologie soll das Land sauberer werden.

Von Christoph Giesen und Angelika Slavik, München/Hamburg

Wer verstehen möchte, wie man in China Geld verdient, muss vor allem wissen, wie ein - zumindest auf dem Papier - sozialistisches Land tickt. In schöner Regelmäßigkeit stellt die Zentralregierung noch immer Pläne auf, und gewöhnlich halten sich alle eisern daran. Eine dieser Vorgaben lautet: Bis 2030 sollen 20 Prozent des Mülls in der Volksrepublik verbrannt werden, momentan liegt man bei bescheidenen fünf Prozent. Soll der Plan in Erfüllung gehen, müssen in den kommenden Jahren Hunderte Verbrennungsanlagen gebaut werden. So soll Chinas Müllproblem kleiner werden und auch die Luftverschmutzung reduziert werden. Denn bislang erzeugen vor allem alte und schmutzige Kohlekraftwerke den Strom in der Volksrepublik.

Der wichtigste Anbieter in China könnte schon bald der Müllverbrennungsspezialist EEW Energy from Waste aus Helmstedt werden. Das Unternehmen errichtet und betreibt Abfallverwertungsanlagen. Für 1,438 Milliarden Euro übernimmt die staatliche Beijing Enterprises Holdings Limited die Firma mit gut 1050 Mitarbeitern aus Niedersachsen. Darauf einigten sich die Chinesen mit der bisherigen EEW-Mutter, dem schwedischen Investor EQT. Die Übernahme soll schon Ende Februar unter Dach und Fach gebracht sein. Es wäre der bislang größte Deal eines chinesischen Unternehmens in Deutschland. Bisher lagen die Transaktionen noch immer unterhalb der Milliardenschwelle. Erst Mitte Januar kratzte der staatliche Chemiekonzern an der Grenze, als sie die Übernahme des deutschen Maschinenbaukonzerns Krauss-Maffei für 970 Millionen Euro bekannt gaben.

Für die Käuferin Beijing Enterprises ist der EEW-Deal die erste Übernahme hierzulande überhaupt. Das Staatskonglomerat, das sowohl Bier der Marke Yanjing brauen lässt als auch die Autobahn zum Pekinger Flughafen betreibt und ordentlich an der Maut verdient, ist bislang nur auf dem chinesischen Markt präsent. In der Volksrepublik betreibt Beijing Enterprises zudem Hotels und ist im Energiesektor tätig. Nun soll also das Geschäft mit Müllverbrennungsanlagen hinzukommen.

Bis zum Einstieg von EQT 2012 war EEW die Abfallsparte des Stromkonzerns Eon. Im vergangenen März übernahm der Finanzinvestor das Unternehmen zur Gänze. Derzeit können 4,7 Millionen Tonnen Müll pro Jahr in den insgesamt 18 Anlagen verarbeitet werden. Der Großteil davon steht in Deutschland, zudem gibt es Standorte in Luxemburg und den Niederlanden. In den Anlagen wird aus Müll Strom erzeugt, insgesamt werden so etwa 700 000 Haushalte versorgt. Außerdem entsteht Prozessdampf für Industriebetriebe und Fernwärme. EEW wirbt mit der hohen Umweltfreundlichkeit seiner Methode: Auch der größte Teil des Abfalls, der durch den Verbrennungsprozess entstehe, werde verwertet, etwa beim Straßenbau. Zuletzt machte EEW fast 540 Millionen Euro Jahresumsatz. Das Geschäft profitiert von der guten Konjunktur in Deutschland: Je mehr produziert und konsumiert wird, desto höher ist die Menge an Abfall, die Unternehmen und Kommunen entsorgen müssen. Dennoch: Die 18 Anlagen in Europa dürften allenfalls ein nettes Zubrot für die Chinesen sein, der eigentliche Grund, weshalb sie zugeschlagen haben, ist die Technologie.

EEW positioniert sich als besonders nachhaltig und umweltfreundlich operierendes Unternehmen, das bei der Verbrennung auf besonders moderne Methoden setze. Dadurch würden jährlich eine Million Tonnen klimaschädliches CO₂ vermieden, die bei der Stromerzeugung durch fossile Brennstoffe erzeugt würden, heißt es bei EEW. Für das Smog-geplagte China ist das besonders interessant.

Peking regelt Auslandsakquisitionen streng. Auch dafür gibt es einen Plan

Nicht immer waren die Deals chinesischer Unternehmen so logisch. 1997 kauften chinesische Investoren zum Beispiel eine insolvente Bleistiftfirma in Mecklenburg-Vorpommern und scheiterten. Vier Jahre später erstanden Chinesen den ehemaligen Fernsehhersteller Schneider, zogen das Know-how ab und verlagerten die Produktion. Seit den ersten Misserfolgen in der Fremde prüft die Führung in Peking Auslandsakquisitionen jedoch streng und hat auch hier einen Plan aufgestellt.

Alle paar Jahre veröffentlicht Chinas Zentralregierung eine nach Ländern aufgeschlüsselte Tabelle mit Übernahmeempfehlungen. Deutschland zum Beispiel steht mit dem Maschinenbau, der Umwelttechnik und der Autozulieferbranche auf der Liste. Wer das große Rad drehen möchte und ohne Einkaufszettel shoppen geht, hat kaum eine Chance. Notfalls verweigern die Behörden in China ihre Zustimmung. Nur wer langfristige Ziele hat, darf kaufen.

Arbeitnehmervertreter zeigen sich angesichts dessen zufrieden: Die neuen Eigentümer wollten das Geschäft in Deutschland weiter ausbauen und die Technologie voranbringen. "Das ist ein echter strategischer Investor", sagt Jörg Liebermann von der Gewerkschaft IG BCE. Die Chinesen hätten den Fortbestand aller 18 Standorte garantiert, zudem bleibe der Sitz des Unternehmens in Helmstedt. Der Kauf sei insofern "eine gute Sache für die Mitarbeiter und für die Umwelt."

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