Reden wir über Geld: Roger Cicero:"Interessant wird es erst ab den Top 20"

Die einen nennen ihn Schmalspur-Sinatra, die anderen feiern ihn als Deutschlands großen Swing-Unterhalter: Roger Cicero redet über Existenzängste, sein Einkommen als Musiker, seine Studienzeit im Kiffer-Paradies und die Frage, warum er immer einen Hut trägt. Mit Video aus dem Jazzclub Birdland in Hamburg.

Hans von der Hagen und Sonja Sydow

Aus dem großen Auftritt in Berlin ist dann doch nichts geworden. Den hätte Sänger Roger Cicero im Sommer mit der Fußball-Nationalmannschaft gehabt, wenn Deutschland bei der Europameisterschaft erfolgreich gewesen wäre: Der DFB hatte eines seiner Lieder zum offiziellen Fan-Song gekürt. Sei's drum. Nun fliegt Cicero förmlich ins Birdland, einen alten Hamburger Jazz-Club - kokettierend und unverschämt gut gelaunt. Natürlich.

SZ: Roger Cicero, reden wir über Geld. Für kurze Zeit waren Sie eine Art Hof-Musiker für den deutschen Fußball. Abgesehen von der Ehre - lohnt sich das?

Cicero: Das kommt darauf an. Wenn wir Europameister geworden wären und der Song rauf und runter gespielt worden wäre, hätte sich das bestimmt gelohnt. Wir wurden auf alle Fälle in sehr viele TV-Sendungen eingeladen und wussten um die starke Konkurrenz. Und wir haben uns echt gefreut, dass sich der DFB für unseren Song entschieden hat.

Also nein, es hat sich nicht gelohnt.

Der Song ist Teil des aktuellen Albums "In diesem Moment" und wird auch immer noch verkauft - natürlich haben die Verkäufe während der EM angezogen.

Spielen Sie selbst Fußball?

Ich bin kein besonders begabter Kicker. Das habe ich schnell herausgefunden und mich darum rechtzeitig meiner Gitarre gewidmet. So musste ich mich nicht ärgern, dass die anderen Kumpels so viel Spaß auf dem Fußballplatz hatten. Ich wusste: Den konnte ich dort nicht haben.

Verdient ein erfolgreicher Musiker hierzulande so viel wie ein Dax-Vorstand?

Selbst wenn ich nur ein Gehalt von zwei Millionen Euro veranschlagen würde, müsste man als Musiker schon absolute Topliga sein. In Deutschland dürften nur sehr wenige so viel verdienen.

Und Sie, liegen Sie schon auf Dax-Niveau?

Sagen wir mal so: Ich bin total zufrieden mit dem Istzustand.

Manager begründen hohe Gehälter gerne damit, dass sie so toll wie bekannte Musiker seien. Jetzt mal umgekehrt gefragt: Ist es gerechtfertigt, dass Musiker so viel verdienen wie Topmanager?

Viel Geld zu verdienen war für mich durchaus gewöhnungsbedürftig. Ich kenne das Musiker-Dasein von beiden Seiten. Über viele Jahre war ich ein sehr schlecht bezahlter Musiker. Doch irgendwann kam der große Erfolg, und mein Einkommen änderte sich enorm. Inwieweit das gerechtfertigt ist - gute Frage. Was ich auf jeden Fall sagen kann: Seitdem ich diesen Erfolg habe, ist der Druck völlig anders.

Wie denn?

Wenn ich früher in Clubs auftrat, oft erst um Mitternacht den Auftritt hatte und morgens um vier rauskam, ist das auch Knochenarbeit.

"Mit allen Mitteln versucht, die Wurzeln zu kappen"

Aber wenn ich mal einen schlechten Tag hatte oder die Stimme nicht so gut beieinander war, verbrachte ich keine schlaflosen Nächte. Anders ist es nun, wenn ich ein Konzert für ein paar Tausend Leute gebe.

Ihr Vater stammt aus Rumänien. Ist das ein wichtiger Teil Ihrer Identität?

Ich bin dort nicht aufgewachsen, nicht einmal dort geboren. Mein Vater hat mit allen Mitteln versucht, diese Wurzeln zu kappen. Er war ein Flüchtling und wollte, dass sein Sohn nichts mit dieser Vergangenheit zu tun hat. Was ich außerordentlich schade finde. Ich fühle, dass sich da irgendetwas bei mir andockt. Aber ich habe keinen klaren Bezug dazu, er ist trüb. Nicht getrübt, aber trüb.

Sprechen Sie Rumänisch?

Nein. Viele Jahre hatte ich es meinem Vater auch sehr übel genommen, dass er mich nicht hat zweisprachig aufwachsen lassen. Wenn ich mit ihm dort war, fand ich das total dämlich, die ganze Zeit wie Falschgeld daneben zu stehen, wenn er sich mit jemandem lange unterhielt. Wenn ich ihn dann mal fragte: "Was sagt er?", dann kam nur die Antwort: "Er freut sich, dich zu sehen." Das war unbefriedigend.

Beschäftigt Sie das Spannungsverhältnis zwischen Ihrem Reichtum hier und der Armut dort?

Natürlich mache ich mir Gedanken darüber und muss dabei auch nicht nur an Rumänien denken. Ich bin selbst ambivalent aufgewachsen, weil mein Vater auch ziemlich erfolgreich war, er sich aber über Geld nicht viele Gedanken machte und da etwas ungeschickt war. Zeitweise gab es viel, es war alles da, und keiner in der Familie machte sich Sorgen. Aber dann gab es auch Phasen, in denen vieles fehlte.

Gab es mal einen Moment, in dem Sie gedacht haben: Jetzt bin ich reich?

Nicht wirklich. Weil immer der Gedanke im Hinterkopf war: Wer weiß, wie lange das reichen muss. Und seitdem ich Vater bin, sehe ich das noch mal ganz anders: Ich will schon noch etwas vererben.

Aber haben Sie irgendwann doch mal einen Vermögensberater kontaktiert?

Ja, ich stellte aber fest, dass die in der Finanzkrise genauso im Dunkeln tappen wie alle anderen auch. Ich hörte immer nur: "Es ist gerade schwierig." Aber ich weiß, dass es schwierig ist - darum frage ich die ja. Doch es gibt keine Antworten.

Was leisten Sie sich denn im Unterschied zu früher?

Ich achte mehr auf Qualität, und bei manchen Sachen spare ich überhaupt nicht.

Zum Beispiel?

Essen, Kaffee und Gepäck. Ich kaufe eigentlich nur im Biosupermarkt ein, und ich gehe auch gerne essen. Und beim Kaffee bin ich ein Hobby-Barista - ich kaufe eine spezielle Bohne. Hier in Hamburg gibt es hervorragende Röstereien. Man muss da auf vieles achten, selbst der Mahlgrad wird täglich neu justiert.

Wann setzte der Erfolg bei Ihnen ein?

Den Durchbruch gab es mit dem Album "Männersachen", also 2006.

Wie war das damals?

Er zieht sich über mehrere Monate hin, doch irgendwann weiß man: Da ist jetzt was passiert. Es gab viele Interviews, Fotos, Fernsehauftritte. Da war ich sehr erstaunt, wie nervös mich das gemacht hat. Und ab dem Moment, als ich zum ersten Mal vor einem Publikum gespielt habe, das wirklich Eintritt gezahlt hatte, da war das für mich wirklich greifbar.

Überprüfen Sie jeden Tag Ihre Verkaufszahlen?

Spannend ist immer die Phase nach Veröffentlichung eines Albums. Dann sind vor allem die wöchentlichen Chart-Platzierungen interessant, die auf den täglichen Trendcharts basieren. Die werden allerdings erst gegen 17 Uhr veröffentlicht. Das ist für mich der absolute Horror, wenn ich so lange warten muss. Aus den Trendcharts kann ich mir dann am Freitag ungefähr ausrechnen, wo ich Montag wohl tatsächlich in den Charts stehen werde. Je höher die Verkaufszahlen, desto höher die Chartplatzierung.

Ab welcher Position in den Charts wird es finanziell lukrativ?

Viele Künstler können schon lange nicht mehr durch Musikverkäufe leben. Interessant wird es erst ab Top 20 der Charts.

Sie werden oft Musiker und Entertainer genannt. Sie selbst sehen sich als Musiker - was macht dann den Entertainer Cicero aus?

Der Entertainer schafft es, den Kontakt zwischen dem Publikum und sich selbst herzustellen. Das ist für mich sehr wichtig. Das hat sich aber über die Jahre erst entwickelt, es ist keine Eigenschaft, die ich schon immer hatte.

Wie haben Sie es gelernt?

Üben, üben, üben. Nur die Praxis ist ein guter Lehrmeister: Wie begrüße ich die Leute, welche Ansagen und Moderationen mache ich? Zunächst geht es nur um das Was, später um das Wie.

"Das ist furchtbar für mich, weil er so perfekt ist"

Auch bei mir war das so. Irgendwann habe ich angefangen, mit den Reaktionen der Leute auf die eigenen Sätze zu spielen und zu improvisieren.

Viele Musiker versuchen gar nicht erst, mit dem Publikum zu reden. Stört Sie das?

Nicht wenn es stimmig ist. Das ist ja das Spannende, es gibt so viele Arten, wie man als Künstler dem Publikum eine gute Zeit bescheren kann. Ich bin unlängst mit Katie Melua in Stuttgart aufgetreten. Die stellt sich zwei Stunden auf die Bühne und macht dabei zwar relativ charmante, aber nur spärliche Ansagen. Stattdessen erzählt sie Geschichten in ihren Songs. Das ist berührend, emotional, ehrlich und toll. Wenn hingegen ich zu Prince gehe, verlasse ich das Konzert wie in Trance. Dort ist alles inszeniert und bis ins letzte Detail ausgecheckt, er tanzt wie ein Gott, singt wie ein Gott, spielt Gitarre wie ein Gott, das ist furchtbar für mich, weil er so perfekt ist.

Von wem lernen Sie?

Ich lerne von allen Musikern, die mich in irgendeiner Weise ansprechen. Katie Melua war für mich ein Erlebnis. Und neulich bin ich über eine dänische Singer-Songwriterin gestolpert, Tina Dico. Das ist ein Album, was ich in den letzten Wochen oft gehört habe.

Sie wirken auf der Bühne gut gelaunt, ihre Musik ist gut gelaunt. Haben bei Ihnen je Drogen eine Rolle gespielt, um die Laune zu heben?

Ich habe in Holland studiert - was soll man dazu sagen? Die Studienzeit war durchaus wild. Mittlerweile habe ich einen völlig anderen Weg eingeschlagen und lebe seit vielen Jahren sehr gesund: Treibe Sport, mache viel Yoga und habe mich auch von allen Giften verabschiedet, die man so erwerben kann. Sogar mit dem Rauchen habe ich aufgehört. Anders kann ich es mir gar nicht mehr vorstellen. Wenn ich alte Bilder anschaue und mich dann mit Zigarette sehe, kommt es mir vor, als sei das ein anderes Leben oder ein anderer Mensch. Ich habe keinen Bezug mehr dazu.

Was ist das größte Glück für Sie?

Mein Sohn Louis! Große Glücksmomente sind auch, wenn beim Konzert nach der letzten Zugabe der Saal kopfsteht.

Seit wann gibt es denn den Hut, den sie immer tragen?

Seit der ersten Foto-Session. Big Band, Swing, Frank Sinatra. Was hat der Mann viel getragen? Hut! Deswegen lag er da, und ich habe ihn aufgesetzt. Später haben wir die Fotos gesichtet, und dabei ist aufgefallen, dass ich ein Hutgesicht habe.

Ein Hutgesicht?

Ja, ich liebe es, Hüte zu tragen. Und die Fotos waren damit einfach markanter.

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