Reaktionen von Banken und Unternehmen auf die Schuldenkrise:Zwischen Panik und Gelassenheit

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Unterschiedlicher könnte die Wahrnehmung kaum sein: In der Schuldenkrise verfallen die Banken in Panik und lagern ihr Geld lieber für Mini-Zinsen bei der EZB, als es untereinander zu verleihen. Die Realwirtschaft hingegen bleibt gelassen. Unternehmen und Verbände sehen bislang keine Anzeichen für eine Rezession. Dabei könnte die Verunsicherung der Banken auch sie treffen.

Marc Beise und Helga Einecke

Kurz vor Jahresende verlangsamt sich die Wirtschaft, werden nur noch die notwendigsten Geschäfte getätigt, so ist das meist und in vielen Branchen. Nicht aber bei Europas Banken im Jahr 2011. In den ruhigen Tagen des Jahres ist die Sorge über die Verschuldungskrise regelrecht eskaliert. Über Weihnachten überwiesen die Banken weitere 60 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB), wo nun schon 411 Milliarden Euro parken: Rekordwert!

Ein Feuer von Occupy-Aktivisten vor dem Gebäude der EZB in Frankfurt. Während die Finanzbranche unter der Schuldenkrise leidet, betrachtet die Industrie deren Folgen noch nicht  als bedrohlich. (Foto: AP)

"Das sieht nicht gut aus", kommentiert NordLB-Analyst Jens Kramer. "Wir befinden uns in einer brisanten Situation." Selbst in den schlimmsten Zeiten der Lehman-Krise im Jahr 2008 lag die Summe der in Sicherheit gebrachten Gelder deutlich niedriger. Hoch schoss der Angst-Index dann im Herbst 2009, als Griechenland erstmals seine Finanzprobleme zugeben musste und die Euro-Krise ihren Anfang nahm. Aber sogar damals blieb die Summe unter der 400-Milliarden-Schwelle, die nun deutlich überschritten ist, Tendenz steigend.

Damit ist der übliche Kreditmechanismus ausgehebelt. In normalen Zeiten leihen sich die Banken dieses Geld untereinander. Die EZB bietet nur einen "Abschreckungszins" von 0,25 Prozent, um die Parkerei möglichst unattraktiv zu machen. Auch tut sie derzeit alles, um den Geldfluss am Laufen zu halten. So hat sie im Dezember den Leitzins auf ein Prozent gesenkt und den Banken der Euro-Zone 490 Milliarden Euro über den langen Zeitraum von drei Jahren geliehen. Doch die Banken trauen sich trotzdem nicht über den Weg und überweisen überschüssiges Geld lieber der EZB.

Der Chefvolkswirt der staatlichen Förderbank KfW, Norbert Irsch, relativiert zwar, dass die Rekordsumme auch mit dem Jahresultimo zu tun habe, sieht den Anstieg aber dennoch mit Sorge. Die Banken hätten sich das Geld bei der EZB zu einem Prozent Zinsen geliehen, würden es also jetzt unter Verlusten bei der EZB wieder anlegen. Derzeit summierten sich diese Tagesverluste der Banken auf acht Millionen Euro. Die Banken würden diese Verluste in Kauf nehmen, um jederzeit auf das Geld zurückgreifen zu können. In den ersten Monaten von 2012 würden Bankanleihen in großem Umfang fällig, und die Banken seien nicht sicher, ob ihnen die Anschlussfinanzierung gelinge.

Die Auswirkungen dieser vorsichtigen Bankenpolitik könnten mit Verzögerung auch die Unternehmen treffen. Einige Experten sprechen schon von einer Kreditklemme, andere - wie KfW-Vertreter Irsch - halten dies für übertrieben. Die deutschen Unternehmen seien finanziell gut gepolstert und hätten für schlechte Zeiten vorgesorgt. Wohl aber, berichtet Irsch, hätten Firmen in Griechenland, Portugal und Irland bereits erhebliche Schwierigkeiten, an Kredite heranzukommen. Dort müssten Unternehmen entweder hohe Zinsen in Kauf nehmen oder sich außerhalb des Bankensektors umtun.

Die Realwirtschaft bleibt weiterhin gelassener als der Finanzsektor. Die Unternehmen selbst, ihre Verbände, viele Volkswirte und in ihrem Gefolge die Bundesregierung sind sich - noch - sicher: Trotz Schuldenkrise und weltweiter Konjunkturflaute bleibe Deutschland im kommenden Jahr eine Rezession erspart. Laut der am Dienstag veröffentlichten jährlichen Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) erwarten 26 von 46 Wirtschaftszweigen für 2012 Umsatzzuwächse. Die meisten Unternehmen wollen auch 2012 wieder investieren, nur eine Minderheit muss Jobs streichen.

Der Geschäftsklima-Index des Münchner Ifo-Instituts - der zuverlässigste Indikator für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft - hatte zuletzt zweimal in Folge leicht zugelegt. Auch der Einzelhandel meldete gute Geschäfte, was steigenden Konsum signalisiert. Das ändert aber nichts daran, dass sich das Wachstum von drei Prozent im laufenden Jahr stark verlangsamen wird. Die 1,3 Prozent Steigerung, die der Internationale Währungsfonds im September prognostiziert hat, gelten bereits als überholt, selbst die 0,9 Prozent des Sachverständigenrats vom November sind nicht mehr zu halten.

Das Bruttoinlandsprodukt werde 2012 mit 0,5 Prozent nur etwa halb so stark wachsen wie vom Rat vorhergesagt, räumt dessen Chef Wolfgang Franz jetzt ein. "Aber eine Rezession befürchte ich nicht - erst recht nicht eine so starke wie 2009, als das Bruttoinlandsprodukt um rund fünf Prozent absackte", sagte der Mannheimer Ökonom dem Handelsblatt. Die Zahl der Beschäftigten sei hoch wie nie, die Kapazitäten der Industrie seien überdurchschnittlich ausgelastet, die Unternehmen gesund und zuversichtlich: "Deutschland geht es gut, noch jedenfalls."

© SZ vom 28.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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