Pilotenstreik:Heben Sie langsam ab, Herr Kapitän?

A pilot takes part in a demonstration during a strike of the German airline Lufthansa pilots at Frankfurt airport

Ein streikender Lufthansa-Pilot in Frankfurt. Vielen Menschen, auch im eigenen Konzern, fehlt schon längst das Verständnis.

(Foto: REUTERS)

15 000 Euro verdienen und streiken: Viele Menschen haben kein Verständnis mehr für die Lufthansa-Piloten. Eine (Zug)reise zu denen, die immer höher hinaus wollen.

Von Gianna Niewel

Der Kapitän hätte an diesem Mittwoch eine A 320 fliegen sollen, LH 1004 von Frankfurt nach Brüssel, LH 1005 von Brüssel nach Frankfurt, dann LH 1238 von Frankfurt nach Wien, Ankunft um 13.10 Uhr, Rückflug am nächsten Tag. Hat er aber nicht. Er hat seiner Frau einen Adventskalender gebastelt, 24 bunte Stoffbeutel, sie hängen in Tannenbaumform im Wohnzimmer. Er kommt sonst nicht dazu, sagt der Kapitän.

Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit hat die Piloten von Lufthansa und der Frachtfluggesellschaft Lufthansa Cargo auch in dieser Woche wieder dazu aufgerufen, ihre Arbeit niederzulegen. Es ist der 14. Streik in den aktuellen Tarifauseinandersetzungen zwischen Gewerkschaft und Unternehmen. Vordergründig geht es ums Geld, offiziell dürfen die Piloten nur für "tarifvertraglich regelbare Ziele" streiken. Im Hintergrund aber geht es um Macht, um den Umbau des Konzerns und die Frage, wie die Lufthansa wettbewerbsfähig bleiben kann - und wer dafür zurückstecken muss.

Eine Altenpflegerin in Rheinland-Pfalz kann nach fünf Jahren im Dienst etwa 2400 Euro brutto verdienen, ohne Zulage. Bei einem Polizisten in Hamburg, 30 Dienstjahre, sind es 3572 Euro. Ist es da nicht verständlich, dass ein Großteil der Leute denkt, die Piloten heben ab?

Ein Pilot ist nicht verzichtbar

Der Kapitän holt zu einer komplizierten Antwort aus, es geht um die Liberalisierung der Finanzmärkte, um Angebot und Nachfrage, um den Vergleich mit Kollegen anderer Airlines. In der Antwort steckt beides: ja und nein. Ja, für die Passagiere ist es blöd, eine Dienstreise absagen oder ihren Urlaub verschieben zu müssen, oder in überfüllten ICEs in den Gängen zu stehen, weil er und seine Kollegen streiken. Und nein, weil das Recht auf Arbeitskampf jedem zusteht, auch denen, die viel verdienen.

Und deshalb hat er kein Problem mit den 15000 Euro, die er jeden Monat brutto verdient, und auch nicht damit, dass die Vereinigung Cockpit mehr fordert. "Pilot ist ein hochspezialisierter Beruf", sagt er. Vor ein paar Jahren sollte der Kapitän von Frankfurt nach Wien fliegen, Flugdauer 56 Minuten, es war Winter, es schneite. Er bekam die Info, dass es das Catering nicht rechtzeitig schafft. Er hat dann per Ansage gefragt, was die Passagiere lieber wollen, direkt losfliegen oder auf die Sandwiches warten. Die Passagiere wollten losfliegen. Was er damit sagen will: Catering ist verzichtbar, ein Pilot ist nicht verzichtbar. Deshalb trifft der Streik die Lufthansa so hart, die Piloten wissen das. Eine (Zug)reise zu denen, die immer noch höher hinaus wollen. Und zu denen, die diesen Kampf schon lange nicht mehr verstehen.

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