Betriebsversammlung bei Opel:Kampf um Bochum

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Pfiffe und Drama bei der Betriebsversammlung: Opel-Chef Stracke will die Astra-Produktion ins Ausland verlagern. Das könnte das Aus für ein deutsches Werk bedeuten. In Rüsselsheim stellt Stracke sich der empörten Belegschaft. Auch die Ministerpräsidenten Bouffier und Beck sind gekommen - mit schlechten Nachrichten.

Helga Einecke, Rüsselsheim, und Thomas Fromm

Für Karl-Friedrich Stracke ist es kein angenehmer Termin. Und doch muss er da durch. Der Opel-Chef redet viel von Profitabilität, Qualität und von den vielen Hausaufgaben, die gemacht werden müssten. Die Beschäftigten pfeifen. 6000 von ihnen sind zur Opel-Betriebsversammlung in die Rüsselsheimer Werkshalle gekommen. Da keine Zeit mehr war, vorher noch Stühle aufzustellen, stehen sie.

So wirkt die ganze Atmosphäre noch dramatischer, emotionaler, aufgeladener. Vieles von dem, was der Opel-Chef bislang in seinem Giftschrank versteckt hielt, war schon in den vergangenen Wochen publik geworden. Das bringt ihn heute in die Defensive. Die Astra-Produktion soll ins Ausland verlagert werden; die nächste Generation des Familien-Vans Zafira soll nicht mehr in Rüsselsheim entwickelt werden, sondern beim Partner PSA Peugeot-Citroën in Frankreich. Stracke muss heute also versuchen zu beruhigen. Die Arbeitnehmer, die in ihm den eiskalten Sanierer sehen, einer, der unbedingt sparen will. Seine Chefs bei der Opel-Mutter General Motors (GM), die von Detroit aus auf Rüsselsheim schauen - sie wollen einen harten Autoboss, der durchgreift, und keinen, der einknickt. Und da sind die Politiker mit ihren Appellen: kein Stellenabbau, nicht bei ihnen.

Karl-Friedrich Stracke ist der Mann zwischen den Fronten.

Er hat einen Zehn-Punkte-Plan mitgebracht, und wer so etwas präsentiert, hat in der Regel viel Neues zu verkünden. Strackes Plan aber ist nur wenig revolutionär. Elf Milliarden Euro will er in neue Modelle investieren - das hatte sich schon sein Vorgänger Nick Reilly vorgenommen. Stracke will die Materialkosten senken und neue Exportmärkte erschließen - auch dies keine Überraschung. Er will sich dafür einsetzen, dass Modelle der Konzernschwester Chevrolet in Europa gebaut werden könnten.

Für die Arbeitnehmervertreter, die ihre Fabriken auslasten wollen, wäre das ein Punktsieg. Allerdings gilt es als wenig realistisch, dass GM seine billigen Chevys im Hochlohnland Deutschland fabrizieren lässt. Stracke will den Eindruck vermeiden, es gehe hier um einen Sparplan. Lieber spricht er von einer "umfassenden Strategie, mit der wir schnell wieder in die Gewinnzone fahren werden". Zu seinen wenigen konkreten Sätzen gehört dieser: "Angesichts der erwarteten Nachfrage sind wirtschaftlich nur zwei Astra-Werke sinnvoll."

Hier liegt der eigentliche Sprengstoff: Der Astra nicht mehr aus Rüsselsheim, sondern nur noch aus dem britischen Ellesmere Port und dem polnischen Gleiwitz - damit könnte Rüsselsheim den bisher in Bochum gefertigten Zafira bekommen. Das wäre das sichere Aus für Bochum und seine 3200 Arbeiter. Stracke sagt es nicht so, aber er dementiert auch nichts. Für die Arbeiter ist das eine Bestätigung. "Das waren zehn Überschriften, die alles und nichts bedeuten können", sagt ein Arbeitnehmer hinterher. Ein anderer: "Die Leute sind stinksauer, die Stimmung ist angespannt."

Vor dem Rüsselsheimer Tor 60 stehen der Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Bouffier hat die Hände gefaltet, die Stirn ist von tiefen Furchen durchzogen. Jemand fragt nach Staatshilfen für Rüsselsheim. Der Politiker sagt Nein. "Politik kann auch keine besseren Autos bauen", findet Bouffier. Solidarität, Appelle, mehr ist nicht drin. Am Ende sagt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD): "Von einer positiven Perspektive kann man bei Weitem noch nicht sprechen."

Ob es sie in einer Woche gibt? Dann ist Stracke eingeladen, in Bochum zu sprechen. In jenem Werk, das auf der Kippe steht. "Wir werden ihn nicht auspfeifen, sondern klare Antworten fordern", sagt der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel. Im Ruhrgebiet sei es üblich, dass man seine Forderungen "noch etwas deutlicher" äußere. Für Stracke wäre Rüsselsheim dann wohl nur ein erstes Training gewesen.

© SZ vom 15.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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