Offshore-Leaks:Geld verpflichtet

Offshore-Leak Cayman Islands

Die Cayman Islands: Weiße Strände, türkis-blaues Wasser und Paradies-Romantik täuschen auch hier über schwarze Geschäfte hinweg.

(Foto: David Rogers/Getty Images)

Steueroase oder Steuerparadies sind verklärende Worte für das Offshore-Geschäft. Die Länder sollten Geldbunker und regulierungsfreie Zonen heißen. Offshore-Leaks ist ein alternativer Reichtumsbericht, der gesunde Unsicherheit schafft.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Die Steueroasen sind keine Schöpfungen Gottes, sondern des Finanzkapitalismus; Palmen und weiße Strände täuschen. Diese Idylle ist keine notwendige Bedingung für eine Steueroase, sie ist aber die willkommene Tarnung für das schwarze Geschäft. Sie verklärt die gewaltigen Geldbunker auf kleinen Territorien zum Offshore-Paradies; küstenfern, ganz weit weg, außerweltlich beinah - dort, wo nur die Sehnsucht des Normalbürgers hinkommt.

Diese Verklärung verharmlost, sie breitet sozusagen das Badetuch über die Tresore und Trusts. Diese Verklärung hilft auch den unromantischen Paradiesen, die, palmenlos, aber geldreich, mitten in Europa liegen; Luxemburg beispielsweise, oder Liechtenstein. Die weitgehend regulierungsfreien Zonen wirken wie Geldmagneten; sie ziehen gewaltige Geldströme an, sie sind Heimatorte der globalen Gier.

Die erste Maßnahme gegen Steueroasen ist daher eine semantische: Man muss ihnen diesen Namen entziehen. So wie man Steuerbetrüger nicht verharmlosend Steuersünder nennen soll, sollte man die Geldmagnetterritorien und Geldbunkerländer nicht "Oasen" nennen. Diese Steueroasen sind Ankerplätze für flüchtiges Kapital, Bollwerke gegen nationale Steuerbehörden und Kapitalverkehrskontrollen.

Kennzeichen dieser regulierungsfreien Zonen, die auf Druck der Finanzindustrie von der Politik bisher akzeptiert oder geduldet werden, sind nicht Palmen, sondern erstens eine niedrige oder gar nicht existierende Besteuerung der Kapitaleinkommen und zweitens die Weigerung, ein Informationsaustausch-System mit den Ländern einzurichten, in denen die Geldanleger zu Hause sind.

Die sogenannten Oasen und Paradiese gehören weder in Finanz- noch in Tourismus-Prospekte, sondern auf schwarze Listen. Und die Territorien, die auf diesen schwarzen Listen stehen, müssen mit Wirtschafts- und anderen Sanktionen belegt werden; Sanktionen müssen auch diejenigen Banken und Anwaltsfirmen treffen, die die Geldtransfers dorthin organisieren und die bei der Geldverwaltung dort helfen. Wer gewaltige Geldsummen in steuerfreie Zonen disloziert, der setzt sich zumindest dem Anfangsverdacht eines Steuerdelikts aus. Die professionelle Hilfe durch Banken und Großkanzleien signalisiert Verdunkelungsgefahr.

Die von der Süddeutschen Zeitung als Teil eines Pressekonsortiums aufgedeckten Listen mit Nutznießern des Finanzbunkersystems ermöglichen den Einblick in ein globales System der Steuervermeidung und Vermögensverschleierung. Es mag sein, dass diese Recherchen nur das bestätigen, was viele Bürger schon ahnten. Aber nun erhält der Reichtum Gesichter; die Recherchen entlarven die Heuchelei (zum Beispiel in der französischen Regierung); sie machen den Reichtum bekannt. Das wirkt entmythologisierend. Gewiss: Nicht alles Geld in den Bunkern ist schwarzes Geld. Steuerhinterziehung ist nur die eine Schande. Die andere besteht darin, dass die Finanzplätze dazu dienen, Steuerzahlungen legal zu umgehen.

Unlängst ist vom deutschen Kabinett der vierte Armuts- und Reichtumsbericht verabschiedet worden. Ganz abgesehen von dessen sonstigen Lücken: Der Reichtum kam darin praktisch nicht vor, weil es Daten über ihn kaum gibt. Seitdem einst die Regierung Kohl in eines ihrer Steuergesetze den Satz geschrieben hat, die Vermögensteuer werde von 1997 an "nicht mehr erhoben" - seitdem werden auch die großen Vermögen nicht mehr wirklich erfasst. Die Listen, die jetzt veröffentlicht werden, sind daher so etwas wie ein alternativer Armuts- und Reichtumsbericht. Es handelt sich um die notwendige Ergänzung zum Regierungsbericht, der von der Realität des Reichtums nichts wissen und nichts sagen will.

Diese Unschärfe-Relation ist ungerecht, sie gefährdet den inneren Frieden: Jeder Hartz-IV-Empfänger muss die Taschen umstülpen, die Hosen herunter- und auch noch den letzten Cent erfassen lassen. Dass nun Namen veröffentlicht werden, schafft gesunde Unsicherheit unter denen, die Geldbunkerländer illegal nutzen.

Nicht jeder Reichtum ist per se amoralisch. Es kommt darauf an, wie man ihn nutzt. Verwerflich ist ein exklusiver, parasitärer Reichtum, der öffentliche Armut schafft. Öffentliche Armut ist Demokratieverlust. Der Reichtum in Geldbunkern korreliert mit der verlorenen Souveränität der Völker; siehe Zypern, siehe Italien.

Es gibt nicht wenige Reiche, die große Stifter sind, oder sich, noch besser, zu einer Vermögensabgabe verpflichten - die also den kargen Satz des Grundgesetzes ernst nehmen: Eigentum verpflichtet! Er verpflichtet zumindest dazu, Steuern zu zahlen. Das ist das Mindeste. Die veröffentlichten Listen können, wenn es gutgeht, zu diesem Mindesten beitragen.

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