NordLB:Augen zu und durch

NordLB

Das Hauptgebäude der Nord-LB in Hannover ist ein architektonischer Hingucker. Der Turm wirkt fast so, als sei er einsturzgefährdet. Auch um die wirtschaftliche Stabilität der Bank steht es nicht zum besten.

(Foto: Stratenschulte/dpa)

Niedersachsen muss Milliarden in seine Landesbank stecken. Dabei hätte man sie wohl auch abwickeln können.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Es ist erst neun Monate her, da war bei der Nord-LB offenbar noch alles in bester Ordnung. Die hannoversche Landesbank, so beschwichtigte Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) im April 2018, sei "weit davon entfernt ein Sanierungsfall zu sein". Akut habe die Bank keinen Kapitalbedarf. Mithin sei das Geldhaus auch kein Übernahmekandidat. Dazu sei es "viel zu stark". Das Land denke allenfalls darüber nach, die Kapitalquoten etwas zu stärken.

Inzwischen aber ist klar: Die viertgrößte deutsche Landesbank wäre schlichtweg pleite, hätten ihr Niedersachsen und die Sparkassen nicht im Januar eiligst 3,7 Milliarden Euro Kapital zugesagt. Vergeblich hatte die schwarz-rote Landesregierung die Wochen zuvor versucht, das Institut an eine andere Landesbank zu verkaufen oder zu angemessenen Konditionen zu privatisieren. Vergeblich hatte man versucht, die Illusion zu erhalten, dass die Schiffskredite in der Bilanz noch allzu viel wert sind. 2018 wird die Bank 2,7 Milliarden Euro Verlust ausweisen - ein Betrag, der an die dunklen Zeiten der Finanzkrise erinnert.

Statt sich also an der Stärke seines Geldhauses zu erfreuen, musste Hilbers nun erklären, warum er 3,7 Milliarden Euro hineinsteckt. Die Bank gehört zu 60 Prozent dem Land, der Rest liegt bei den regionalen Sparkassen. Niedersachsen stellt den Großteil des Geldes (2,5 Milliarden). Der Rest kommt von Sparkassen und Landesbanken, die versprochen haben, sich gegenseitig zu stützen. Es sei das "beste Verhandlungsergebnis", warb Hilbers vor ein paar Tagen und versprach: Man werde nicht einmal Steuergeld einsetzen. Die Finanzierung laufe über eine Beteiligungsgesellschaft des Landes; die Finanzierungskosten würden aus Dividenden der Bank bezahlt. "Es wäre somit ein in sich geschlossenes System, das kein Steuergeld benötigt".

Das klingt irgendwie gut. Aber stimmt es auch? "Eine Bankenrettung zum Nulltarif gibt es nicht", sagt Isabel Schnabel, Wirtschaftsweise und Professorin für Finanzmarktökonomie in Bonn. "Tatsächlich dürfte auch diese Rettung für die Steuerzahler sehr teuer werden". Denn natürlich muss das Land zur Finanzierung der Barkapitalerhöhung (1,5 Milliarden Euro) einen Kredit aufnehmen, für den Zins und Tilgung anfallen. Ob die Bank aber jedes Jahr Dividende zahlt, ist unsicher. Die vergangenen zehn Jahre hat sie nur in zwei Jahren ausgeschüttet, weil sie die strengeren Eigenkapitalanforderungen der Aufseher erfüllen musste. Aber auch künftig werden die Aufseher darauf achten, ob die Bank überhaupt in der Lage ist auszuschütten. Schließlich soll das Institut nicht gleich wieder zum Problemfall mutieren.

Fast alle Parteien in Niedersachsen tragen ihren Anteil an der Krise der Nord-LB

Vielleicht wird sich auch mancher Bürger in Niedersachsen erinnern, dass die frühere schwarz-gelbe Landesregierung bereits 2011 rund 600 Millionen Euro Kapital in die Bank stecken musste und für 1,1 Milliarden Euro bestimmte Anleihen in riskanteres Eigenkapital umgewandelt hat, damit das Institut einen Banken-Stresstest der Aufsicht besteht - Geld, das inzwischen weg ist. Es wäre zwar auch möglich gewesen, das Geschäft herunterzufahren, um Kapital freizusetzen, doch das hielt der damalige Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) für keine gute Idee. Dann könne die Bank kein Neugeschäft mehr machen und produziere eine Kreditklemme, sagte er. Bloß, auch 2011 war von Kreditklemme keine Spur: Es gab und gibt für Mittelständler in Deutschland eher zu viel Kredit als zu wenig. In Niedersachsen aber seien 400 Reeder ansässig, warnte Möllring. "Wenn wir deren Schiffe nicht finanzieren, ist dieser Wirtschaftsbereich platt". "Platt" waren viele dieser dergestalt vom Land subventionierten Reeder später allerdings sowieso. Zwar nicht hinsichtlich ihres Privatvermögens; aber mit Blick auf ihre Schiffe, die angesichts der Konkurrenz aus China kaum mehr wettbewerbsfähig waren und daher die Kreditkosten nicht mehr verdienten. Unter der rot-grünen Landesregierung übernahm die Nord-LB 2016 zu allem Überfluss auch noch die strauchelnde Tochter Bremer Landesbank. Der rot-grüne Bremer Senat hatte seine überdimensionierte Landesbank ebenfalls in der Schifffahrt expandieren lassen, um die Reeder bei Laune zu halten.

Immerhin in diesem Punkt scheint man in Hannover etwas gelernt zu haben. Vorausgesetzt die EU-Kommission genehmigt die Staatshilfe, soll die Bank schrumpfen. Von den 6000 Jobs dürfte ein Teil wegfallen; die Bilanzsumme soll auf 100 Milliarden Euro sinken, die Kapitalquote auf 14 Prozent steigen. Die faulen Schiffskredite werden teilweise verkauft. Wie genau die Landesbank aber Geld verdienen will, ist bislang unklar. Allein mit Krediten an niedersächsische Firmen wird es schwierig. "Die Nord-LB hat weder eine Strategie, wie sie künftig nachhaltig profitabel sein will, noch eine Existenzberechtigung am Markt", sagt Volker Brühl, Professor am Center for Financial Studies an der Goethe-Universität Frankfurt. Isabel Schnabel sagt, "eine Abwicklung wäre aus Sicht der Steuerzahler vermutlich die bessere Lösung". Dabei würde die Bank das Neugeschäft einstellen, bestehende Kredite liefen weiter. Auch so etwas kostet Geld, auf lange Sicht kann es aber günstiger sein, als alle paar Jahre Kapital nachzuschießen.

Dem Land zufolge wäre dafür ein "Garantieschirm von mehr als 20 Milliarden Euro" notwendig gewesen - ein Argument, das Brühl für vorgeschoben hält. "Mit dem jetzigen Konstrukt bleiben die Risiken sowieso beim öffentlichen Sektor". Die Argumentation zeige nur, dass eine Abwicklung mit aller Kraft verhindert werden sollte.

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