Neue Kampagne des Gewerkschaftsbundes:DGB verlangt Mindestlohn für alle

DGB-Chef Michael Sommer

Hat genug von Ausnahmen beim Mindestlohn: DGB-Chef Michael Sommer

(Foto: dpa)

Ob Minijobber oder Taxifahrer: Keine Berufsgruppe soll in Zukunft mehr vom Mindestlohn ausgeschlossen werden, fordert DGB-Chef Michael Sommer. Warum die Gewerkschaften Ausnahmen kategorisch ablehnen - ein Überblick.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Michael Sommer und Reiner Hoffmann, der alte und der voraussichtlich neue Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), haben genug: Ob für Langzeitarbeitslose oder Minijobber, für junge Leute ohne Berufsausbildung oder Rentner - seit Monaten wird über Ausnahmen vom geplanten Mindestlohn von 8,50 Euro diskutiert. Der DGB fordert jetzt dagegen in einer neuen Kampagne: "Mindestlohn für alle, jetzt".

Der Gewerkschaftsbund schlägt außerdem vor, wie in Großbritannien eine staatliche Informationshotline einzurichten. Dort sollen Arbeitgeber wie Arbeitnehmer melden können, wenn Unternehmen die neue Lohnuntergrenze unterschreiten. Außerdem müsse das Bundesfinanzministerium das Personal der Finanzkontrolle Schwarzarbeit aufstocken, um den Mindestlohn wirksam kontrollieren zu können.

"Die Gewerkschaften werden darauf achten, dass der Mindestlohn seine Wirkung auch entlang der Subunternehmen entfalten kann", heißt es in einem neuen Positionspapier des DGB. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will noch vor den Osterferien einen ersten Entwurf für das Mindestlohngesetz vorlegen. Warum die Gewerkschaften darin Ausnahmen kategorisch ablehnen - ein Überblick:

Minijobber

Der DGB weist darauf hin, dass zwei Drittel aller geringfügig Beschäftigten weniger als 8,50 Euro die Stunde verdienen. Die 450-Euro-Stellen seien eine "Niedriglohnfalle". Schon allein auf Grund des Diskriminierungsverbotes für Teilzeitbeschäftigte seien Ausnahmen vom Mindestlohn für Minijobber "nicht zulässig". Dies gelte "unabhängig davon, ob der Minijob als Hauptbeschäftigung oder als Nebenbeschäftigung ausgeübt wird".

Ehrenamtliche Minijobber

Bislang sieht der Koalitionsvertrag vor, für ehrenamtlich tätige Personen Sonderregeln zuzulassen, sofern dies mit einem Minijob verbunden ist. Der Gewerkschaftsbund weist darauf hin, dass solche Personen kombiniert mit der Übungsleiterpauschale bis zu 650 Euro monatlich steuerfrei erhalten können. Dagegen hat der DGB nichts. "Wenn es sich um ehrenamtliche Tätigkeit handelt, gilt unabhängig davon, ob eine Aufwandspauschale gezahlt wird oder nicht, kein Mindestlohn", heißt es in dem Positionspapier. Ob ein Minijob vorliegt oder nicht, dürfe dabei keine Rolle spielen.

Saisonarbeit

Im Koalitionsvertrag wird auf mögliche Probleme bei der Umsetzung des Mindestlohns bei Saisonarbeitern verwiesen. Der DGB erklärt dazu, dass es den Status des Saisonarbeiters arbeitsrechtlich gar nicht mehr gebe. Und weiter: "Nur weil deren Tätigkeit in einer bestimmten Saison anfällt, leitet sich darauf kein Anspruch ab, diese Menschen schlechter zu bezahlen." Die 8,50 Euro müssten folglich auch für Beschäftigte von ausländischen Werkvertragsunternehmen gelten. Nach Angaben des Gewerkschaftsbundes arbeiten Jahr für Jahr 300 000 Arbeitskräfte, vor allem aus dem Ausland, in den typischen Saisonbranchen. Vereinzelt würden hier noch Löhne von unter vier Euro bezahlt.

Rentner

Auch für diese Gruppe lehnt der DGB Ausnahmen kategorisch ab. Diese dürfe es allein wegen des Alters nicht geben. Im Übrigen dürften gerade die Ruheständler "wegen der zunehmenden Altersarmut" nicht vom Mindestlohn ausgenommen werden.

Auszubildende, Praktikanten und junge Beschäftigte

Bei den Azubis sind sich alle einig: Sie entfallen nicht unter das künftige Mindestlohngesetz. Der DGB hält es auch für legitim, Praktikanten vom Mindestlohn auszunehmen, "die ihm Rahmen eines Studiums, einer Berufsausbildung oder des Besuchs einer allgemeinbildenden Schule ein verpflichtendes Berufspraktikum ableisten". Nach Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums dürfe es jedoch für Praktikanten keine Ausnahmen mehr geben. Ähnlich hatte sich Arbeitsministerin Nahles in einem SZ-Interview geäußert. Das von den Arbeitgeberverbänden vorgetragene Argument, die 8,50 Euro könnten junge Leute von einer Ausbildung abhalten, hält der Gewerkschaftsbund für nicht stichhaltig. Junge Leute würden sich in der Regel immer für eine Ausbildung entscheiden, auch wenn sie dann weniger als mit einem Hilfsarbeiterjob verdienten. "Junge Leute denken hier langfristig, weil sie wissen, dass sie ohne Ausbildung oft nur prekäre Arbeitsplätze erreichen können", heißt es in dem Positionspapier.

Zeitungszusteller

Die 300 000 Zusteller in Deutschland werden nach Stücklohn bezahlt. Der DGB ist der Auffassung, dass für diese Gruppe der Mindestlohn gelten müsse. Die Arbeitgeber hätten dabei "durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass auch in diesem Fall der Mindestlohn pro Stunde erreicht wird".

Taxifahrer

In der Branche sind 200 000 als abhängig beschäftigte Fahrer tätig - mit zum Teil langen Standzeiten. Umgerechnet kommen sie deshalb oft auf Stundenlöhne von unter sechs Euro. Für den DGB ist dies kein Grund, das Gewerbe vom Mindestlohn auszuschließen. Die Kommunen seien dafür verantwortlich, die Preise so festzusetzen, "dass auskömmliche Erlöse erzielt werden und die Beschäftigten anständig bezahlt werden können".

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