Nahaufnahme:In der Männerwelt

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"Ohne meine Zeit in den USA wäre ich im deutschen System nicht Professorin geworden." Christina Gathmann

(Foto: oh)

Christina Gathmann wäre ohne ihre Erfahrungen in den USA in Deutschland wohl nie Professorin geworden. Die Wirtschaftswissenschaften sind hierzuland noch stark von Männern dominiert. Die meisten VWL-Studenten sind hingegen Frauen.

Von Jan Willmroth

Wenn Christina Gathmann etwas veröffentlicht, ist eines sicher: Es sind wirtschaftspolitische Fragen, oft mit aktuellem Bezug, die sie beantwortet. Mit zwei Kolleginnen hat die Ökonomin jetzt untersucht, welche Folgen regionale Schocks haben. Es geht dabei um abrupte Veränderungen in einer Region wie die Pleite eines wichtigen Arbeitgebers. Gathmann zeigt, wie stark ein solcher Bankrott den lokalen Arbeitsmarkt beeinflusst. Stellt ein größeres Unternehmen den Betrieb ein, verlieren auch Menschen in zahlreichen anderen Firmen ihren Job. Sie finden aber mit der Zeit tendenziell woanders Arbeit, vor allem, wenn sie jung sind.

Das noch unveröffentlichte Papier ist typisch für die Forschung der 44-jährigen Wirtschaftswissenschaftlerin. Ihre Arbeiten sind politisch relevant, mit Grundlagenforschung im Elfenbeinturm hat sie wenig zu tun, ihre Ergebnisse sind stets mit konkreten Empfehlungen anhand empirischer Ergebnisse verknüpft. In den vergangenen Jahren hat sie sich in mehreren Aufsätzen mit den Folgen direkter Demokratie für die Haushaltsdisziplin der öffentlichen Hand auseinandergesetzt. Moderne politische Ökonomie, mit der sie es bereits in die gefragtesten Journale geschafft hat. Christina Gathmann gehört damit aber noch immer zu einer Minderheit, allein weil sie VWL-Professorin ist.

Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts waren von mehr als 4000 Professuren in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zum Jahreswechsel nur 21,5 Prozent mit Frauen besetzt. In der Volkswirtschaftslehre allein lag der Frauenanteil an den Professuren 2012 bei zwölf Prozent. Er ist in den vergangenen 20 Jahren nur sehr langsam gewachsen. Damals lag der Anteil bei nur zwei Prozent. Die VWL ist noch immer ein männlich geprägtes Fach. Dabei sind Frauen unter den Studenten heute in der Mehrzahl.

Männer besetzen die einflussreichsten Positionen, keines der großen Wirtschaftsforschungsinstitute hatte je einen weiblichen Chef, und Christina Gathmann sagt: "Ich glaube nicht, dass ich ohne meine Zeit in den USA im deutschen System Professorin geworden wäre." Das deutsche System bietet jungen Wissenschaftlern nach der Promotion an der Universität kaum eine Perspektive, geschweige denn finanzielle Sicherheit. Frauen mit Kinderwunsch haben es zusätzlich schwer, eine Karriere in der Wissenschaft zu planen. Bis man als junger Akademiker eine feste Position ergattert, vergehen meist Jahre voller Ortswechsel und Zeitverträge.

Gathmann hat an der Berliner Humboldt-Universität studiert, VWL und Sozialwissenschaften. Sie hat in Chicago ihren Master gemacht, dort promoviert und im Anschluss an der kalifornischen Universität Stanford gelehrt. Nach zwei Jahren als Juniorprofessorin in Mannheim wurde sie auf eine Professur an der Uni Heidelberg berufen. "Als ich in Chicago das Glück hatte, mit zwei Nobelpreisträgern zu arbeiten", sagt sie, "wusste ich endgültig, dass eine Karriere in der Wissenschaft das Richtige für mich ist." Mentoren seien wichtig, weniger inhaltlich als strategisch: Wen sollte man ansprechen, wann welchen Schritt gehen und wie kriegt man seine Arbeiten in den Fachjournalen unter?

Es hat Symbolkraft, dass zum Auftakt der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik am Sonntag ausschließlich Frauen eingeladen waren, um solche Fragen mit Gathmann zu diskutieren. Es ist die erste Jahrestagung der deutschen Ökonomen-Vereinigung, seitdem die Münchener Professorin Monika Schnitzer Anfang des Jahres den Vorsitz übernommen hat - als erste Frau in 142 Jahren.

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