Mobilfunk:Endlich Chef

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Markus Haas hat seine ganze Karriere bei Telefónica Deutschland gemacht. Nun übernimmt er die Führung. Doch im Mobilfunkgeschäft gutes Geld zu verdienen, wird immer schwieriger. Wird er eine Lösung dafür finden?

Von Varinia Bernau, Düsseldorf

Neu wird der Job für Markus Haas nicht. Zum einen, weil er vor drei Jahren schon einmal auf dem Posten saß, als der damalige Chef von Telefónica Deutschland überraschend das Handtuch warf. Gemeinsam mit Rachel Empey führte er das Unternehmen, das sich damals gerade an die Übernahme des kleineren Rivalen E-Plus gemacht hatte. Zum anderen blieb Haas, als Thorsten Dirks dann ein knappes halbes Jahr später die Führung über das fusionierte Unternehmen übernahm, im Vorstand - zuständig für das Alltagsgeschäft.

Offenbar sind die Eigentümer, wozu neben dem spanischen Telefónica-Konzern als Mehrheitsaktionär auch die niederländische KPN mit 15,5 Prozent der Anteile gehört, ganz zufrieden mit ihm. Zu Beginn des neuen Jahres soll Haas, Jahrgang 1972, nun Vorstandsvorsitzender des vor allem für seine Marken O2 und Base bekannten Mobilfunkanbieters werden. Auch Rachel Empey, derzeit zuständig für die Bereiche Finanzen und Strategie, bleibt an seiner Seite: Sie verantwortet im Vorstand nun zusätzlich die Integration von E-Plus, aber auch die Entwicklung neuer Geschäftsbereiche.

Die Zukunft: in den Daten der Mobilfunkkunden nach Mustern suchen

So erfahren Haas und Empey sind, so schwierig ist ihre Aufgabe. Weil die Roaminggebühren durch politischen Druck seit langem sinken und die Leute lieber whatsappen statt SMS zu verschicken, schrumpfen die Einnahmen im etablierten Geschäft. Nach Berechnungen von Bitkom hat die gesamte Branche hierzulande in diesem Jahr etwa 49 Milliarden Euro umgesetzt - das sind 0,3 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Und fürs nächste Jahr prognostiziert der Branchenverband einen doppelt so starken Rückgang. Zugleich aber müssen die Telekommunikationsunternehmen viel Geld in die Netze investieren, aus denen Firmen wie Facebook die Gewinne schöpfen - indem sie Werbung schalten. Facebook ist ja nicht nur der Mutterkonzern von Whatsapp, sondern mit dem eigenen sozialen Netzwerk für viele Menschen auch ein entscheidender Grund, um mit dem Smartphone zu daddeln.

Zwar profitiert Telefónica Deutschland durchaus auch von diesem Trend. Im Laufe der vergangenen drei Jahre haben sich die Erlöse aus den sogenannten Datentarifen, also dem, was man zahlt, um unterwegs online zu sein, mehr als verdoppelt. Und doch gelingt es den beiden großen Rivalen, der Deutschen Telekom und Vodafone, deutlich besser, die steigende Bedeutung von guten Netzen in Zeiten, in denen die Menschen alles Mögliche im Internet erledigen, zu betonen - und sich als Premiumanbieter in Szene zu setzen. In Netztests schneidet Telefónica Deutschland am schlechtesten ab. Das Festnetz, einst unter der Marke Alice beworben, ist ziemlich klein. Einen eigenen Fernsehdienst gibt es gar nicht mehr. Anders als die beiden Wettbewerber kann Telefónica Deutschland seine Kundschaft also nicht mit einem Paket aus Festnetzanschluss, Mobilfunkvertrag und Fernsehanschluss an sich binden. Vor allem E-Plus hat mit immer neuen Niedrigpreisen Telekom und Vodafone angetrieben. Das war angenehm für die Kunden, ist nun aber anstrengend für den neuen Eigentümer: Der Anteil derer, die sich nur ab und an ein Guthaben auf ihr Handy laden statt einen teuren Vertrag abzuschließen, ist deutlich höher als bei den beiden anderen Mobilfunkanbietern. Die Erlöse sind entsprechend niedriger. So kommt es, dass Telefónica Deutschland mit etwa 48 Millionen so viele Kunden hat wie kein anderer Mobilfunkanbieter, beim Umsatz aber dennoch hinter den beiden Rivalen hinterherhinkt. Und kürzlich kamen dann auch noch massive Beschwerden dazu, weil die Hotline gar nicht oder erst nach langer Warteschleife erreichbar war.

Es ist nicht so, als hätten sie bei Telefónica Deutschland, keine Ideen für einen Ausweg aus diesem Dilemma. Eine Tochtergesellschaft mit dem Namen Next bastelt in Berlin am Geschäft der Zukunft: Diese etwa 50 Mann starke Mannschaft soll in den Daten der knapp 44 Millionen Mobilfunkkunden nach Mustern suchen und diese als Analyse anderen Firmen anbieten. So könnten Supermärkte etwa herausfinden, wann welche Waren gekauft werden. Städte könnten die Verkehrsplanung verbessern. Der Konzern kooperiert zudem mit dem Medienhaus Burda, um seinen Kunden einen Fernsehstream per App anzubieten - und so doch zumindest ein wenig beim boomenden Geschäft mit Streamingdiensten für unterwegs mitzuverdienen. Und er bietet Kunden seit dem Sommer auch ein mobiles Bankkonto, bei dem man seine privaten Finanzen per Smartphone regeln kann und statt Zinsen ein guthaben fürs Surfen unterwegs erhält.

Die Frage ist nur: Werden solche Experimente erfolgreich sein? Und zwar ehe, das etablierte Geschäft gänzlich weggebrochen ist.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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