Misstrauen:Seltener Aufstand

Dass Vorstände so wenig Zustimmung bekommen wie zuletzt bei der Deutschen Bank gab es schon bei Infineon, Siemens und Thyssen-Krupp.

Von Helga Einecke

Nein, an eine derartige Ohrfeige könne er sich nicht erinnern. Das sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), am Telefon nach einer kleinen Pause des Nachdenkens. Mit der Ohrfeige meint er das schlechte Abschneiden der kompletten Führung der Deutschen Bank bei der Hauptversammlung. Nur 61 Prozent der Aktionäre entlasteten Jain & Co. "Eine Abstimmung unter 90 Prozent ist ja schon eine Sensation", kommentiert Kurz den Alltag auf Aktionärstreffen in Deutschland.

Tatsächlich haben die Aktionäre eines großen Unternehmens schon einmal den Daumen so deutlich gesenkt. 2009 war das, in der Messe in München-Riem ging es hoch her. "Wird Infineon diese Krise überleben?", fragten damals die Aktionäre. Oder: "Wann müssen Sie Konkurs anmelden?" Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley und Infineon-Chef Peter Bauer überzeugten nicht. Bauer wurde mit 61 Prozent, Kley sogar nur mit 50,026 Prozent entlastet. Infineon hat die Krise überlebt, Kley gab sein Amt ein Jahr später auf. Bauer zog sich 2012 aus gesundheitlichen Gründen zurück, kehrte dieses Jahr als Mitglied des Aufsichtsrats zu Infineon zurück - und zwar unter dem Beifall der Aktionäre. "Wir kriegen exzellente Kompetenz zurück zu Infineon", jubelten die Bedenkenträger von damals.

Der nächste Aufstand der Aktionäre beim Chiphersteller Infineon ging schon 2010 über die Bühne, scheiterte aber. Ausländische Aktionäre machten gegen die Nominierung von Klaus Wucherer als Chefkontrolleur und Nachfolger von Kley Front, weil sie ihn als langjähriges Mitglied des Aufsichtsrats für die Misere des Unternehmens mit verantwortlich machten. Sie stellten einen eigenen Kandidaten auf, der aber verlor. Das Duell um den Aufsichtsratsvorsitz war damals auch ein Novum bei Hauptversammlungen.

Auch die Chefs von Siemens und Thyssen-Krupp bekamen den Unmut der Aktionäre vor einigen Jahren zu spüren. 2007 wurden Siemens-Vorstandschef Klaus Kleinfeld und Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer nur zu 71 und 66 Prozent entlastet. Drei Monate räumte von Pierer, sechs Monate später Kleinfeld das Feld. Heinrich Hiesinger, Chef des Stahlkonzerns Thyssen-Krupp, trauten zwischenzeitlich deutlich weniger Aktionäre, sie entlasteten ihn nur mit 71 Prozent. Dieses Jahr erhielt er wieder 99,6 Prozent, eine durchaus übliche Quote

Nach Einschätzung von DSW-Sprecher Kurz zeigen sich die mächtigen ausländischen Aktionärsgruppierungen selten auf Hauptversammlungen. "Die suchen direkt den Kontakt zu den Konzernen", sagt er. Hinter verschlossenen Türen würden sie ihre Kritik vortragen, und normalerweise reagiere das Management bereits vor einem Aktionärstreffen, wohl auch um einen Eklat und die peinliche Konfrontation in aller Öffentlichkeit zu vermeiden.

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