Mehdorns Abschied als BER-Chef:Ende in Motzen

Hartmut Mehdorn

Hartmut Mehdorn: "Als ich im März 2013 den Posten des Vorsitzenden der Geschäftsführung übernahm, herrschten Chaos und Stillstand auf der Baustelle".

(Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • Nur 20 Monate nach seinem Amtsantritt als BER-Chef nimmt Hartmut Mehdorn seinen Hut. Bis ein Nachfolger gefunden ist, will er zwar weitermachen - spätestens Ende Juni 2015 soll aber Schluss sein.
  • Mehdorn scheidet offenabr aus Enttäuschung darüber aus, dass die BER-Eigner dem Vernehmen nach zuletzt bereits auf der Suche nach einem Nachfolger für ihn waren.
  • Mit dem Abschied des 72-Jährigen endet eine Manager-Karriere, die in Deutschland beispiellos ist: als Luftfahrt-Manager, Bahn- und Airline-Chef und zuletzt als BER-Verantwortlicher.

Von Karl-Heinz Büschemann und Jens Schneider, Berlin

Das war's dann. Klaus Wowereit ist schon weg, vor fünf Tagen hat der Regierende Bürgermeister von Berlin (und langjährige Aufsichtsratschef des unfertigen Hauptstadtflughafens BER) sein Büro geräumt. Und nun geht auch er: der Mann, der das Desaster im Brandenburgischen beseitigen wollte - und es auch nicht geschafft hat. Nach nur gut zwanzig Monaten im Amt gibt Hartmut Mehdorn seinen Posten als Geschäftsführer des Berliner Hauptstadtflughafens BER vorzeitig auf.

BER-Eigner waren offenbar bereits auf Nachfolger-Suche

Er lege sein Mandat als Vorsitzender der Geschäftsführung nieder, teilte der 72-Jährige Manager dem Aufsichtsratschef am Montag mit. Am liebsten würde er wohl sofort gehen wollen, aber Mehdorn, der Pflichtmensch, sagt, er sei bereit, die Geschäfte bis zur Findung eines Nachfolgers weiterzuführen. Spätestens zum 30. Juni 2015 wolle er aber ausscheiden.

Mehdorn reagiert damit auf anhaltende Spekulationen über seine Zukunft als Chef der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg. Vor der Aufsichtsratssitzung am vergangenen Freitag war über seine baldige Ablösung spekuliert worden. Man hörte, dass die Gesellschafter des BER - der Bund, sowie die Länder Berlin und Brandenburg - schon einen Nachfolger suchten, obwohl Mehdorns Vertrag eigentlich noch bis zum März 2016 läuft. Zu diesen Spekulationen über seine Zukunft gab es bestenfalls maue Dementis.

Er habe in den zurückliegenden Wochen zur Kenntnis nehmen müssen, "dass im Aufsichtsratsumfeld Spekulationen zu meiner Person angestellt wurden, die das für mich vertretbare Maß überstiegen", sagte Mehdorn. Wie es im Umfeld des Aufsichtsrats am Montag hieß, suchte Mehdorn bereits in der vergangenen Woche das Gespräch mit den Aufsehern. Er habe sich bei dem Treffen im brandenburgischen Motzen äußerst irritiert über die Medienberichte gezeigt, wonach mit potenziellen Nachfolgern verhandelt werde. Schon in den letzten Tagen habe er seinen Abschied angedeutet.

Viele Reibereien, wenig Fortschritte

Nach außen hin hatte sich Mehdorn in Motzen bereits auffallend distanziert gezeigt. Als er am Rande der Aufsichtsratssitzung nach seiner persönlichen Zukunft gefragt wurde, sagt er, dass er bei der geplanten Eröffnung des Hauptstadtflughafens im zweiten Halbjahr 2017 gewiss dabei sein werde - "in welcher Form auch immer". Am Montag erklärte er dann, dass er seinen Rücktritt persönlich sehr bedauere, "da er weder meinem Pflichtbewusstsein noch meinen persönlichen Zielen entspricht". Der Schritt sei aber in Abwägung der Gesamtlage notwendig geworden.

Der Berliner Hauptstadtflughafen sollte eigentlich im Juni 2012 eröffnet werden. Wegen massiver technischer Mängel musste die Feier abgesagt und einige Monate darauf auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Weil es über Monate keine Fortschritte auf der Baustelle gab, wurde der als zupackender Manager bekannte Mehdorn verpflichtet. Er gründete ein sogenanntes Sprint-Team auf der Baustelle, um die Abläufe neu zu ordnen und zu beschleunigen. Dennoch gab es lange keine Fortschritte und immer wieder Rückschläge. So wurde im vergangenen Sommer der damals gerade erst neu engagierte Technik-Chef entlassen, weil dieser unter Korruptionsverdacht stand. Die Kosten für den Flughafen stiegen derweil auf rund 5,4 Milliarden Euro an.

Zudem gab es ständig Reibereien zwischen Mehdorn und den Gesellschaftern des Flughafens, vor allem der Regierung in Brandenburg und dem Bund. Der Geschäftsführer beklagte wiederholt, dass es sich um eine politisch überfrachtete Baustelle handle. "Als ich im März 2013 den Posten des Vorsitzenden der Geschäftsführung übernahm, herrschten Chaos und Stillstand auf der Baustelle", erklärte Mehdorn. "Nun ist die Baustellenorganisation geordnet, die technischen Kernfragen sind entschieden", auch ein neues Managementteam sei an Bord.

Lob - und Kritik

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach Mehdorn Dank aus, äußerte sich aber auch kritisch. Mehdorn habe den Prozess der Inbetriebnahme wieder in die richtige Spur gebracht, "der positive Beitrag von Mehdorn" sei unbestritten, aber er hätte sich "eine höhere Geschwindigkeit im Bau und weniger Schlagzeilen in den Medien gewünscht", sagte Woidke. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprach von einem "respektablen Schritt". Mehdorn habe "die schwierige Situation auf der Baustelle neu geordnet und dem Projekt BER eine klare Richtung gegeben".

Mit dem Ausstieg Mehdorns endet eine der ungewöhnlichsten Managerkarrieren in Deutschland. Denn der 72-Jährige ist furchtlos und kompromisslos wie kaum ein Zweiter. Es macht ihm geradezu Spaß, Aufgaben zu übernehmen, die anderen zu mühsam sind. Und wenn er es Politikern mal richtig zeigen kann, ist er erst recht dabei. "Weniger Politik, mehr Sachverstand", ist das Credo des Hartmut Mehdorn.

Genauso furcht- wie kompromisslos

Deshalb hat der gelernte Flugzeugbauer Ende 1999 den Chefposten bei der Bahn angenommen und brachte es in der Rolle zum wohl meistgehassten Unternehmenschef der Republik. Sein Auftrag von der Bundesregierung war es, den Staatsbetrieb, der jedes Jahr Milliarden Verluste machte, an die Börse zu bringen. Mehdorn traute sich das zu und tat, was einer tut, der ein Unternehmen wie eine Schraubenfabrik führt. Er achtete auf die Kosten, sparte und sparte. Der brachiale Mehdorn hat vieles falsch gemacht an der Spitze der Bahn, aber er hat mehr angepackt und verändert, als andere sich getraut hätten. "Die Bahn hat 80 Millionen Eigentümer", klagte er, wenn er mal wieder für eine seiner Sparentscheidungen von Politik, Medien und Gewerkschaften gescholten wurde.

Sein Handwerk als Gegenspieler von Politikern und Beamten hat Mehdorn in der Luft- und Raumfahrtindustrie gelernt, in der er dreißig Jahre aktiv war. Er machte als Flugzeugbauer seit den Sechzigerjahren eine steile Karriere, die ihn bis in die Spitze der Dasa brachte, die heute ein Teil des europäischen Airbus-Konzerns ist.

Mehdorn ist mit einer Französin verheiratet und ein glühender Verfechter des europäischen Flugzeugprojekts. Er hat sich nie zurückgehalten, wenn es darum ging, gegen den mächtigen französischen Partner zu stänkern, der bei Airbus die Führung beanspruchte. Mehdorn half mit, den Franzosen abzutrotzen, dass auch in Deutschland komplette Airbus-Typen gebaut werden: die kleinen Airbus-Typen A318, A319, A321 und zum Teil auch den A320 in Hamburg. "Deutschland muss in der Lage sein, ein ganzes Flugzeug zu produzieren", sagte er mal. Mehdorns Karriere bei Airbus endete, weil er in einem noch größeren Dickschädel einen Gegner hatte: Jürgen Schrempp, der spätere Daimler-Chef, und Hartmut Mehdorn waren sich zu ähnlich, um in einem Vorstand zu sitzen. Mehdorn wechselte die Branche und brachte anschließend den Druckmaschinenhersteller Heidelberger Druck an die Börse.

Auch beim BER wollte Mehdorn bisweilen mit dem Kopf durch die Wand, und so begründete er seinen Rücktritt nun mit einem für ihn typischen Satz: "Weiter so ist nicht meine Sache."

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