Konjunkturspritze der US-Notenbank Fed:Geld ohne Grenzen

Es war eine deutliche Ansage: Wir drucken so viel Geld, bis die Arbeitslosigkeit spürbar gesunken ist, sagte Fed-Präsident Ben Bernanke. Damit wird die Geldpolitik instrumentalisiert, fast stärker noch, als sie es in Europa schon ist. Das ist gefährlich.

Nikolaus Piper

Dieser Donnerstag wird in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Es war der Tag, an dem die Notenbank Federal Reserve (Fed) die Führung in der Krisenpolitik Amerikas übernommen hat. Die Geldpolitik, wie man sie bisher kannte, hat einer neuen Realität Platz gemacht. Die Krise, die die westliche Welt seit 2007 lähmt, soll auf nicht absehbare Zeit mit frischem Geld gelindert, wenn nicht sogar bekämpft werden. Was bis vor kurzem noch als gewagte Ausnahme galt, ist zur neuen Normalität geworden. Was dies für das Verhältnis von Politik, Wirtschaft und Währungsbehörden bedeutet, kann man heute nur ahnen.

Barack Obama

Die Entscheidung der US-Notenbank Fed ist wichtig für Barack Obamas Wahlkampf. Am 6. November stellt sich der amtierende US-Präsident zur Wiederwahl. 

(Foto: AP)

Eine Woche zuvor hatte schon die Europäische Zentralbank (EZB) die Führung in Europa übernommen. Mit dem Kauf von italienischen und spanischen Staatsanleihen stabilisiert sie den Euro. Die Verteilung der Risiken in der Euro-Zone, eines der Schlüsselprobleme der Schuldenkrise, wird nun erst einmal über die Bilanz der EZB gelöst. Und nun die Fed.

Es war nach all den Reden der jüngsten Zeit klar gewesen, dass die Notenbank handeln würde. Wie sie es dann tat, war allerdings eine Sensation. Fed-Präsident Ben Bernanke erklärte mehr oder weniger deutlich: Wir werden ohne Grenzen Geld drucken, solange bis die Arbeitslosigkeit substantiell gesunken ist. Nun gehört es, anders als bei der EZB, zum gesetzlichen Auftrag der Fed, nicht nur für stabile Preise, sondern auch für Vollbeschäftigung und Wachstum zu sorgen. Aber dass sie ihre Politik so klar an Erfolge auf diesem Gebiet knüpft, ist ebenso neu, wie der Mut, mit dem es sich Bernanke zutraut, diese Erfolge zu erzielen, obwohl der Leitzins als klassisches Instrument der Geldpolitik heute praktisch bei null liegt und damit als Instrument ausscheidet. Die Fed wird weiter Staatsanleihen kaufen, um die Zinsen niedrig zu halten. Und sie wird erstklassige Hypothekenanleihen kaufen, um den Immobilienmarkt zu stützen.

Angriffe der republikanischen Rechten auf die Fed werden immer lauter

Genauso wichtig ist die Verpflichtung der Fed, die Niedrigstzinsen von null bis 0,25 Prozent noch bis Mitte 2015 beizubehalten (bisher Ende 2014). Das bedeutet nicht unbedingt, dass die Krise noch so lange dauern wird. Aber die Notenbanker scheinen bereit zu sein, die Wirtschaft auch dann noch mit billigem Geld zu versorgen, wenn es aufwärtsgeht. Und sie sind willens, das ist der logische Schluss, dafür bis zu einem gewissen Grad steigende Preise in Kauf zu nehmen. Bemerkenswert schließlich, dass der sehr heterogene Offenmarktausschuss der Fed dies alles mit nur einer Gegenstimme gebilligt hat, und zwar in einem Umfeld, in dem die Angriffe der republikanischen Rechten auf die Fed immer lauter und immer aggressiver werden.

Viel Symbolik

Es liegt viel Symbolisches in der Fed-Aktion vom Donnerstag. Sie fand statt fast genau vier Jahre nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers. Damals, am 15. September 2008, begann die heiße Phase der Finanzkrise. Wie man heute weiß, war mit dem Kollaps von Lehman auch der Wahlsieg von Barack Obama besiegelt. Nach dem Desaster an der Wall Street wollte Amerika einen Neubeginn.

Vier Jahre später ist das Land enttäuscht von seinem Präsidenten und zerrissener denn je. Obama hat zwar 2009 das Schlimmste verhindert und den Absturz in eine neue Weltwirtschaftskrise gestoppt. Aber er schaffte es nicht, eine neue Jobmaschine in Gang zu setzen. Die Arbeitslosenquote liegt immer noch bei über acht Prozent, Amerika hat einen Aufschwung, aber es ist der schwächste seit dem Zweiten Weltkrieg. Das könnte Obama am 6. November immer noch den Wahlsieg kosten. Dieses Hoffnungsdefizit versucht nun die Fed zu füllen - und das macht ihren Beschluss so brisant: Die Geldpolitik wird politisiert, fast stärker noch, als sie es in Europa schon ist.

Unerforschtes Gelände

Man muss sich in Erinnerung rufen, dass Politiker und Notenbanker sich immer noch in unerforschtem Gelände bewegen. Die Situation ist so, als wäre 1931 die Weltwirtschaftskrise durch kluge Politik gestoppt worden. Dann wären der Welt Hitler und der Zweite Weltkrieg erspart geblieben. Stattdessen hätten die Regierungen in einem langen und mühsamen Prozess all die Fehlentwicklungen korrigieren müssen, die zuvor in den Crash von 1929 geführt hatten.

In einem ganz ähnlichen Prozess befinden sich die Politiker und Amerika seit 2009. Nach einer so tiefen Krise kann ein Aufschwung nur schwach sein: Diese These der Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhardt ist inzwischen weltweit akzeptiert. Ben Bernanke und - unter spezifisch europäischen Vorzeichen - Mario Draghi sagen: Wir können trotzdem etwas unternehmen und zumindest Schlimmeres verhindern.

Mutig und riskant

Das ist mutig und das ist auch riskant. Nicht dass jetzt unmittelbar Inflation drohen würde. Die Teuerung liegt in den USA, nach zwei Jahren Geld drucken, bei ganzen 1,4 Prozent. Die Gefahr liegt in der Politisierung der Notenbank. Was ist, wenn Bernankes Maßnahmen nicht wirken? Oder was ist, wenn sie wirken und die Fed eigentlich daran gehen müsste, das gedruckte Geld wieder einzusammeln, was für jeden Politiker in Washington dann unangenehm sein dürfte. Hat die Fed dann noch das Rückgrat, unpopuläre Entscheidungen zu treffen?

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