Kommentar:Selbstzerstörung

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Die USA wollen die Banken weltweit strenger regulieren. Sie drängen darauf, dass die Institute für Baukredite viel Kapital reservieren. Was vernünftig klingt, ist für Europas Banken gefährlich und alles andere als gerecht. Sie sollten sich wehren.

Von Meike Schreiber

Nur noch wenige Tage, und es wird endlich feststehen, wer die neue Präsidentin oder der neue Präsident der USA sein wird. Dann wird auch klarer, welchen wirtschaftspolitischen Kurs das Land einschlägt, einen protektionistischen, wenn Donald Trump gewinnt, oder eher einen Freihandelskurs, wenn Hillary Clinton das Rennen macht.

In einem Punkt jedoch werden die Amerikaner wohl bei ihrer Linie bleiben: beim Thema Bankenregulierung. Sie werden versuchen, ihre Vorstellungen weltweit zu exportieren. Es ist ein Kurs, der vor allem den US-Banken zugutekäme; und einer, der Europas Geldhäuser weiter schwächen würde, just zu einem Zeitpunkt, da sie ohnehin bedrohlich Marktanteile verlieren. Konkret geht es um die neuen Regulierungsvorgaben, die in der Branche unter dem Namen Basel IV laufen. Kommt es dazu, werden die europäischen Institute ihr Eigenkapital wohl noch einmal deutlich erhöhen müssen.

Im Kern geht es darum, wie Banken ihre Kreditrisiken berechnen. Das ist von großer Tragweite für die Institute. Zeichnet sich ab, dass ein Bauherr oder ein Mittelständler sein Darlehen womöglich nicht zurückbezahlen kann, muss eine Bank dafür deutlich mehr Eigenkapital zurücklegen. Dieses Risiko berechnen die großen Institute bislang nach eigenen - aber von Wirtschaftsprüfern und Finanzaufsicht geprüften - Modellen. Diese internen Modelle sollen durch Standards ersetzt werden, die vorschreiben, wie viel Kapital eine Bank reservieren muss. Das, so die Hoffnung, ist weniger anfällig für Manipulationen.

Die neuen Regeln kennen vor allem einen Gewinner: die starken US-Banken

Das Ansinnen ist durchaus vernünftig, schließlich hat die Finanzkrise gezeigt, dass Banken mehr Kapital brauchen und auch im Detail strenger reguliert werden müssen. Trotzdem sind die neuen Regeln gefährlich, denn ihre Bedingungen sind alles andere als gerecht. Die US-Banken nämlich tangiert Basel IV viel weniger. Sie verfolgen in der Regel ohnehin einen Standardansatz, weswegen ihnen das Gejammer der Europäer schnuppe ist.

Um das zu verstehen, muss man wissen, dass sich US-Unternehmen sehr viel stärker über Anleihen und Aktien statt über Bankkredite finanzieren. Diese Papiere liegen bei Investoren weltweit und belasten daher weniger die Bilanzen der US-Institute. Außerdem können die US-Banken den Großteil ihrer Immobilienkredite an die beiden staatlichen Förderbanken Fannie Mae und Freddie Mac auslagern. Das wäre so, als wenn die Immobilienfinanzierung in Deutschland bei der Förderbank KfW abgeladen würde.

Hinzu kommt, dass Immobilienkredite zumindest in Deutschland sehr viel konservativer vergeben werden als in anderen Ländern. Die Ausfallraten sind deutlich niedriger und damit auch die Eigenkapitalunterlegung. Die Deutsche Bank aber versucht nun trotzdem - quasi in vorauseilendem Gehorsam - die Postbank zu verkaufen. Das liegt nicht etwa daran, dass dies geschäftspolitisch sinnvoll wäre, sondern vor allem daran, dass die Tochter viele Immobilienkredite vergeben hat.

Käme es zu den neuen Regeln, müssten die deutschen Banken ihr Eigenkapital wohl um 30 Prozent erhöhen, fürchten die Bankenverbände. Selbst wenn man den üblichen Abschlag für Lobby-Getöse vornimmt, wird der Bedarf spürbar steigen. Gelingt es den Banken nicht, frisches Eigenkapital aufzunehmen, was sehr wahrscheinlich der Fall wäre angesichts der niedrigen Aktienkurse, dann wären sie damit noch weiter abgehängt.

Während es vor der Finanzkrise fast schon egal war, wie viel Kapital eine Bank hat, zählt heute im Wettbewerb um Kunden und Investoren kaum etwas mehr als die Höhe der Rücklagen. In der Frage, welche Chancen Europas Großbanken noch haben im Wettbewerb mit den US-Instituten, sind die neuen Regeln daher entscheidend. Mehr noch: Sie bestimmen auch, ob Europas Banken dauerhaft in der Lage sein werden, das Wachstum des siechenden Kontinents zu finanzieren.

Setzen die Baseler Aufseher die neuen Standards wirklich durch, sollten sich die Europäer vorbehalten, aus dem Regelwerk auszusteigen. Das wäre zwar eine Abkehr von der internationalen Zusammenarbeit. Aber es wäre wohl die einzige Lösung, sollten die Regulierer aus den Augen verlieren, was sie sich vorgenommen haben: Nicht nur sichere Finanzmärkte zu schaffen, sondern auch gleiche Spielregeln für alle. Derzeit aber scheinen sich die Europäer den Kurs mehr oder weniger widerstandslos aufzwingen zu lassen.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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