Kommentar:Rote Karte für Renzi

Endlich spüren die Italiener den Aufschwung, endlich tritt so etwas wie Normalität ein. Da ist es nicht zu fassen, dass der Ex-Premier Renzi jetzt Populismus betreibt.

Von Ulrike Sauer

Es ist kaum zu fassen. Die italienische Wirtschaft belebt sich, die notleidenden Bankkredite sind reduziert, die Unternehmer fassen Mut. Es sind labile Signale, aber sie sind enorm wichtig. Denn sie betreffen die beiden schwersten Kalamitäten Italiens: eine hartnäckige Wachstumsschwäche und faule Kredite, die wie Blei in den Bankbilanzen liegen und die Investitionen bremsen. Erstmals macht sich der Aufschwung im Alltag vieler Italiener bemerkbar. Die Zahl der Beschäftigten kehrte auf das Niveau vor der Krise 2008 zurück. Bisher war der Exportanstieg der einzige Motor des Wachstums, nun zieht auch der private Konsum an. Das Parlament diskutiert gerade den Etatentwurf, der die Neuverschuldung 2018 drücken soll. Das Land schöpft Hoffnung und kämpft sich im Ausland aus dem Reputationstief.

Und was macht Matteo Renzi, der im kommenden März gern an die Macht zurück will? Der ehemalige Premier greift die Autonomie der italienischen Zentralbank an. Als Parteivorsitzender der sozialdemokratischen PD verlangt er die Absetzung des Gouverneurs Ignazio Visco. Der Chef der Banca d'Italia habe bei der Aufsicht über einige italienische Banken versagt, die Anleger um Milliarden geprellt haben. Sein Wahlkampfauftakt verheißt Schlimmes. Das Virus des Populismus hat auch Italiens größte Regierungspartei infiziert. Ihr Chef schlägt sich auf die Seite demagogischer Opportunisten.

Der ehemalige Premier nimmt die Diskreditierung der Zentralbank in Kauf

Mit seiner Offensive gegen Visco schwang sich Renzi zum Beschützer der von den Banken betrogenen Anleger auf. Er hofft, Wähler zu ködern, wenn im Frühjahr ein neues Parlament gewählt wird. Das Bankenthema treibt die italienische Öffentlichkeit seit zwei Jahren um. Viele Italiener fühlen sich nach sieben Insolvenzen zumeist kleinerer Banken - die prominente Ausnahme: Monte dei Paschi - hintergangen und schutzlos. Also zeigt Renzi Visco nun die Rote Karte. Die sechsjährige Amtszeit des Zentralbankchefs läuft in wenigen Tagen ab. Ob sein Mandat erneuert oder ein Nachfolger ernannt wird, ist jedoch allein Sache des Staatspräsidenten, der auf Vorschlag des Regierungschefs Paolo Gentiloni handelt. Und nicht die Angelegenheit der Parteien.

Renzi ist das egal. Denn: Cosi fan tutti. Sein Gepolter stimmt in die lautstarken Kampagnen ein, die seit Langem von dem Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung Beppe Grillo und dem rechten Lega-Nord-Chef Matteo Salvini gegen die Zentralbank geführt werden.

Was ist in den früheren Ministerpräsidenten gefahren? Die Gründe des Angriffs sind leicht nachzuvollziehen. Im November 2015 musste Renzis Regierung vier mittelitalienische Regionalbanken retten. Darunter befand sich pikanterweise die Banca Etruria, die ihre Anleger übel getäuscht hatte und dessen Aufsichtsratschef der Vater von Reformministerin Maria Elena Boschi war. Dies war der Anfang des Endes von Premier Matteo Renzi. Der Stern des Blitzaufsteigers sank schnell. Sein Reformanlauf scheiterte ein Jahr später mit der Niederlage beim Verfassungsreferendum. Da ist also einer, der meint, offene Rechnungen begleichen zu müssen. Er fängt bei Visco an.

Tatsächlich haben weder die Zentralbank noch die Börsenaufsicht und auch nicht das Finanzministerium eine gute Figur in dem Debakel gemacht. Die Kontrollen waren zu locker, die Aufseher kurzsichtig. Italiens Bankenkrise wurde in den vergangenen 24 Monaten schlecht gemanagt. Den Steuerzahlern halste man 20 Milliarden Euro auf. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll die Affären aufarbeiten.

Vor allem aber unternahm Renzi den Versuch, die Grillo-Bewegung mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Zunächst hatte er damit Erfolg: Mit der Attacke auf Visco stahl er seinem Wahlkampfgegner Nummer eins die Schau. Tagelang beherrschte er die Debatte. Nur verschrottete der PD-Chef dafür ein Stück politischer Verantwortungskultur der italienischen Linken. Sie war es, die erst Italiens Beitritt zur Währungsunion und dann die Rettung des Landes am Abgrund der Staatspleite mit der Durchsetzung höchst unpopulärer Sparopfer sicherte.

Diese Haltung kehrt der Wahlkämpfer nun um. Renzi nimmt eine Diskreditierung der römischen Zentralbank in Kauf. Sie aber hätte einen hohen Preis für Italien. Vor der Banca d'Italia liegen harte Verhandlungen in Europa über den Umgang mit den notleidenden Krediten der italienischen Institute, über die Regeln der Bankenrettung und auch über die Geldpolitik der EZB. Zweifel an ihrer Unabhängigkeit wären Gift. Doch Renzi ist es unendlich wichtiger, als Rächer geprellter Sparer ins Rampenlicht zu springen. Da steht er falsch.

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