Kolumne: Silicon Wadi:Aufstehen und weiter!

Kolumne: Silicon Wadi: An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Marc Beise (München), Malte Conradi (San Francisco), Alexandra Föderl-Schmid (Tel Aviv) und Christoph Giesen (Peking) im Wechsel.

An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Marc Beise (München), Malte Conradi (San Francisco), Alexandra Föderl-Schmid (Tel Aviv) und Christoph Giesen (Peking) im Wechsel.

Wer in Israel mit einem Start-up oder einer Mondmission scheitert, probiert es einfach noch einmal. Scheitern wird als Erfahrung verbucht. Die nicht geglückte Mondlandung ist ein Lehrstück für Innovation und Motivation.

Von Alexandra Föderl-Schmid

"Träume groß!" Diese Aufforderung prangt in riesigen Buchstaben auf dem windumtosten Platz zwischen dem Meer und dem Peres Center in Jaffa. Dort steht in der großen Eingangshalle das Modell des Raumfahrzeugs Beresheet. Es ist viel kleiner als vermutet: Wie ein etwas breiterer Stuhl, größer ist es nicht. Aber es waren große Träume damit verbunden, die am späten Abend des 11. April zerschellten. Israel wollte als viertes Land nach den Großmächten USA, Russland und China auf dem Mond landen, aber beim Landemanöver ist ein Motor ausgefallen.

Das ganze Land fieberte mit, selbst auf dem Flughafen Ben Gurion war die erwartete Ankunftszeit auf dem Mond auf der Anzeigetafel ausgewiesen. Es war eine beispiellose Begeisterung, die das nach den Wahlen gespaltene Land in Euphorie vereinte. Umso größer war die Enttäuschung, selbst Schulkinder hatten sich wochenlang auf das Ereignis vorbereitet.

Aber der israelische Milliardär Morris Kahn, der wichtigste Sponsor des Projekts, sprach von einer "riesigen Errungenschaft" trotz der fehlgeschlagenen Landung. "Wir haben allen Grund, stolz zu sein." Und er kündigte sofort an, dass weitergemacht werde. Gleich am Sonntag gab es das erste Treffen für Beresheet 2.0. Die erste Million ist schon vorhanden, eine Stiftung hat das Geld bereits zur Verfügung gestellt.

Genau diese Haltung ist typisch für Israel und zeigt, was hier anders läuft und was den Innovationsgeist ausmacht. Selbst nach einer Niederlage steht man auf und macht weiter. Wer mit einem Start-up oder einer Mondlandung scheitert, probiert es einfach noch einmal. Scheitern wird als Erfahrung verbucht und nicht verschwiegen. Die nicht geglückte Mondlandung ist somit ein Lehrstück in Sachen Innovation und Motivation. Schon der Start des Projekts war holprig. Google hatte einen Wettbewerb ausgerufen, aber keinen Sieger gekürt. Trotzdem gründeten drei Teilnehmer 2011 SpaceIL und begannen ihren Traum von der Mondlandung mit Hartnäckigkeit zu verfolgen, obwohl sie von vielen als Spinner angesehen wurden.

Auch Alon Meidan, Manager des Wissenszentrums und der Innovationsgemeinschaften am Peres Center, sieht die Mondmission grundsätzlich positiv. "99,9 Prozent haben funktioniert." Man habe der Welt gezeigt, dass man ein solches Unternehmen als fast private Mission, sehr kostengünstig und mit einem kleinen Raumfahrzeug realisieren könne. "Das war superinnovativ."

Tatsächlich waren die Kosten mit hundert Millionen Dollar gering, rund 40 Millionen davon kamen vom Sponsor Kahn. Für den zweiten Versuch, auch das wird als positiv verbucht, braucht man ein geringeres Budget, weil die Forschungs- und Entwicklungskosten geringer sind und auch das Raumschiff aufgrund der bereits vorhandenen Erfahrungen rascher konstruiert werden kann.

Das ebenfalls an der Mondmission beteiligte staatliche Unternehmen Israel Aerospace Industries (IAI) hofft, aus den Erfahrungen gleich Kapital schlagen zu können. Die Erkenntnisse, wie man kostengünstige Raumfahrzeuge konstruiert, können für die Satellitenherstellung genutzt werden. IAI will sich auch bei Ausschreibungen der Nasa und der europäischen Raumfahrtagentur bewerben, die ebenfalls nach kostengünstigen Lösungen suchen.

Agrar-Innovationen sind wichtig. Schon David Ben-Gurion wollte die Wüste grün machen

An Bord von Beresheet waren Beispiele für israelische Innovationen wie eine Kapsel mit hunderten digitalen Dateien, die unter anderem eine hebräische Bibel enthielt. Mit Hilfe von Nanotechnologie wurde der Inhalt auf einem Datenträger in Münzgröße gespeichert. Richtung Mond geschickt wurde auch eine Notiz des 2016 verstorbenen Präsidenten Schimon Peres.

Der Nobelpreisträger hat sich Zeit seines Lebens für Frieden und Innovation eingesetzt. In seinem 1996 gegründeten Zentrum widmeten sich die Mitarbeiter bisher vor allem Friedensinitiativen. Seit Januar ist der moderne, würfelförmige Bau Ziel jener, die mehr über Innovationen und Start-ups in Israel wissen wollen. Das vom italienischen Architekten Massimiliano Fuksas entworfene und 2009 bezogene Gebäude, das im arabisch geprägten Stadtteil Ajami auffällt, ist neben Yad Vashem und der Klagemauer ein neuer Fixpunkt auf dem Programm der meisten Delegationen, die nach Israel kommen. Zwei bis drei Staatsgäste pro Woche tauchen hier auf, bis September sind die Führungen ausgebucht und bis zum Jahresende werden 250 000 Besucher erwartet.

Zu Beginn präsentieren unterschiedliche Persönlichkeiten ihre Sicht auf die Start-up-Nation: Von Mosche Friedman, der mit Kama-Tech ultraorthdoxe Juden für High-Tech begeistern will, bis zu Amnon Shashua, dessen auf Fahrerassistenzsysteme spezialisiertes Start-up Mobileye für 15,3 Milliarden Dollar an Intel verkauft wurde. Präsentiert werden 45 der rund 6000 Start-ups in Israel, es ist eine Mischung aus bekannten und weniger präsenten Unternehmen. Jedes Jahr sollen andere Star-ups vorgestellt werden.

Gezeigt werden Meilensteine der Innovation, die Aufschluss über Entwicklungen geben: jene im sozialen Bereich werden weniger, die im Tech-Bereich nehmen zu. Konstant ist das Bemühen um Innovationen im Agrarbereich, wo Israel den Anspruch von Staatsgründer David Ben Gurion, auch die Wüste grün zu machen, zu verwirklichen versucht.

Rund ein Dutzend Ben-Gurion-Figuren finden sich auch in Peres' Büro, das im Originalzustand erhalten geblieben ist und von den Mitarbeitern kurzerhand zum "Inspirationsraum" umfunktioniert wurde - mit Blick auf das Meer und die Buchstaben: "Träume groß!"

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