Energie:Umweltschützer warnen vor Scheitern der Kohlekommission

Braunkohlekraftwerk Niederaußem

Braunkohlekraftwerk Niederaußem in Nordrhein-Westfalen.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)
  • Die Kohlekommission will sich an diesem Freitag auf einen Ausstiegsplan für die Braun- und Steinkohle in Deutschland einigen.
  • Die Entwürfe, die den Mitgliedern heute vorliegen sind schon recht konkret. Die Frage, wann in welchem Umfang Kraftwerke stillgelegt werden, ist aber immer noch offen.
  • Sollten sich die Mitglieder der Kommission am Freitag nicht einigen, bleibt nur noch ein Ausweichtermin eine Woche später.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

An diesem Freitag trifft sich die Kohlekommission der Bundesregierung zu ihrer womöglich entscheidenden Sitzung. Gesucht wird: ein wegweisendes Konzept für den Ausstieg aus der Braun- und Steinkohle in Deutschland. Umweltverbände haben zuvor allerdings nochmal vor einem Scheitern der Gespräche gewarnt. "Das Ergebnis hängt am seidenen Faden", sagte Kai Niebert, Chef des Deutschen Naturschutzrings. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz BUND, sprach von einer "sehr ernsten Situation". Alles, was zum Klimaschutz beitragen könne, sei noch immer ungeklärt. "Wir diskutieren derzeit so, als müssten wir die Wirtschaft vor den Folgen eines vorzeitigen Ausstiegs schützen."

Seit dem Sommer arbeitet die 28-köpfige Kommission an einem Fahrplan für den Kohleausstieg. Grund sind die hohen Emissionen von Braun- und Steinkohlekraftwerken. Allein die zehn größten Anlagen Deutschlands verursachen derzeit ein Sechstel aller klimaschädlichen Emissionen. Die Kommission soll aber auch einen Weg aufzeigen, wie sich der Strukturwandel vor Ort abfedern lässt. Das gilt vor allem für die Lausitz, wo 8000 Beschäftigte in Kraftwerken und im Tagebau arbeiten.

Die Entwürfe, die den Mitgliedern der Kommission am Freitag vorliegen werden, sind zumindest in diesem Punkt schon recht konkret. Ein Anhang listet mehr als 600 Projekte auf, die den Braunkohlerevieren neue Perspektiven eröffnen sollen. Die allermeisten betreffen Ostdeutschland. Doch die Frage, wann in welchem Umfang Kraftwerke stillgelegt werden, ist immer noch offen; ebenso das Datum für den Kohleausstieg. "50 Prozent ist geschafft, aber bei den anderen 50 Prozent geht es ums Eingemachte", sagt Martin Kaiser, Chef von Greenpeace-Deutschland.

Die Umweltorganisationen verlangen ein Ende des Kohlestroms bis 2030. Den betroffenen Ländern und der Industrie ist das viel zu früh. Um das deutsche Klimaziel für 2030 zu erreichen - ein Rückgang der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 - müsste die deutsche Kohleleistung von derzeit gut 40 Gigawatt auf unter 18 Gigawatt sinken. Die Braunkohle fällt dabei besonders ins Gewicht, ihrer hohen Emissionen wegen.

Der Strompreis steigt, heißt es aus der Wirtschaft. Nein, er fällt, sagt das Umweltministerium

Umstritten ist auch noch, welche Folgen ein Ausstieg auf den Strompreis hätte. Die Kommission müsse auch die Stromversorgung "zu akzeptablen Preisen" sicherstellen, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Donnerstag. "Sonst gehen die Strompreise durch die Decke - für Bürger und Unternehmen. Dann gewinnt niemand." Zuvor hatte eine Studie im Auftrag der deutschen Wirtschaft einen Anstieg der Strompreise um 0,4 Cent je Kilowattstunde errechnet, in einem Extremszenario sogar um 1,4 Cent.

Ein internes Papier aus dem Bundesumweltministerium allerdings kommt zum gegenteiligen Ergebnis: Wenn gleichzeitig der Ökostrom ausgebaut werde, könne dies den Strompreis senken. Beim Ausbauziel der Bundesregierung, das einen Ökoanteil von 65 Prozent bis 2030 vorsieht, werde der Strom um 0,8 Cent billiger. "Ein Kohleausstieg, gepaart mit einem konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien, dämpft (überkompensiert) eine ansonsten stattfindende Strompreiserhöhung", heißt es in dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die Kommission tagt seit dem Morgen im Wirtschaftsministerium, um die strittigen Themen sollte es aber erst vom Mittag an gehen. Auf eine Nachtsitzung haben sich mittlerweile ohnehin alle Mitglieder eingestellt. Sollten sie sich nicht einigen, bleibt nur noch ein Ausweichtermin eine Woche später, so ist es vereinbart. Es gebe aber, heißt es aus dem Zirkel, den großen Willen, "diesen Freitag durchzukommen".

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